FinVermV neu und die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten

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Erhebliche Änderungen ergeben sich im Bereich der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Rechtsanwalt Boris-Jonas Glameyer von der Kanzlei Michaelis widmet sich im letzten Teil seiner Beitragsserie FinVermV neu den Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten.

Es gelten jetzt sehr weitreichende Aufzeichnungspflichten die unseres Erachtens teilweise im Widerspruch zur DSGVO stehen.

Aufzeichnungspflichten – § 18 a FinVermV (neu)

Nach § 18 a Abs. I FinVermV (neu) sind Telefongespräche und sonstige elektronische Kommunikation (Video, Skype, Chat, SMS, Mails usw.) zum Zwecke der Beweissicherung aufzuzeichnen, sobald sie sich auf die Vermittlung oder Beratung von Finanzanlagen beziehen.

Nachdem über das sogenannte Taping, also die Aufzeichnung von Telefongesprächen, bereits viel geschrieben worden ist, möchten wir an dieser Stelle noch einmal auf die Aufzeichnungspflicht der sonstigen elektronischen Kommunikation, d. h. auch aller SMS und Mails etc. hinweisen. Denn der Vermittler oder Berater hat hier sicherzustellen, dass sämtliche elektronische Kommunikation, das heißt auch alle SMS und Mails veränderungssicher zur Beweissicherung aufgezeichnet und aufgehoben werden.

Es reicht also nicht mehr, zum Beispiel eingehende Mails irgendwo im Programm oder der Dateistruktur abzuspeichern und aufzubewahren, sondern es ist sicherzustellen, dass die Abspeicherung und Aufbewahrung veränderungssicher erfolgt, § 18a Abs. V FinVermV (neu).

Boris-Jonas Glameyer, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Wird elektronische Kommunikation nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, veränderungssicher aufgezeichnet und aufbewahrt, so dürfte später in einem Rechtsstreit im Beweisfall den Vermittler oder Berater die Beweislast dafür treffen, dass die elektronische Kommunikation nicht nachträglich verändert worden ist.

Es kann hier also nur dringend empfohlen werden, eine Softwarelösung einzusetzen, die die veränderungssichere Aufzeichnung der gesamten elektronischen Kommunikation gewährleistet. Der Vermittler bzw. Berater hat nach § 18a Abs. II FinVermV (neu) die dafür erforderlichen technischen Vorkehrungen zu treffen.

Neu ist auch, dass nach § 18a Abs. VI FinVermV (neu) der Anleger bis zum Ablauf der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist des § 23 FinVermV (neu) einen jederzeitigen nicht zu begründenden Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien aller Aufzeichnungen gegen den Vermittler oder Berater hat.

Sollte der Vermittler oder Berater diesem Anspruch nicht nachkommen oder nicht mehr nachkommen können – weil möglicherweise die Aufzeichnungen nicht auffindbar sind – so dürfte dies zu einer Beweislastumkehr zulasten des Vermittlers beziehungsweise Beraters im Zivilprozess führen.

Nicht zu übersehen ist auch, dass der Kunde vor Aufzeichnung zu informieren ist und sein Einverständnis einzuholen ist, § 18a Abs. III FinVermV (neu). Dies gilt nicht nur für das Taping sondern auch für jegliche andere elektronische Kommunikation, also auch für die Kommunikation per SMS, Mail usw…

Verweigert der Kunde sein diesbezügliches Einverständnis, darf die Beratung auf diesem Weg nicht mehr stattfinden, sondern nur noch analog, das heißt mündlich, per Briefpost usw..

Problematisch halten wir die umfangreichen Aufzeichnungspflichten im Hinblick auf die Vorschriften der DSGVO, da Gespräche stets vollständig aufzuzeichnen sind und auch sonstige elektronische Kommunikation vollständig aufzuzeichnen und aufzuheben ist und keine Teile herausgeschnitten werden dürfen die Dritte Personen oder andere Sachverhalte betreffen.

Problematisch kann die umfangreiche Aufzeichnungs- und Herausgabepflicht sich auch im Hinblick auf die spätere Auswertung der Aufzeichnungen darstellen.

Gerade bei Telefongesprächen ist damit zu rechnen, dass später das gesamte Gespräch im Detail ausgewertet wird und das Gericht sich dann anschaut, wie viel Minuten des Gespräches der Berater den Kunden möglicherweise über die mannigfaltigen Risiken der Anlage informiert und aufgeklärt hat und wie viel Minuten des Gespräches er das Produkt positiv beworben hat.

Hier sollten sich Vermittler und Berater für die zukünftige Vermittlung von Kapitalanlageprodukten eingehende Gedanken darüber machen, wie sie den Vermittlungs- und Beratungsprozess zukünftig haftungssicher gestalten wollen.

Aufbewahrungsfristen – § 23 FinVermV (neu)

Nach § 23 FinVermV (neu) sind alle Unterlagen und Aufzeichnungen 10 Jahre aufzubewahren, auch die Aufzeichnungen von Telefongesprächen und sonstige elektronische Kommunikation.

Nach § 18a Abs. VI S. 2 FinVermV (neu) sind die anzufertigenden Aufzeichnungen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren zu löschen oder zu vernichten und dies ist zu dokumentieren. Diese Regelung ist sehr problematisch in den gar nicht so seltenen Fällen, in denen der frühere Kunde erst kurz vor Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist sei-ne Ansprüche wegen angeblicher fehlerhafter Beratung oder Dokumentation gegen den Vermittler oder Berater gerichtlich geltend macht.

Für solche Fälle gibt es keine Ausnahmeregelung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes hat der Vermittler oder Berater auch in diesen Fällen sämtliche Aufzeichnungen nach Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist zu vernichten und dies zu dokumentieren. Damit wird ihm in solchen Prozessen im Laufe des Prozesses, 11 oder gar 13 Jahre nach erfolgter Aufzeichnung, jegliche Möglichkeit genommen, den Beweis der ordnungsgemäßen Anlagevermittlung bzw. Anlageberatung anhand der Aufzeichnungen zu führen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte mit diesem gesetzgeberischen „Widerspruch“ umgehen, denn es kann nicht sein, dass der Vermittler oder Berater im Zivilprozess vollumfänglich darzulegen und zu beweisen hat, dass er ordnungsgemäß beraten und dokumentiert hat, während ihm von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist, diese Beweise möglicher-weise bereits zuvor zu vernichten.

Trotz der vorstehend aufgezeigten Probleme der neuen Regelungen, hinsichtlich derer noch gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf besteht, bringen die neuen Regelungen der FinVermV an einigen Stellen auch mehr Klarheit und damit mehr Rechtssicherheit für den Vermittler beziehungsweise Berater und bieten damit die Grundlage einer möglichst haftungsfreien Anlagevermittlung.

 

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