In einer Welt von Ungewissheit gibt es eine Konstante: die niedrigen Zinsen in Deutschland. Seit Juni befinden sich selbst die Top-Angebote beim Festgeld im Abwärtstrend und knacken seit Mai nicht mehr die 1-Prozent-Marke. Gleichzeitig sinkt ebenfalls die Inflationsrate in Deutschland auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren mit -0,3 Prozent im November 2020.
Wenig verwunderlich, denn der Zugang zu Waren ist durch die Lockdown-Situation eingeschränkt. Aus diesem Grund war selbst für das Statistische Bundesamt die Ermittlung der Teuerungsrate nur verzerrt möglich. Der Zielwert der Europäischen Zentralbank von 2,00 Prozent bleibt außer Sichtweite.
Für Verbraucher ist abzusehen, dass es in einem bevorstehenden zweiten harten Lockdown noch weniger Möglichkeiten geben wird, Geld auszugeben. Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, beschreibt aufgrund ausbleibender Konsumausgaben einen Corona-Sondereffekt durch einen massiven Anstieg des Sparens.
Schließlich erklomm das Sparvolumen der Deutschen und auch die Sparrate in der Europäischen Union 2020 neue Rekordwerte. Für Unternehmen in Europa sind Strafzinsen auf Einlagen inzwischen die neue Realität geworden und erreichen ein Rekordhoch. Deutschland führt mit den höchsten Negativzinsen, sehr zur Belastung der Unternehmen, die trotz Krise noch über Rücklagen verfügen.
Maßgeblich dafür, ob Kunden Zinsen zahlen oder erhalten, sind der eigene Standort und die Wahl des Finanzinstituts. WeltSparen analysiert regelmäßig europaweit die Zinssätze und die neuesten Daten der Europäischen Zentralbank (EZB). Dafür werden die aktuellen Top-Zinsangebote mit den Zinssätzen der drei größten Banken jedes Landes verglichen.
Stagnation beim Festgeld: Top-3-Angebote in Deutschland geben nach
In den meisten der großen europäischen Volkswirtschaften liegen die Zinssätze der besten Festgeldangebote 0,5 bis 1 Prozent über den Angeboten der drei größten Banken im jeweiligen Markt. Im vergangenen Monat gab es in keinem der untersuchten Länder einen Anstieg der Zinsen für Privatanleger.
In Deutschland sanken die Top-Zinssätze für einjähriges Festgeld mit durchschnittlich 0,687 Prozent leicht. Dennoch übertreffen die Top-Angebote noch immer die Angebote der drei größten Banken um das 98-fache.
In Deutschland, Norwegen, Italien, dem Vereinigten Königreich und auf der Iberischen Halbinsel beträgt die Spanne zwischen den besten Angeboten und den Angeboten der größten Banken 0,5 bis 1 Prozent.
Mit einer Differenz von unter 0,5 Prozent sind die Unterschiede zwischen den drei größten Banken und den drei besten Angeboten in Belgien, Österreich, Frankreich und den Niederlanden geringer.
Die Top-Angebote in Italien, Schweden, Norwegen und Polen liegen weiterhin über der magischen Marke von einem Prozent. Die große Ausnahme ist das Vereinigte Königreich: Die Top-Angebote fielen hier unter die 1-Prozent-Marke.
Zwischen Stillstand und Sinkflug – attraktive Festgeldrenditen in Frankreich und Italien
Während die Märkte weiterhin täglich mit neuen Informationen zur Pandemie und den wirtschaftlichen Aussichten konfrontiert werden, bewegen sich die Unterschiede zwischen den besten Angeboten für einjährige und für dreijährige Festgelder in weiten Teilen Europas lediglich zwischen 0,2 bis 0,3 Prozent.
Die wenigen Ausreißer bieten Anlegern deutlich höhere Renditen. Vor allem in Frankreich und Italien können die Anleger, die ihr Geld nicht nur für ein, sondern für drei Jahre anlegen, höhere Zinsen erzielen.
In Italien, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Norwegen fielen die Zinsen sowohl für ein- als auch für dreijährige Anlagen.
Ein verkehrtes Bild herrscht weiterhin in Spanien, wo die Zinsen für einjährige Festgelder noch immer über den Zinsen für dreijährige Festgelder liegen.
Analyse der EZB-Daten: Niederlande und Italien führend bei Privatkundenzinsen
Laut den neuesten Daten der EZB stiegen die Zinsen für Privatkunden im Durchschnitt marginal von 0,17 Prozent im September auf 0,19 Prozent im Oktober. Treiber für den Anstieg sind vor allem Italien und Tschechien. In den Beneluxländern fielen die Zinsen, während sie in Deutschland und Spanien auf niedrigem Niveau stagnierten. Privatkunden in Dänemark mussten im Mittel erstmals Negativzinsen auf ihre Einlagen entrichten - ein Novum in Europa.
Die Niederlande (0,95 Prozent) und Italien (0,82 Prozent) stehen mit ihren Zinsen für Privatkunden im Euroraum weiterhin an erster Stelle.
In Frankreich und dem Vereinigten Königreich können die Anleger weiterhin von attraktiven Zinsen profitieren. Dagegen sieht es in Spanien (0,01 Prozent) und Deutschland (0,10 Prozent) weiterhin düster aus.
Außerhalb der Eurozone sticht Rumänien mit 1,51 Prozent Zinsen heraus, wohingegen Dänemark als einziges und erstes Land im Durchschnitt Strafzinsen auf Privatkundeneinlagen erhebt.
Ein interessantes Bild bietet sich in den baltischen Staaten. Während die Zinsen in Litauen bei 0,08 Prozent und in Lettland bei 0,33 Prozent liegen, erhalten Anleger in Estland noch immer mehr als ein halbes Prozent auf ihre Einlagen.
Strafzinsen für Unternehmen im Euroraum steigen auf Rekordhoch
Trotz einiger punktueller Zinserhöhungen sanken die durchschnittlichen Zinsen für Geschäftskunden im Euroraum weiter. Damit ist mit -0,22 Prozent ein neuer Tiefstwert für Einlagen von Geschäftskunden erreicht. Inzwischen müssen Unternehmen laut EZB in neun Ländern Strafzinsen zahlen.
Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union, steht mit -0,36 Prozent am Ende des Feldes. Hier erheben Banken die höchsten Strafzinsen. Neben Deutschland und Spanien (-0,33 Prozent) müssen Unternehmen auch in allen Beneluxländern weiterhin Strafzinsen zahlen. Trotz eines Rückgangs von 37 Prozent steht Italien mit 0,54 Prozent hinter seinem Nachbar Malta (0,71 Prozent) noch auf dem zweiten Platz in der Eurozone.
Kommentar zum aktuellen Sparverhalten
Katharina Lüth, VP Europe und Chairwoman bei Raisin UK, verantwortet die internationale Expansion von Raisin. Sie schildert die aktuelle Situation für Sparer in Europa und welche Möglichkeiten diese derzeit haben:
“Wir sehen einen starken Anstieg des Sparvolumens seit Ausbruch der Pandemie. Die Menschen sparen mittlerweile einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens. Das liegt an der gestiegenen Unsicherheit und zudem haben die Menschen einfach weniger Gelegenheiten, ihr Geld auszugeben.
Die extremen Schwankungen auf den Märkten im Frühjahr haben ihrerseits dazu geführt, dass vor allem risikoarme Anlageformen mit kurzfristiger Verfügbarkeit in den Fokus gerückt sind. Deshalb wird ein Großteil des Geldes auf Girokonten angelegt, wo es keine Zinsen erzielt oder sogar Strafzinsen fällig werden. Dabei ist es gerade bei großen Summen wichtig, dass die Sparer ihr Geld für sich arbeiten lassen. Schließlich lassen sich bei den aktuell niedrigen oder negativen Zinsen noch immer Renditen erzielen, mit denen man mindestens den Wertverlust durch die Inflation ausgleichen kann. Selbst diejenigen, die Wert auf schnelle Verfügbarkeit legen, können auf Tagesgeld, 3- und 6-monatige Festgeldprodukte zurückgreifen. Die Investition in ein Sparprodukt kann allerdings nicht nur Rendite sichern, sondern ist oft auch Teil eines klugen Sparplans. Geld anzulegen, hilft Sparern dabei, es nicht auszugeben und geplante Budget einzuhalten.”
Quellen:
Raisin / WeltSparen, EZB, DESTATIS, Bundesbank
Belgien: ING Belgium, KBC, Belfius Bank – spaargids.be
Deutschland: Deutsche Bank, Commerzbank, HypoVereinsbank – biallo.de
Frankreich: BNP Paribas, Credit Mutuel, Societe Generale – francetransactions.com
Irland: Bank of Ireland, Allied Irish Banks, Ulster Bank – ccpc.ie
Italien: UniCredit, Banca Monte dei Paschi di Siena, Mediobanca – confrontaconti.it
Norwegen: DNB, Danske, Nordea – finansportalen.no
Österreich: Erste Bank, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Bawag – biallo.at
Polen: PKO Bank Polski, Bank Pekao, mBank – oprocentowanie.pl
Portugal: Novo Banco, BPI, BCP – comparaja.pt
Schweden: Nordea, SEB, Svenska Handelsbanken – finansportalen.se
Spanien: Santander, BBVA, Caixabank – tucapital.es
Vereinigtes Königreich: HSBC, Barclays, RBS – which.co.uk
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