Die kleine Münze des Versicherungsvertriebs

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Die Tippgeber-Vereinbarung gilt als kleine Münze des Versicherungsvertriebs. Deshalb wird ihr in der Praxis wenig Beachtung geschenkt. Das ist wegen der damit verbundenen Risiken nicht folgenlos. Wer meint, mit einer aus dem Netz gezogenen und unter strengster Budgetschonung mit Bordmitteln aufgepeppten Tippgeber-Vereinbarung komme man schon klar, dem wird im Streitfall schnell bewusst, sich in Gottes Hand zu begeben. Dass sich Versicherungsvermittler noch immer zu wenig Gedanken über die Tippgeber-Vereinbarung machen, ist Grund genug für den expertenReport, diesem Thema einen Beitrag zu widmen.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jürgen Evers, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Jürgen Evers, Rechtsanwalt, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Stellt man dem EVERS.OK die Frage: „Was ist eine Tippgeber-Vereinbarung?“, so erhält man zur Antwort, dass der Tippgeber eine Vergütung dafür erhält, dass er einem Dritten mögliche Kunden benennt (OLG München, 23.01.2014 – 23 U 1955/13 – EVERS.OK LS 38 – DVAG 40 –). Dies deutet unverkennbar zunächst in die Richtung eines Nachweises im Sinne des § 652 Abs. 1 BGB.

Denn die einem Nachweismakler nach § 652 BGB obliegende Leistung besteht in dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages (BGH, 18.01.1996 – III ZR 71/95 – EVERS.OK LS 2). Gemeint ist damit eine Mitteilung, durch die der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Vertrag einzutreten; der allgemeine Hinweis auf einen möglichen Vertragsgegenstand genügt nicht (BGH, 15.06.1988 – IVa ZR 170/87 – EVERS.OK LS 3).

Dass auf eine konkrete Vertragsangelegenheit hingewiesen wird, ist mithin unverzichtbare Voraussetzung für eine qualifizierte Maklerleistung im Sinne des § 652 BGB (BGH, 15.06.1988 – IVa ZR 170/87 – EVERS.OK LS 6). Und hier beginnen die Probleme.

Eine Tätigkeit, die auf einen konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet ist, ist im gewerberechtlichen Sinne aber bereits eine Versicherungsvermittlungstätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 15 – Tchibo -). Empfiehlt der Tippgeber also bereits ein konkretes Versicherungsprodukt und ist sein Verhalten darauf gerichtet, dass der Kunde einen bestimmten Versicherungsvertrag abschließt, so entfaltet er eine nach § 34d Abs. 1 GewO erlaubnispflichtige Tätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 17 – Tchibo –).

Dass der Abschluss dann letztlich über Dritte erfolgt, also über einen Versicherungsvermittler auf der Website des Versicherers direkt, ist unter diesen Umständen für die Annahme einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit unerheblich. Denn die Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung werden weit verstanden (EuGH, 29.09.2022 – C-633/20 – EVERS.OK LS 18 – TC Medical Air Ambulance Agency –).

Der Versicherungsvermittlung zuzurechnende Tätigkeiten erschöpfen sich daher nicht im Anbieten und Vorschlagen von Versicherungsverträgen, sondern erstrecken sich auch auf Vorbereitungsarbeiten zum Abschluss solcher Verträge, ohne dass die Art dieser Vorbereitungsarbeiten in irgendeiner Art und Weise beschränkt wäre (EuGH, 31.05.2018 – C-542/16 – EVERS.OK LS 20 – Länsförsäkringar –). Tragend hierfür ist die Ansicht, dass der gewerberechtliche Begriff der Versicherungsvermittlung im Interesse eines hohen Verbraucherschutzniveaus nicht eng bestimmt werden dürfe (BGH, 28.06.2018 – I ZR 77/17 – EVERS.OK LS 7).

Vorsicht ist daher bei dem Einsatz von Tippgebern oder Vorwerbern geboten, die schon mal dazu neigen, den angesprochenen Personen bestimmte Produkte zu empfehlen, oder die im Rahmen einer sogenannten Engpassstrategie eingesetzt werden, Kunden für bestimmte Versicherungsprodukte zu gewinnen.

So ist eine Tippgeber-Vereinbarung schwierig, wenn der Versicherungsvermittler Bestattungsunternehmer gegen Provision mit dem Nachweis von Kunden betraut und die Mitarbeiter des Bestatters die Kunden auf die vom Versicherungsvermittler vertriebenen Trauerfallvorsorgetarife eines bestimmten Versicherers ansprechen. Für diesen Fall eignet sich die Tippgeber-Abrede nur, wenn sichergestellt ist, dass der Bestatter weder den Versicherer noch den Tarif bezeichnet, sondern er diese Aufgabe dem Versicherungsvermittler überlässt.

Nur das bloße Einholen von Kundendaten ist keine Versicherungsvermittlungstätigkeit (BGH, 28.11.2013 – I ZR 7/13 – EVERS.OK LS 19 – Tchibo –). Da der Versicherungsvermittler sich des Tippgebers bedient, um seiner Tätigkeit der Versicherungsvermittlung nachzugehen, kann er auch nicht darauf bauen, dass ihn das ordnungswidrige Handeln seines Tippgebers nichts angehe. Vielmehr dürfte die anhaltende Duldung einer Tätigkeit ohne Erlaubnis Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Versicherungsvermittlers selbst begründen. 

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