Wie Onlinehändler sich jetzt krisensicher aufstellen

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Onlineshops waren während der Corona-Pandemie absolute Krisengewinner. Umso überraschender ist es, dass sich diese Position ins Gegenteil gewandelt hat. Massive Lieferkettenprobleme, steigende Kosten, ein rückläufiges Konsumverhalten und nun auch das AdBlue-Debakel sorgen bei vielen Onlineshops für enorme Schwierigkeiten. Das Fatale: Die Kosten bleiben weiterhin bestehen und brechen den Händlern schleichend das Genick.

Robert Giebenrath, CFO der RG Finance, erklärt, wie Onlinehändler ihre Zahlen analysieren, wie sie möglichst keinen Verlust machen und wie sie ihre Liquidität langfristig planen.

Robert Giebenrath, CFO, RG Finance GmbH © RG Finance GmbH

Die jüngsten Entwicklungen können jeden Händler, vom kleinen Einzelunternehmen bis zur Handelskette, schwer treffen. Besonders stark betroffen sind Onlinehändler im leicht gehobenen Preissegment, die direkt an den Endkunden verkaufen. Mögliche Ursachen dafür bestehen darin, dass der während der Corona-Pandemie entstandene Markt langsam einbricht, während Kunden aufgrund der starken Inflation und steigenden Energiekosten auf Luxusgüter und Anschaffungen verzichten, die nicht zwingend erforderlich sind.

In der Folge existieren zu viele Onlineshops, die eine sinkende Nachfrage zu bedienen versuchen. Es entsteht eine Kettenreaktion, die selbst Händler zu ruinieren droht, die vor der Corona-Krise durchgehend schwarze Zahlen schrieben. Für Shopbetreiber ist es daher unabdingbar, die eigene Performance gründlich zu prüfen, vorausschauend zu planen und Kosten einzusparen, wo immer dies möglich ist – nur so ist der kommende Winter zu überstehen.

Nicht auf „Weihnachtswunder“ hoffen

Trotz dieser düsteren Prognose sehen viele Händler ihre Rettung im erfahrungsgemäß umsatzstarken Weihnachtsgeschäft. Doch auch dieses wird wahrscheinlich kleiner ausfallen als üblicherweise. Entscheidungen sollten daher nicht auf Hoffnungen, sondern auf handfesten Zahlen und Prognosen aufbauen, um Probleme auf strategischer Ebene zu lösen.

Die Basis dafür bilden die wichtigsten Kennzahlen des eigenen Unternehmens. Neben dem Umsatz spielen besonders die laufenden Kosten und die Marketingkennzahlen eine tragende Rolle, um Optimierungspotenzial aufzudecken. Dabei sollte überprüft werden, welche Kostenfaktoren gegebenenfalls reduziert oder komplett eliminiert werden könnten.

Zusätzlich können durch Kennzahlen, Vorhersagen für die kommenden Monate getroffen werden. Indem Entscheidungsträger schon im Voraus ermitteln, wie sich die Liquidität des Unternehmens entwickeln wird, können sie nicht nur auf Trends reagieren, sondern Einsparmaßnahmen proaktiv umsetzen, bevor das Schlimmste über sie hereinbricht.

Ohne offene Fragen ins Wintergeschäft gehen

Teilweise lässt es sich dennoch nicht vermeiden, ins Minus zu geraten. Es lohnt sich daher, schon im Vorfeld zu klären, welche Optionen im Ernstfall bestehen. Händler sollten deshalb mit ihrer Bank darüber sprechen, wie sich finanzielle Mittel beschaffen lassen und welche Limits existieren. Für viele ist bereits jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um Warenfinanzierung oder einen Betriebsmittelkredit zu den bestmöglichen Konditionen zu beantragen, solange die Bonität als gut eingeschätzt wird.

Ebenso sollten Händler das Gespräch mit ihren Lieferanten suchen. Indem Verträge und Zahlungsbedingungen geprüft und die Bedingungen für eine langfristige Kooperation geschaffen werden, können Händler auf bessere Bedingungen hoffen und schwarze Schafe unter den Zulieferern entlarven. So lassen sich Lieferengpässe auf ein Minimum reduzieren, während weniger Kosten durch zu teure Lieferanten und vermeidbare Ausfälle entstehen.

Überleben, statt nur an Gewinn zu denken

Um Defizite kurzfristig zu kompensieren, müssen mitunter schwere Entscheidungen gefällt werden. Stellt sich bei der Lageranalyse heraus, dass sich bestimmte Artikel nur schwer zum regulären Preis verkaufen lassen, ist es im Härtefall besser, sie im Rahmen einer Vertriebsaktion zu Geld zu machen.

Wichtiger als die Rentabilität ist, dass überhaupt Geld fließt – schließlich bezahlt Lagerbestand keine Rechnungen. Indem Ladenhüter im Ausverkauf oder mit einer Rabattaktion vertrieben werden, können sich Händler oft noch vor dem finanziellen Aus retten und gleichzeitig Pluspunkte bei der Stammkundschaft sammeln.

Alles tun, damit die Türen offen bleiben

Zeigt sich, dass sämtliche Maßnahmen keine ausreichende Entlastung bringen, müssen Händler als Ultima Ratio erwägen, unrentable Teile ihres Geschäftsmodells aufzugeben. Dabei sollte mit den Aspekten begonnen werden, die den geringsten Return on Investment mit sich bringen – beispielsweise mit Marketingmaßnahmen, die kaum Leads generieren.

Dennoch dürfen die Entscheidungsträger nicht zögern, zur Not drastische Schritte zu unternehmen. Zwar sind Kürzungen oder Streichungen von Benefits alles andere als beliebt bei der Belegschaft, jedoch stellen sie die bessere Wahl dar, wenn die Alternative der finanzielle Ruin des Unternehmens ist.

Etwas mildern lässt sich der Schock in solchen Fällen, indem die geplanten Abstriche und ihre Hintergründe Beschäftigten gegenüber transparent vermittelt werden. Ist von vornherein klar, dass es sich nur um Notfallmaßnahmen zur Überbrückung einer Durststrecke handelt, werden Sparmaßnahmen in der Regel besser aufgenommen.

Über den Autor

In seiner Funktion als externer CFO (Finanzvorstand) verantwortet Robert Giebenrath mit seiner Firma RG Finance die finanzielle Planung und Absicherung erfolgreicher deutscher Wachstumsbetriebe. Erste Einblicke in die Welt des Finanzmanagements erhielt der Finanzexperte während seines Studiums der Wirtschaftspsychologie.

Seine Expertise gründet sich vor allem auf einer langjährigen Tätigkeit bei einer renommierten Consulting-Boutique, in der er als Projektleiter tätig war. Er betreute in dieser Zeit rund 150 Unternehmen und absolvierte gleichzeitig zahlreiche Aus- und Weiterbildungen mit finanzstrategischem Schwerpunkt. Anschließend gründete er die RG Finance GmbH, welche er noch heute als Geschäftsführer leitet. Als externer CFO unterstützt das Expertenteam um Robert Giebenrath ambitionierte Unternehmen bei der sicheren Skalierung und setzt ein ausgeklügeltes Controlling- und Risikomanagement-System um.

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