Onlineshops unterschätzen existenzielle Risiken

© lassedesignen – stock.adobe.com

Die Mehrheit der Onlineshop-Betreiber in Deutschland sieht ein geringes Risiko von Haftpflicht- und Cyber-Schäden für das eigene Geschäftsmodell – ein Trugschluss, wie der Vergleich mit den Zahlen aus der Hiscox Schadenstatistik zeigt. Denn vor allem Haftpflicht-Risiken machen in der Realität einen Großteil aller Schäden aus. Und auch die Zahl der Cyber-Schäden nimmt immer weiter zu.

Die aktuelle Hiscox E-Commerce-Umfrage unter Onlineshop-Betreibern zeigt zudem, dass entsprechende Cyber-Sicherheitsmaßnahmen in den Unternehmen mehrheitlich nicht implementiert wurden.

Realitätscheck gewerbliche Risiken: Wahrnehmung und Schadenzahlen klaffen auseinander

Zwischen Risikowahrnehmung der Onlineshops und den realen Schadenzahlen gibt es vor allem bei der Berufshaftpflicht eine deutliche Lücke: So bewerten 71 Prozent der Befragten ein übliches Schadensszenario wie Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzungen maximal als geringes Risiko. Bei Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern liegt dieser Wert sogar bei 78 Prozent.

Ein Blick in die Schadenstatistiken von Hiscox zeigt jedoch, dass knapp ein Viertel (24 Prozent) des gesamten Schadenaufwands bei Onlineshop-Versicherungen durch wettbewerbswidriges Verhalten und Urheberrechtsverletzungen entsteht.

Insgesamt sind 60 Prozent der Schadenfälle bei Onlineshops im Bereich der Berufshaftpflicht angesiedelt und machen rund 50 Prozent des Schadenvolumens aus. Besonders betroffen sind kleine Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 150.000 Euro.

Trotz der geringen Risikobewertung erwarten 55 Prozent der Befragten die Integration der Berufshaftpflicht im Rahmen einer Onlineshop-Versicherung.

Betriebshaftpflicht unterschätzt, aber wichtig

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bereich Betriebshaftpflicht, in den Gefahren von Produkthaftungs- oder Schadenersatzforderungen bei Personen- und Sachschäden fallen. Diese Risiken werden von 47 Prozent der Onlineshop-Betreiber als gering und nur von 22 Prozent als hoch eingestuft.

Schäden in diesem Bereich stellen aber laut Schadenstatistiken von Hiscox mit 20 Prozent der Schadenfälle und 27 Prozent des gesamten Schadenvolumens das zweitgrößte gewerbliche Risiko für Onlineshops dar.

Eine Absicherung über eine Betriebshaftpflicht als Teil der Onlineshop-Versicherung fordert hier knapp die Hälfte (49 Prozent) der Onlineshop-Betreiber.

Aufgrund der Abhängigkeiten von Fremdprodukten wünschen sich 42 Prozent der Verantwortlichen für Onlineshops im Rahmen einer Onlineshop-Versicherung die Haftung auch für zugekaufte Produkte innerhalb und außerhalb der EU.

Auch das Risiko in Verbindung mit Schäden am eigenen Equipment, wie etwa Laptop und Server, wird unterschätzt.

So sehen lediglich 17 Prozent eine Betriebsunterbrechung durch Beschädigung der Hardware als hohes Risiko an. Peter Pillath, Underwriting Manager Commercial Property bei Hiscox, kommentiert dazu:

Das Delta zwischen Risikowahrnehmung, tatsächlichen Schadenfällen und dem Wunsch nach Absicherung lässt darauf schließen, dass gewerbliche Risiken für einen Großteil der Onlineshops in Deutschland noch sehr abstrakt und vermeintlich weit weg sind.

Doch schon ein einzelner Schaden könne für die Onlineshop-Betreiber existenzbedrohende Ausmaße annehmen, sei es eine Abmahnung, ein Personenschaden durch ein verkauftes Produkt oder die Betriebsunterbrechung im Weihnachtsgeschäft.

Besonders kleinere Onlineshops falle die Risikoabschätzung schwer. Versicherer und Vermittler seien hier besonders gefragt, für Risiken und Konsequenzen von Deckungslücken zu sensibilisieren und bei der Abwehr unbegründeter Ansprüche zu unterstützen.

Cyber-Gefahren noch unterhalb des Risiko-Radars

Lediglich ein Drittel (32 Prozent) der Onlineshop-Betreiber nimmt Cyber-Risiken wie Betriebsunterbrechungen oder Missbrauch von Kundendaten durch Hackerangriffe als hohes Risiko für den eigenen Onlineshop wahr.

Besonders sicher wähnen sich kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern: Betriebsunterbrechungen durch Hackerangriffe sehen nur 19 Prozent als hohes Risiko, Missbrauch von Kundendaten 22 Prozent.

Eine Absicherung von Cyber-Schäden über eine Onlineshop-Police fordern jedoch etwa zwei Drittel (64 Prozent) aller Befragten.

Peter Pillath sieht das geringe Risikobewusstsein für Cyber-Gefahren bei Onlineshop-Betreibern mit Sorge. Zwar machen Cyber-Schäden in der Statistiken am Gesamtschaden bislang nur 13 Prozent aus, doch die Tendenz steige sichtbar und werde mit Blick auf die Digitalisierung des Handels weiter zunehmen.

95 Prozent der Schäden in diesem Bereich entstehen schon heute durch Hackerangriffe, die zum großen Teil sehr teuer werden können. Kommt es bei Onlineshops zu einem Cyber-Schaden, seien die Durchschnittskosten hier im Vergleich zu anderen gewerblichen Risiken am höchsten, so Pillath.

Fehlende Umsetzung notwendiger IT-Absicherung

Die unzureichende Auseinandersetzung mit Cyber-Gefahren für den eigenen Onlineshop zeigt sich auch in der fehlenden Implementierung maßgeblicher IT-Sicherheitsmaßnahmen: So verfügen 44 Prozent der Befragten über keine automatischen Sicherheits-Updates und 45 Prozent nutzen keine Firewall-Strukturen.

Ein abgestuftes Rechtekonzept für IT-Verantwortliche fehlt bei 56 Prozent der befragten Unternehmen. Auch die kontinuierliche Offline-Datensicherung oder Cloud-Back-Up-Lösungen sind bei 55 Prozent der Onlineshops nicht vorhanden.

Peter Pillath führt weiter aus, dass nach ihrer Erfahrung nach die Wahrscheinlichkeiten von IT- oder Cyber-Schäden und vor allem die Kosten im Schadenfall allein durch die Implementierung von Standard-Tools wie einer Firewall oder regelmäßiger Datensicherung enorm sinken.

Vor allem kleinere Shops würden sich leider erst zu spät mit einer solchen Absicherung beschäftigen. Die Notwendigkeit solcher IT-Sicherheitsmaßnahmen zeigte sich bereits im aktuellen Cyber Readiness Report, in dem 41 Prozent des befragten deutschen Einzelhandels angab, mindestens einmal von Hackern angegriffen worden zu sein.

Einfluss der Corona-Pandemie auf wahrgenommene Risiken

Eine weitere Erkenntnis der Befragung ist, dass Onlineshop-Betreiber ihr Geschäftsmodell durch die Corona-Pandemie grundsätzlich wenig beeinträchtigt sehen. Jedoch nahm jeder Dritte der Befragten einen Corona-bedingten Anstieg der Risiken wie beispielsweise durch Produkthaftungs- oder Schadenersatzforderungen wahr.

Die Gefahr eines Reputationsverlust durch negative Kundenbewertung schätzen knapp über ein Viertel aller Befragten (27 Prozent) als höher ein. Vor allem bei der Gefahr von Lieferproblemen im Zuge der Pandemie geben Firmen ein gestiegenes Risiko (46 Prozent) an.

Die repräsentative Umfrage zur Wahrnehmung gewerblicher Risiken hat das Marktforschungsunternehmen techconsult der Heise-Gruppe im Juni 2021 im Auftrag des Spezialversicherers Hiscox durchgeführt.

 

Bilder: (1) © lassedesignen – stock.adobe.com (2) © Hiscox