Allianz Trade: Nachhaltigkeit ist für deutsche Exporteure (noch) nicht relevant
Stellung beziehen ist für Unternehmen wichtiger denn je. Sich zu positionieren und gesellschaftlich zu engagieren ist notwendig. Hin zu Nachhaltigkeit ist ein Aspekt, der unsere Gesellschaft fordert. Dafür gibt es im Handel die ESG-Kriterien. Sie sind unter den meisten Exporteuren bekannt aber größtenteils missachtet.
Der Welthandel sorgt als starker Motor für zahlreiche Innovationen, globales Wachstum und wirtschaftliche Weiterentwicklung. Gleichzeitig ist er auch verantwortlich für große Mengen an CO2-Emissionen. Entscheidende Faktoren auf dem Weg zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen im Zuge der angestrebten Klimaneutralität sind deshalb die Definition und Umsetzung sogenannter ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Obwohl den globalen Exportunternehmen die Bedeutung dieser Kriterien und ihre Einhaltung für den Klimawandel bewusst ist, spielen sie aktuell nur eine Nebenrolle in der Geschäftsstrategie. Das ist das Ergebnis der „Allianz Trade Global Survey“ des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade im Zuge seiner aktuellen Welthandelsstudie. Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade, berichtet:
ESG-Kriterien sind bei vielen Unternehmen bisher nicht Chefsache. Sie spielen, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle. Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen aktuell viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten müssen – darunter die hohen Energie- und Transportkosten, Störungen von Lieferketten, höhere Finanzierungskosten und Fachkräftemangel. Das ist nachvollziehbar. Allerdings haben Unternehmen, die jetzt die Weichen für ein nachhaltigeres Handeln stellen, in Zukunft eine sehr gute Ausgangsposition.
Exportunternehmen weitestgehend unbeeindruckt von CO2-Steuern
Um den grenzüberschreitenden Handel nachhaltiger zu gestalten, haben Exportunternehmen zahlreiche Optionen: Sie können eigene Prozesse anpassen, indem sie beispielsweise umweltfreundlichere Materialien einsetzen oder auf weniger umweltbelastende Verfahren umstellen. Oder sie können Geschäftspartner auswählen, die nachhaltig agieren. Letzteres ist bei den befragten Exporteuren bislang die beliebteste Strategie, so fügt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch hinzu:
Exportunternehmen verlagern die Einhaltung von ESG-Kriterien lieber auf ihre Lieferanten: Die Hälfte der befragten Unternehmen (Deutschland 47 Prozent) stellt lieber auf nachhaltigere Lieferanten um, als selbst Veränderungen in Richtung nachhaltiger Prozesse oder Produktionen anzustoßen. Nur gut ein Drittel (36 Prozent) der Exportunternehmen in den drei größten EU-Volkswirtschaften Deutschland (39 Prozent), Frankreich (32 Prozent) und Italien (35 Prozent) mussten ihre Preise erhöhen, um die Kohlenstoffsteuern auszugleichen. Dies zeigt auch, dass die Kohlenstoffpreise noch zu niedrig sind, um einen Wandel in den Unternehmen auszulösen oder die Verkaufspreise in die Höhe zu treiben.
ESG-Kriterien spielen maximal eine Nebenrolle
Die Unternehmen zeigen sich aktuell (noch) relativ unbeeindruckt von den CO2-Steuern und insgesamt beurteilen nur wenige Nachhaltigkeit als großes Risiko für ihre Geschäftstätigkeit. Diese Situation macht Unternehmen weniger effektiv in ihrem Bestreben, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren.
Nur 18 Prozent der deutschen Exporteure rechnet generell damit, dass ESG-Kriterien ihr Geschäft 2022 stärker beeinflussen als bisher, rund die Hälfte (48 Prozent) erwartet gleichbleibende Auswirkungen und ein Viertel (25 Prozent) sieht die Herausforderung sogar als geringer an als noch 2021.
Darüber hinaus zeigt die Allianz Trade Welthandelsstudie, dass ESG die globalen Handelsströme bis heute nicht verändert: Die meisten Befragten (74 Prozent) berücksichtigen bei der Auswahl ihrer Exportmärkte keine ESG-Aspekte. Nur 34 Prozent der Unternehmen in China, dem weltweit größten Exporteur, geben an, dass ESG-Grundsätze sie bei der Wahl ihrer Exportmärkte beeinflusst haben. In Deutschland waren es mit 33 Prozent auch nur ein Drittel der Exportunternehmen und Bogaerts sagt:
Dies zeigt, dass ESG und insbesondere das Thema Nachhaltigkeit noch einen langen Weg vor sich haben, bevor sie in der Strategie, dem Handeln und in den Prozessen von Exportunternehmen fest verankert sind.
Es ist aber auch eine Chance, die Unternehmen jetzt nutzen können, um sich durch frühzeitige Investitionen in die eigene Nachhaltigkeit entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern – und den Welthandel auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität zu unterstützen, so Bogaerts anschließend.