Die Versicherer haben turnusmäßig ihre Berichte zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR) unter Solvency II veröffentlicht. Erwartungsgemäß sind die Solvenzquoten der Lebensversicherer im Zuge der leicht höheren Kapitalmarktzinsen gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Auswirkungen sind bei den einzelnen Unternehmen jedoch unterschiedlich.
Die Solvenzquote (SCR-Quote) gibt an, ob ein Versicherer auch in modellhaften Extremszenarien genügend Eigenmittel hat, um seinen Verpflichtungen gegenüber Versicherten und anderen Leistungsempfängern nachzukommen. Nach aufsichtsrechtlichen Vorgaben sollte die Quote stets bei mindestens 100 Prozent liegen. Eine Gesellschaft hat dann ausreichend Eigenmittel, um auch unter widrigen Entwicklungen alle Verpflichtungen in den unter Solvency II definierten Rahmenbedingungen zu erfüllen.
In folgender Tabelle sind die Solvenzquoten von 75 deutschen Lebensversicherern zusammengestellt, welche Assekurata bis zum 8. April 2022, 18:30 Uhr vorlagen.
Solvenzquoten profitieren von Zinserholung
Im Jahr 2020 hatte die Corona-Pandemie deutliche Spuren am Kapitalmarkt hinterlassen, zum Jahresende war das Zinsniveau niedriger denn je. Seinerzeit rentierten etwa zehnjährige Bundesanleihen mit -0,58 Prozent stark negativ, was auch die Solvenzlage der Lebensversicherer geschmälert hatte. Mittlerweile hat sich das Zinsniveau gegenüber den historischen Tiefständen etwas erholt.
Der zehnjährige Bund habe zum Jahreswechsel wieder ins Positive gedreht, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei der Versicherungs-Ratingagentur Assekurata:
Steigende Marktzinsen kommen den Solvenzquoten der Lebensversicherer zugute, die im Schnitt um 70 Prozentpunkte gestiegen sind.
So belief sich zum 31.12.2021 die aufsichtliche Solvenzquote nach bisherigen Erhebungen von Assekurata auf durchschnittlich 460 Prozent. Im Vorjahr hatte die Quote bei den in der Tabelle erfassten Versicherern bei durchschnittlich 390 Prozent gelegen.
Bei näherem Hinsehen große Unterschiede
Die Spannweite zwischen den einzelnen Anbietern ist allerdings beachtlich. So verteilen sich die SCR-Quoten im regulatorischen Nachweis von unter 200 Prozent bis über 1000 Prozent. Den Spitzenwert erzielt dabei die SV Lebensversicherung mit 1125 Prozent, gefolgt von der LVM Lebensversicherung
mit 1005 Prozent. Branchenweit konnten 56 Unternehmen ihr Solvenzniveau gegenüber dem Vorjahr erhöhen, während es bei 19 niedriger ausfällt.
Ein ähnlicher Trend ist für die Solvenzquote ohne Übergangsmaßnahmen sowie die Basis-Solvenzquote (ohne Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassung) festzustellen. Auch hier gehen die Werte mehrheitlich, aber nicht bei allen Anbietern nach oben. Im Übrigen fallen die Solvenzquoten ohne die Übergangsmaßnahmen noch immer deutlich geringer aus und liegen bei durchschnittlich 285 Prozent (mit Volatilitätsanpassung) beziehungsweise 263 Prozent (ohne Volatilitätsanpassung). Zugleich schaffen
es neun Gesellschaften mit ihrer Basis-Solvenzquote und fünf mit Berücksichtigung der Volatilitätsanpassung weiterhin nicht über die Marke von 100 Prozent. Lars Heermann kommentiert:
Gerade bei traditionellen Lebensversicherungsbeständen reagieren die Solenzquoten sehr sensibel auf die Marktzinsen.
Steigende Zinsen wirken sich positiv auf die Solvenzbilanzen aus. Bei einzelnen Anbietern bleibe das Solvenzkapital aber weiterhin knapp, nicht zuletzt weil die Wirkung von Übergangsmaßnahmen bis 2032 jedes Jahr ein Stück annehme, vertieft Heermann. Gerade wenn die Gesellschaften weiterhin Neugeschäft zeichnen, sollten sie ihr Geschäftsmodell damit aktiv umbauen oder neue Finanzierungsquellen für eine Erweiterung der Kapitalbasis erschließen.
Unter www.solvencydata.com/ticker finden Interessenten die kontinuierlich erfassten Solvenzquoten tabellarisch zusammengestellt. Neben den Lebensversicherern werden dort auch die privaten Krankenversicherer sowie die Schaden-/Unfall- und Rückversicherer aufgeführt.
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