Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist in den vergangenen Wochen geringfügig gestiegen, bleibt aber auf relativ niedrigem Niveau. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeigt „gelb-grün“. Das steht für ein moderates Wachstum.
Für die drei Monate von März bis Ende Mai weist der Konjukturindikator, der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, ein Rezessionsrisiko von 23,0 Prozent aus. Anfang Februar waren es 21,7 Prozent für die folgenden drei Monate.
Die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, ist gleichzeitig von 16,4 Prozent auf 12,3 Prozent zurückgegangen. Rezessionswahrscheinlichkeit und Streuung zusammengenommen unterschreiten wie im Vormonat die Schwelle, ab der der Indikator eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit ausweist.
Die Indikator-Prognose deute für die kommenden Monate auf ein „gedämpftes Wachstumstempo“ hin, aber nicht auf eine „durchgreifende Konjunkturerholung“, erklärt IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld. Und mit Blick auf das zu Ende gehende erste Quartal sei es nicht ausgeschlossen, dass die deutsche Wirtschaft eine leichte technische Rezession durchlaufen habe.
Eine technische Rezession liegt vor, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale in Folge zurückgeht. Dazu würde passen, dass der IMK-Konjunkturindikator noch im Dezember, als es um den Ausblick bis Ende Februar ging, „rot“ signalisierte.
Das gemischte Bild spiegelt sich nach Hohlfelds Analyse auch in den Faktoren wider, die der Algorithmus des Indikators aktuell als relevant für das Konjunkturbild einordnet, und die unter dem Strich zum geringfügigen Anstieg der Rezessionswahrscheinlichkeit geführt haben.
Positiv wirken einige Stimmungs- und Finanzmarktdaten. So zeigt der ifo-Geschäftsklimaindex nach oben und der Aufschlag, den Unternehmen für ihre Anleihen gegenüber Staatspapieren zahlen müssen, war in den vergangenen Wochen rückläufig.
Dagegen belasten aber die hohe Inflation und die deutlich gestiegenen Geldmarktzinsen insbesondere die Baubranche. Und die Aufträge aus dem Inland an das Verarbeitende Gewerbe entwickelten sich in letzter Zeit schwach, ebenso wie die Produktion in energieintensiven Industriezweigen, etwa der Chemie.
Dass die konjunkturellen Aussichten angesichts dieser Gemengelage auch schon für die kommenden Monate eher positiv seien, hat auch viel mit der Stabilisierungspolitik der Bundesregierung zu tun, unterstreicht Ökonom Hohlfeld: „Ohne die vielfältigen expansiven fiskalischen Maßnahmen der Bundesregierung wäre es zu einem stärkeren und längeren Abschwung gekommen.“
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
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