Der Ausschuss für Geldpolitik und Finanzstabilität der norwegischen Zentralbank Norges Bank hat den Leitzins von null Prozent auf 0,25 Prozent angehoben. Norwegen geht damit als erste westliche Notenbank seit Ausbruch der Pandemie einen Schritt, den sich bisher andere Notenbanken nicht getraut haben.
Marktkommentare von Ellen Gaske, Lead Economist-G10 Economies, Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income und Katharine Neiss, Chief European Economist, Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income.
Ellen Gaske: Gradwanderung zwischen Konjunkturunterstützung und Immobilienblase
Angesichts der wieder anziehenden Inlandsnachfrage nach den coronabedingten Lockdowns und den steigenden Ölpreisen, die den Energiesektor beflügeln, ist der Aufschwung in vollem Gange. Die Inflationsrate liegt zwar im Jahresvergleich unter 2 Prozent, doch deuten die soliden Messwerte der letzten Monate darauf hin, dass sie sich ebenfalls auf dem Weg zurück in Richtung des Zielwerts befinden dürfte.
Im Moment muss die norwegische Zentralbank, wie viele andere Zentralbanken der Industrieländer auch, zwischen der Notwendigkeit abwägen, einen vollständigeren Aufschwung zu unterstützen, und dem Risiko, dass ihre akkommodierende Haltung den ohnehin schon heißen Immobilienmarkt und die hohe Verschuldung der privaten Haushalte noch weiter anheizen wird.
In zahlreichen Industrieländern haben Zentralbanken bereits mit der Verringerung der krisenbedingten Maßnahmen begonnen. Während die Norges Bank als erste ihren Leitzins anhebt, verfolgen andere Zentralbanken dieses Ziel, indem sie ihre Anleihenkäufe zunächst reduzieren oder ganz beenden. Man erwartet jedoch, dass die Fed sich den anderen Zentralbanken anschließt und voraussichtlich noch vor Jahresende einen Tapering-Prozess einleiten wird.
Zwar haben die anhaltenden coronabedingten Risiken und die neue Delta-Variante einige Zentralbanken dazu veranlasst, ihre Maßnahmen zur Rückführung der Anleihekäufe zu überdenken, doch wurden sie im Großen und Ganzen nicht von ihrem Kurs abgebracht.
Das Beispiel der norwegischen Zentralbank, die nun die Leitzinsen angehoben hat, ist ein gutes Beispiel dafür. Nach unserer Einschätzung wird die Norges Bank auch in Zukunft einen moderaten Kurs, mit moderaten zusätzlichen Zinserhöhungen, einschlagen.
Katharine Neiss: Es spricht nichts dafür, die Wirtschaft heißlaufen zu lassen
Wie viele andere kleine Industrieländer war die norwegische Zentralbank sowohl der US-Notenbank als auch der EZB voraus, wenn es um die Ankündigung bevorstehender Zinserhöhungen ging. Und nun war sie die Erste, die dies tatsächlich umgesetzt hat.
Dies spiegelt eine Reihe von Makrofaktoren wider, darunter eine hohe Impfrate unter der erwachsenen norwegischen Bevölkerung vor dem Hintergrund einer starken Erholung der Wirtschaftstätigkeit und einer niedrigen Arbeitslosigkeit.
Entscheidend ist, dass die Inflation in Norwegen in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt bei etwa 2 Prozent lag. Es spricht also nichts dafür, die Wirtschaft heißlaufen zu lassen und Inflationsüberschreitungen zu tolerieren - wenn nicht sogar anzustreben - wie dies in den USA und im Eurogebiet der Fall sein mag.
Wir gehen jedoch davon aus, dass die norwegische Zentralbank angesichts der anhaltenden Unsicherheit über die Pandemie und die globalen Wachstumsaussichten einen "moderaten und schrittweisen" Zinspfad vorgeben wird.
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