Assekurata: Lebensversicherungen vor neuer Ära

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Die Lebensversicherer sind mit ihren Beständen bis jetzt relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Wachstum und Storno haben sich als robust erwiesen und dürften von den zunehmenden Lockerungsschritten weiter profitieren.

Die Kapitalmärkte werden aller Voraussicht nach noch lange am Niedrigzins festhalten, was die Zinszusatzreserve und das Solvenzkapital der Lebensversicherer weiter beanspruchen wird. Deshalb erwarten die Analysten aus Köln spätestens ab dem kommenden Jahr den Beginn einer neuen Ära der Lebensversicherungen.

Nach Erkenntnissen der Rating-Agentur Assekurata haben die Lebensversicherer Ende 2020 etwa 83 Prozent ihrer Kapitalanlagen in festverzinslichen Anlagen investiert. Damit sind sie besonders von den seit Jahren vorherrschen den Niedrigzinsen betroffen.

„Zwar ist das Zinsniveau seit Jahresbeginn etwas gestiegen, eine nachhaltige Trendumkehr können wir darin aber noch nicht erkennen“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

„Diese Einschätzung teilt auch die Mehrheit der von uns kürzlich befragten Kapitalanleger, die die Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen zum Jahresende 2021 weiterhin nahe Null erwarten.“

Als eine Folge des Nullzinsumfeldes müssen die Lebensversicherer in den kommenden Jahren weitere Zinszusatzreserven (ZZR) zur bilanziellen Absicherung ihrer Altgarantien stellen. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Zinsniveaus haben die Assekurata-Analysten hierzu aktuell ermittelt, dass die ZZR branchenweit noch bis 2027 auf insgesamt knapp 130 Mrd. Euro ansteigen wird.

ZZR zu 70 Prozent ausfinanziert

„Ausgehend vom vorhandenen ZZRBestand von 87 Mrd. Euro, ist die ZZR derzeit marktweit zu rund 70 Prozent ausfinanziert“, rechnet Lars Heermann vor. Aus seiner Sicht seien die Unternehmen insoweit auf einem guten Weg, zumal das seit Jahresanfang gestiegene Zinsniveau die Finanzierungsbedingungen etwas erleichtere.

„Trotzdem sollten sich die Lebensversicherer weiterhin auf auskömmliche und eigenmittelschonende Geschäftsfelder konzentrieren“, rät der Assekurata-Bereichsleiter.

„Dies gilt nicht nur mit Blick auf ihre Erträge in der HGB-Bilanz, sondern auch auf die Kapitalanforderungen unter Solvency II, die im Zuge des europäischen Reformprozesses für viele deutsche Lebensversicherer künftig noch strenger ausfallen werden.“

Tiefzinsumfeld belastet Erträge

Das langanhaltende Tiefzinsumfeld schlägt sich bereits deutlich in der Ertragsstruktur der Lebensversicherer nieder. Als Beleg hierfür hat Assekurata ermittelt, wie stark die Prämieneinnahmen in zwei unterschiedlichen Fünfjahreszyklen jeweils zum Rohüberschuss beigetragen haben und aus welchen Ergebnisquellen dieser gespeist wird.

So betrug der gesamte Branchen-Rohüberschuss in den Jahren 2015 bis 2019 durchschnittlich 12,2 Prozent der gebuchten Bruttoprämien, während er in den fünf Jahren davor mit 15,7 Prozent noch deutlich höher gelegen hatte.

„Des Weiteren hat das Risiko- dem Kapitalanlageergebnis mittlerweile den Rang als wichtigste Ergebnisquelle deutlich abgelaufen, was auf die niedrigen Zinsen in der Neuanlage und insbesondere auf die hohen ZZRAnforderungen für die Hochzinsgarantien zurückzuführen ist“, erläutert Lars Heermann. „Zudem spielen Produkte, die besonders auf das Risikoergebnis einzahlen, wie beispielsweise Berufsunfähigkeitsversicherungen, eine immer größere Rolle im Neugeschäft.“

 

 

Neue Ausrichtung der Kapitalanlagen

Neben der Neuausrichtung ihrer Geschäftsfelder versuchen die Anbieter auch vermehrt, ihre Kapitalanlage stärker zu diversifizieren. So zählen laut der Assekurata-Umfrage Neuanlagen in Immobilien, Infrastruktur und Private Debt derzeit zu den beliebtesten Anlageklassen der Lebensversicherer. Auch Unternehmensanleihen gehören trotz gesunkener Emittentenratings und steigender Ausfallrisiken zu den favorisierten Investments.

„Die Suche nach neuen Anlagesegmenten unterstreicht die Bemühungen der Gesellschaften, trotz anhaltend niedriger Zinsen die Renditefähigkeit ihrer Deckungsstöcke aufrechtzuerhalten“, schlussfolgert Lars Heermann. Als wichtigste Erfolgsfaktoren beim Umbau der Kapitalanlage sieht er eine hohe Investmentkompetenz, eine starke Bilanz und nicht zuletzt ein glückliches Händchen bei der Titelauswahl.

 

 

Neue Ära mit neuen Produkten

Allen konjunkturellen Widrigkeiten zum Trotz sind das Wachstum und das Storno der Lebensversicherer bisher wenig von der COVID-19-Pandmie betroffen. „Der leichte Bestandsrückgang bei den laufenden Prämien von 0,8 Prozent konnte durch den Zuwachs bei den Einmalprämien weitgehend aufgefangen werden, so dass die Branche unter dem Strich eine rote Null verzeichnet hat“, erläutert Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will.

„Die Versicherer sind bestandseitig also überraschend gut durch die Krise gekommen.“

 

 

Im Neugeschäft haben sich 2020 besonders Fondspolicen gut entwickelt. Nach Einschätzung von Assekurata werden die Anbieter in diesem Segment die Wachstumsbemühungen weiter ausbauen, nicht zuletzt aufgrund der beschlossenen  zum 01.01.2022. Hierdurch werden sich Garantien in klassischen Lebensversicherungsprodukten noch schwerer kalkulieren lassen, so dass sich infolgedessen der Produktschwenk im Neugeschäft weiter intensiveren dürfte. „Bei einem künftigen Rechnungszins von 0,25 Prozent sind vollständige Kapitalgarantien auf die eingezahlten Beiträge kalkulatorisch kaum mehr möglich, so dass für die Lebensversicherungsprodukte spätestens ab kommendem Jahr eine neue Ära beginnt“, prognostiziert Assekurata-Geschäftsführer Will.

 

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