Ungleiche Chancen für mobil Beschäftigte

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Keine Arbeitswege und die hieraus resultierende Zeitersparnis, produktivere Arbeit und mehr Flexibilität: Die Vorteile des Homeoffice sind vielfältig. Die Arbeit zu Hause hat jedoch einen Nachteil, der es in sich haben kann. Die Entfernung zum Büro bedeutet gleichzeitig Distanz zum Team und den geschätzten Kolleginnen und Kollegen.

Die Studie social health@work der BARMER und der Universität St. Gallen zeigt, wie groß die Auswirkungen dieser Isolation auf Gesundheit, Produktivität und Karriere mobil Beschäftigter sein können.

Gesünder und produktiver durch soziale Inklusion

Die veränderten Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie wirken sich deutlich auf das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Team aus. Die Studie untersucht, inwiefern sich die Inklusionswahrnehmung mobil und nicht mobil Beschäftigter voneinander unterscheidet.

Während das Gefühl dazuzugehören bei nicht mobil Beschäftigten zwischen Juli 2020 und Februar 2021 um 1,6 Prozent stieg, nahm es bei mobil Beschäftigten um 3 Prozent ab.

Welch starke Bedeutung der Aspekt der sozialen Inklusion in der Arbeitswelt hat, zeigt die Befragung von Personen im Homeoffice, die eine starke Zugehörigkeit wahrnehmen. Sie berichten:

  • über 16,3 Prozent mehr Produktivität während Corona,
  • eine um 33,9 Prozent höhere psychische Arbeitsfähigkeit,
  • eine um 21,3 Prozent höhere physische Arbeitsfähigkeit,
  • eine um 23,9 Prozent reduzierte emotionale Erschöpfung
  • und eine um 48,2 Prozent geringere Kündigungsabsicht

im Vergleich zu ebenfalls mobil arbeitenden Beschäftigten, die eher wenig in das Teamgefüge eingebunden werden.

Es ist essenziell für die Gesundheit der Beschäftigten, dass sich Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in der Verantwortung sehen, die berufliche Sozialinteraktion zu fördern – auch während der Arbeitszeit. Das reduziert die soziale Isolation und mindert die daraus resultierenden Krankschreibungen,

sagt Prof. Dr. Stephan Alexander Böhm, Professor für Diversity Management und Leadership der Universität St. Gallen. Die Abgrenzung vom Team kann jedoch nicht nur negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben: Homeoffice-Arbeitende sehen sich auch mit schlechteren Karriere-Chancen konfrontiert.

 

 

Distanz führt zum Gefühl von Chancenungleichheit

Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Distanz zum Büro bedeutet nicht nur Isolierung vom Team, sondern auch von den Vorgesetzten. Fehlen regelmäßige Feedbackgespräche, könnten für mobil Beschäftigte große Nachteile gegenüber ihren im Büro arbeitenden Kollegen und Kolleginnen entstehen.

Diesen Eindruck bestätigt auch die „social health@work“-Studie im Vergleich der Befragungen aus Juli 2020 und Februar 2021. Während Mitarbeitende im Homeoffice eher das Gefühl haben, authentischer sein zu können als ihre Kollegen und Kolleginnen am regulären Arbeitsplatz (2,1 Prozent gegenüber 1 Prozent), leidet das Vertrauen in Chancengleichheit stark: Mobil Beschäftigte fühlen sich in ihren Aufstiegschancen um 7,3 Prozent weniger fair behandelt als zuvor.

Dagegen sehen nicht mobil Beschäftigte ihre Chancen um 3,1 Prozent verbessert. Pessimistischer sind die mobil arbeitenden Kolleginnen und Kollegen auch bei der Perspektivenvielfalt – mit einer Zunahme von 0,8 Prozent gegenüber 4,8 Prozent bei den Mitarbeitenden im Büro.

Möchte ein Unternehmen also eine moderne Arbeitskultur mit der Einbindung von Homeoffice ermöglichen, müssen sich Vorgesetzte aktiv für mobil Beschäftigte einsetzen, das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team fördern und für gleiche Aufstiegschancen sorgen.

 

Tipps für die Arbeit in virtuellen Teams

1. Ermöglichen Sie Authentizität

Zeigen Sie Ihren Teammitgliedern echtes Interesse und ernst gemeinte Wertschätzung. Dazu gehört auch, allen den Spielraum zu geben, sie selbst zu sein und ihre eigenen Bedürfnisse, zum Beispiel im Hinblick auf gesundheitliche Einschränkungen, offenlegen zu dürfen.

Orientieren Sie sich dabei stets an den Stärken Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Vielfalt kann wahres Potenzial entfachen. Scheuen Sie sich nicht davor, Rollen und Verantwortlichkeiten neu zuzuordnen und Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen so von einer völlig neuen Seite kennenzulernen.

2. Fördern Sie Zugehörigkeit

Wählen Sie Arbeitsort, -zeit und -tätigkeit bewusst. Manche Tätigkeiten, zum Beispiel jene, bei denen keine direkte Teamarbeit notwendig ist, sind besser für Homeoffice geeignet als andere.

Um die Zugehörigkeit im Team auch virtuell zu fördern, schaffen Sie Möglichkeiten für soziale Interaktion. Dazu können zum Beispiel gemeinsame Wochen-Check-ins, virtuelle Mittagspausen oder Teamevents gehören.

3. Stellen Sie Chancengleichheit sicher

Von der Rekrutierung über die Bewertung bis hin zur Entlohnung und Entwicklung – stellen Sie sicher, dass die HR-Praktiken in Ihrem Einflussbereich fair sind. Niemand ist vor unbewussten Vorurteilen oder vor Befangenheit geschützt, weshalb Sie diese gezielt ausgleichen sollten.

Nutzen Sie hierfür zum Beispiel das Vier-Augen-Prinzip oder eine 360-Grad-Bewertung mithilfe anderer Teammitglieder, Vorgesetzten und der Selbsteinschätzung des Mitarbeitenden. Wichtig ist auch das regelmäßige Feedback Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Sie, das sowohl direkt als auch anonym möglich sein sollte.

4. Schaffen Sie Raum für Perspektivenvielfalt und Synergien

Fördern Sie bewusst Diversität in Ihrem Umfeld. Dazu gehören nicht nur Aspekte wie ethnische Herkunft, Geschlecht oder Alter, sondern auch die sogenannte Deep Level Diversity: verschiedene Charaktereigenschaften, berufliche Hintergründe und Gewohnheiten Ihrer Teammitglieder.

Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Stakeholder, aber auch nur diese, bei Meetings präsent sind. Verwenden Sie außerdem geeignete Diskussions- und Kreativitätsverfahren, damit auch ruhigere Teammitglieder zu Wort kommen können.

Wichtig: Überlegen Sie genau, welches Medium das richtige ist, um Ihr Anliegen zu kommunizieren und Missverständnisse zu vermeiden.

 

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