Keine Frage, die COVID-19-Pandemie hat den Druck auf Finanzdienstleister und Banken, ihre Digitalisierung voranzutreiben, enorm erhöht. Vor allem hat sie den Verantwortlichen bisherige Defizite deutlich aufgezeigt. Und auch wenn diese behoben sind, wird der Digitalisierungsprozess weitergehen müssen.
Toby Dixon, Managing Director DACH bei Endava, nennt die dabei fünf größten Herausforderungen in den kommenden Jahren.
Der Ausbruch von COVID-19 hat Finanzunternehmen weltweit unvorbereitet getroffen. Laut einer einer aktuellen Studie von Endava räumen 98 Prozent der befragten IT-Entscheider aus dem Finanzsektor ein, dass es bei ihren digitalen Tools, Systemen und Prozessen Verbesserungsbedarf gegeben hat.
Gleichzeitig haben mehr als vier von fünf Organisationen (84 Prozent) die Einführung digitaler Technologien während der Pandemie beschleunigt, um auf veränderte Bedingungen zu reagieren. Den größten Einfluss haben laut den IT-Entscheidern die Kunden (73 Prozent), gefolgt von der Führungsebene (67 Prozent) und den Wettbewerbern (58 Prozent).
So hat die Pandemie zum Beispiel dazu geführt, dass nahezu alle Altersklassen stärker als zuvor Online-Banking nutzen. Wer nicht in der Lage ist, sein Angebot entsprechend auszubauen und zu optimieren, wird über kurz oder lang Kunden verlieren. Die Banken stehen unter Zugzwang.
Fünf Herausforderungen
In der Endava-Studie wird auch deutlich, welche Faktoren in den Augen der IT-Entscheider in den nächsten drei Jahren die größten Herausforderungen für die digitale Entwicklung von Finanzdienstleistern sein werden.
Remote- und Hybridarbeit
Wenn Mitarbeiter nicht mehr physisch zusammenarbeiten, können Unternehmenskultur und Teamgeist darunter leiden. Ist dies der Fall, sinkt womöglich die Bindung der Angestellten ans Unternehmen. Deshalb ist es essenziell, dass Unternehmen wissen, wie eine Unternehmenskultur aufgebaut und gestärkt werden kann, auch wenn die Mitarbeiter im Home Office sitzen – beispielsweise können sie von Firmen lernen, die bereits jahrelange Erfahrung darin haben.
Veränderte Erwartungshaltungen der Kunden
Die Digitalisierung des Privatlebens ist in vollem Gange. Dadurch steigen Erwartungen der Verbraucher kontinuierlich an, während ihre Toleranz für schlechte digitale Erfahrungen sinkt. Und sie ziehen Vergleiche zwischen allen Apps, das heißt die Bank muss sich nicht nur mit anderen Banking-Apps messen, sondern auch mit den intuitiven digitalen Angeboten von Netflix, TikTok und Co.
Veränderte Rahmenbedingungen
Die Pandemie, aber auch die aktuelle geopolitische und wirtschaftliche Situation zeigen, wie schnell Unternehmen und die Weltwirtschaft von Störungen betroffen sind und wie empfindlich sie auf diese reagieren.
Technologische Störungen
Anwendungen, die nicht die gewünschten Funktionen bieten, Cyberrisiken, die beseitigt werden müssen, digitale Prozesse, die zusätzlichen Aufwand verursachen – mit der steigenden Zahl an digitalen Lösungen steigt auch die Anzahl möglicher Probleme. Allerdings: durch den Fachkräftemangel wird es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die diese Probleme lösen können. Das führt schnell zu Verzögerungen – und verärgerter Kundschaft.
Mangelhafte interne Überzeugung
Veränderungen benötigen in einem Unternehmen auch immer einen Kulturwandel, auf den die Mitarbeiter rechtzeitig und gezielt eingestimmt werden müssen. Andernfalls werden neue Tools, Systeme und Prozesse nicht (sinnvoll) genutzt.
Agiles Handeln: heute und in Zukunft
Gleichwohl müssen Organisationen im Finanzsektor ihre Digitalisierung weiter vorantreiben, wenn sie dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben wollen. Immerhin verstehen sie zunehmend, dass Technologie heute ein zentraler Teil ihres Geschäfts und ihrer Finanzprodukte sein muss, statt nur ein Hilfsmittel für diese. Die Verschmelzung von Technologie und Produkten sollte im Mittelpunkt der Geschäftsstrategie stehen. Zumindest die IT-Strategie ist bei knapp neun von zehn IT-Entscheidern durch die Pandemie zuletzt konkreter geworden (87 Prozent). Zudem meinen ähnlich viele (93 Prozent), dass sie jetzt über einen langfristigen Plan verfügen.
Dennoch sollten sie nicht vergessen, wie sie gerade am Anfang der Pandemie ihre Digitalisierung erfolgreich gemeistert haben: Entscheider haben nicht weit in die Zukunft geplant, sondern Lösungen getestet, indem sie diese einfach umgesetzt und ausprobiert haben. Hat etwas funktioniert, wurde es beibehalten und nach und nach optimiert. Was nicht funktionierte, wurde verworfen. Dieser schnelle, iterative Ansatz erlaubt es Unternehmen, unmittelbar auf Veränderungen zu reagieren, unabhängig davon, ob diese durch interne Gründe oder äußere Einflüsse verursacht werden. Die übergreifende Digitalstrategie verbindet dabei eine Reihe von zielgerichteten, erreichbaren Meilensteinen und gibt dadurch die Richtung vor, in die sich das Unternehmen entwickeln soll.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Digitalisierungsschub wird Pandemie überdauern
Der AXA Future Risks Report formuliert Risiken der Zukunft
KI im Vertrieb: Große Hoffnungen, kleine Schritte
Virtuelle KI-Agenten versprechen eine neue Ära im Vertrieb – doch viele Unternehmen bleiben zögerlich. Eine aktuelle Studie zeigt: Die Technologie ist da, aber strategische Klarheit fehlt.
ESG-Strategien stärken den Erfolg im Mittelstand
Jährlich veröffentlicht das Zentrum für Arbeitgeberattraktivität, kurz zeag GmbH, in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen eine Trendstudie zum Status quo im Mittelstand und darüber hinaus. Dieses Jahr wurden ökologische und soziale Faktoren unter Berücksichtigung geltender ESG-Kriterien untersucht: ökologische Führung und ein ausgeprägtes Diversitätsklima wirken sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
„Wir haben keinerlei Szenario, in dem aB-Agenta ausläuft“
Mit der Übernahme von artBase! ergänzt DEMV seine bisher rein digitale Strategie um eine bewährte Offline-Lösung. Geschäftsführer Karsten Allesch erklärt im Interview, warum aB-Agenta eigenständig weiterbesteht, welche Vorteile eine Migration bietet und wie sich die Maklerbranche zwischen Plattform-Ökonomie und Bestandsschutz positioniert. Der Text erschien zuerst im expertenReport 03/25.
Warum Europas digitaler Tiefschlaf enden muss – und wie der „AI Continent“-Plan zum Wendepunkt werden kann
Die EU will mit dem „AI Continent Plan“ zur globalen KI-Macht aufsteigen – doch reicht das, um den digitalen Rückstand aufzuholen? Ein Kommentar über Europas Weckruf, seine neuen Ambitionen und das, was jetzt wirklich zählt.
Meta scannt Europa: Wie unsere Posts zur Futterquelle für künstliche Intelligenz werden
Meta beginnt noch diese Woche, EU-Nutzer per App und E-Mail zu informieren: Öffentliche Facebook- und Instagram-Beiträge sowie KI-Chats sollen künftig das KI-Modell füttern. Datenschützer sind alarmiert.
KI als Effizienztreiber: Mittelstand setzt auf digitale Transformation – doch Fachkräftemangel bremst
Der deutsche Mittelstand setzt verstärkt auf Künstliche Intelligenz, um Effizienzpotenziale zu heben – doch der Fachkräftemangel bremst den digitalen Fortschritt. Eine aktuelle Studie zeigt, wie Unternehmen investieren und woran Projekte scheitern.