15 Monate Corona-Pandemie, 15 Monate Homeoffice – die Arbeit von zu Hause ist zum Alltag geworden. So sehr, dass sich einige schon die Rückkehr ins Büro wünschen. Doch wie hat sich die Präsenzkultur in Unternehmen und in der Führungsebene verändert und wird Homeoffice inzwischen mehr akzeptiert als noch vor einem Jahr?
Diese Frage beantwortet die Studie social health@work der BARMER und der Universität St. Gallen. Nach einem Vergleich der Befragungen im Sommer 2020 und Frühjahr 2021 zeigt die Studie: Der Weg für eine neue Art des Arbeitens im 21. Jahrhundert könnte nun geebnet sein.
Präsenzkultur, also die Arbeit vor Ort im Büro, galt vor dem ersten Lockdown als deutsche Tugend. Mit dem Anstieg der Corona-Zahlen sahen sich jedoch viele Unternehmen gezwungen, Mitarbeitende in die Heimarbeit zu schicken.
Die Erkenntnis: Arbeit funktioniert auch von zu Hause aus. Die Studie social health@work kommt zu dem Ergebnis, dass die Präsenzkultur in fast allen Bundesländern rückläufig ist und mobile Arbeit immer mehr Akzeptanz in Unternehmen findet.
Ein gutes Beispiel ist das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen. Hier fiel die Zustimmung zur Aussage, dass direkte Führungskräfte mobil Beschäftigter viel Wert auf die Anwesenheit der Teammitglieder im Büro legen, von 57,5 Prozent auf 49 Prozent,
so Prof. Dr. Stephan Alexander Böhm, Professor für Diversity Management und Leadership an der Universität St. Gallen. Er gibt an, dass auch die Zustimmung dazu, dass in ihrem jeweiligen Unternehmen oder ihrer Organisation die Anwesenheit im Büro wichtig ist, gesunken sei: von anfänglichen 55,5 Prozent auf nun 47,8 Prozent,
Präsenzkultur hat weiterhin einen hohen Stellenwert
Die Tendenz zur Präsenzkultur in Unternehmen sinkt bundesweit. Die Zahlen zeigen jedoch auch: Noch nicht überall ist Arbeit außerhalb des Büros gern gesehen. Besonders deutlich wird das im Saarland: Im kleinsten deutschen Bundesland stieg die Präsenzkultur während der Pandemie von 59,7 auf nun 62,1 Prozent an.
Bei fehlender Akzeptanz von Homeoffice in Unternehmen sollten sowohl mobil Beschäftigte als auch deren Vorgesetzte auf ein offenes Erwartungsmanagement setzen,
sagt Simone Schwering, Bereichsleiterin Personal und Organisation bei der BARMER. „Richtige Kommunikation spielt, wie sooft in der Corona-Pandemie, auch hier die wichtigste Rolle.“
Tipps für den Umgang mit Homeoffice
- Ziele festlegen: Erwartungen lassen sich nur erfüllen, wenn Führungskräfte Ziele offen kommunizieren. Eine klar definierte zu erbringende Leistung schafft Sicherheit für mobil Beschäftigte und erleichtert es Vorgesetzten, Kontrolle abzugeben.
- Output statt Input: Um die Leistung eines mobil Beschäftigten zu messen, sollten Führungskräfte die Quantität und Qualität des Outputs bewerten. Da die Arbeit im Homeoffice meist sehr autark ist, sind die Ergebnisse der erbrachten Arbeit leichter zu fassen als der Input.
- Arbeitszeiten offen kommunizieren: Eine Ursache von Stress im Homeoffice ist das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen. Feste Kernarbeitszeiten können helfen, die Erwartungen der Führungskräfte zu erfüllen und Mitarbeitenden gleichzeitig diesen Stress zu nehmen. Wichtig: Vorgesetzte sollten als Vorbild fungieren und selbst offen kommunizieren, wann sie erreichbar sind und wann nicht. Auch E-Mails an die Beschäftigten zur späten Stunde wirken kontraproduktiv, denn sie suggerieren, ständig erreichbar sein zu müssen.
- Vertrauen statt Kontrolle: Für viele Führungskräfte kann die Arbeit im Homeoffice einen weitgehenden Kontrollverlust bedeuten. Dabei vergessen sie oft, dass sie auch im Büro nicht ständig ein Auge auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben können. Egal ob im Homeoffice oder in Präsenz, Vertrauen in sein Team zu haben, fördert die Arbeitsmoral. Auch hier helfen regelmäßige Termine, in denen Vorgesetzte mit Beschäftigten zusammenkommen, um den Status quo zu besprechen.
Herausforderung Homeoffice für Familien
Unabhängig von der steigenden Homeoffice-Akzeptanz, für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt die Rückkehr in das Büro eine Erleichterung dar. Das ist immer dann der Fall, wenn Berufliches und Privates zu Hause nicht klar voneinander getrennt werden.
Das sogenannte Grenzmanagement – die Fähigkeit, sich zeitlich, örtlich und kommunikativ von der Arbeit abzugrenzen – kann darüber entscheiden, ob mobile Arbeit erfolgreich und vor allem gesund ist.
Besonders Eltern leiden unter der fehlenden Trennung, verstärkt noch durch die monatelangen Kita- und Schulschließungen. So weist die Studie darauf hin, dass die Grenze zwischen Beruf und Freizeit im Laufe der Pandemie besonders bei Beschäftigten mit Kindern immer weiter verschwamm.
Die Zustimmung zur Aussage, dass mobile Beschäftigte versuchen, ihre Zeit so zu strukturieren, dass sie Familie und Arbeit zeitlich klar trennen können, nimmt zwar bei allen Gruppen über den Befragungszeitraum ab.
Bei mobil arbeitenden Beschäftigten mit Kindern im Haushalt ist diese negative Entwicklung mit –10,7 Prozent (ein Kind), –4,8 Prozent (zwei Kinder) und –5,4 Prozent (drei und mehr Kinder) jedoch stets stärker als bei Paaren ohne Kinder mit –2,9 Prozent.
Trotz sinkender Präsenzkultur wird das Büro also auch in Zukunft für viele Beschäftigte ein wichtiger Bestandteil produktiven und gesunden Arbeitens sein.