Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, ist gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
Für den Zeitraum von November bis Ende Januar 2023 weist der Indikator ein Rezessionsrisiko von 65,3 Prozent aus. Anfang Oktober betrug die Rezessionswahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch 80,8 Prozent. Die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, hat sich kaum verändert und liegt aktuell bei 15,6 Prozent.
Da Rezessionswahrscheinlichkeit und Streuung zusammengenommen den Schwellenwert von 70 Prozent überschreiten, ab dem der Indikator eine akute Rezessionsgefahr ausweist, steht das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument weiterhin auf "rot". Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass der drohende wirtschaftliche Einbruch in Dauer und Ausmaß spürbar abgemildert werden könnte. Umso mehr, weil die sich abzeichnende Unterstützung von Haushalten und Wirtschaft in Form der Gaspreisbremse die Konjunktur ab der Jahreswende stützen dürfte.
Die moderate Entspannung bei der Rezessionswahrscheinlichkeit hängt stark mit Trends auf den Finanzmärkten zusammen, die in den Indikator einfließen, aber auch aus der Realwirtschaft kamen positive Impulse: Die Börsenkurse haben die Verluste des Vormonats teilweise wettgemacht und der Finanzmarktstressindex des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der einen breiten Kranz von Finanzmarktindikatoren zusammenfasst, hat sich auf hohem Niveau etwas aufgehellt.
Zudem haben sich die inländischen Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe stabilisiert, das gilt auch für Stimmungsindikatoren wie den ifo-Geschäftsklimaindex. Einen stärkeren Rückgang des Rezessionsrisikos verhindert haben der spürbare Rückgang von Auftragseingängen aus dem Ausland sowie ein Anstieg der Risikoprämien für Unternehmenskredite. Als zentrale Belastung für die Konjunktur bewerten die Forschenden des IMK weiter drohende erhebliche Kaufkraftverluste bei den privaten Haushalten. Diese würden den Konsum weiter schwächen. Dr. Thomas Theobald, Referatsleiter für Finanzmärkte und Konjunktur beim IMK, berichtet über das aktuelle Konjunkturbild:
Nach wie vor weisen die konjunkturellen Frühindikatoren in ihrer Gesamtheit in Richtung Rezession, aber es gibt Lichtblicke.
Neben den umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen könne die Tiefe der Rezession im besten Fall auch dadurch begrenzt werden, dass im Verarbeitenden Sektor bei weiter nachlassenden Lieferengpässen der hohe Auftragsbestand der Vorquartale produktionswirksam abgearbeitet werde, so Dr. Theobald. Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Stabilisierung von Kaufkraft und Konjunktur seien angemessene Lohnerhöhungen.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
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Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate kurzfristig so deutlich gestiegen ist, geht wesentlich auf die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren zurück, was das IMK auch mit der Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank im Juni in Verbindung bringt.
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Die Wirtschaftsaussichten in Deutschland haben sich weiter aufgehellt. Dementsprechend ist die Rezessionswahrscheinlichkeit erneut gesunken - und zwar den vierten Monat in Folge. Zum ersten Mal seit Februar 2022 schaltet der Konjunkturindikator auf „moderates Wachstum“.
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