Der Anteil der Versicherer, die in der Corona-Krise auch Chancen sehen, beträgt inzwischen 90 Prozent. Damit stellt sich rund ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie zumindest für die deutsche Versicherungswirtschaft die Situation deutlich positiver dar als noch zu Beginn.
Im Frühjahr hatte dieser Anteil lediglich bei 62 Prozent gelegen. Das zeigt eine Umfrage der von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der V.E.R.S. Leipzig GmbH.
Erwartungen an das Neugeschäft
14 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Branche insgesamt leicht wachsen wird. Ein stark wachsendes Neugeschäft hatte in der vorangegangenen Befragung lediglich ein befragtes Unternehmen erwartet. Bei zwölf der 30 befragten Versicherer entwickelte sich das Neugeschäft seit Ausbruch der Pandemie bereits positiv.
Angesichts der Erfahrungen aus der Corona-Krise mit vielen abgesagten Veranstaltungen und geschlossenen Geschäften, Gastronomien und Unternehmen erwarten knapp zwei Drittel der Versicherer bei Betriebsschließungsversicherungen (63 Prozent) und Veranstaltungsausfallversicherungen (61 Prozent) ein wachsendes Neugeschäft für 2020/21.
59 Prozent sehen mehr Abschlüsse bei Krankenzusatzversicherungen. Unter dem Strich rechnen die Versicherer auch bei der Reiserücktrittsversicherung, der Rechtsschutzversicherung, der Risikolebensversicherung sowie der Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem Plus für die Branche.
Kunden und Mitarbeiter können durchatmen
Zwar geht wie auch im Frühjahr ein Fünftel der Unternehmen davon aus, dass es in den kommenden zwei Jahren eher zu einem Personalabbau kommt. Allerdings schließen auch 35 Prozent einen Personalabbau komplett aus. Im Frühjahr war das bei keinem einzigen Unternehmen der Fall.
Noch unwahrscheinlicher werden Prämienerhöhungen wegen der Krise: Damit rechnen nur zwölf Prozent der Befragten, im Frühjahr waren es noch 21 Prozent.
Thomas Korte, Lead Partner und Leiter des Versicherungsbereiches bei EY in Deutschland, dazu:
„Nach anfänglicher Unsicherheit hat sich die Versicherungsbranche mittlerweile gut auf die Veränderungen durch die Corona-Pandemie einstellen können. Nicht nur das: Wie jede Krise bietet auch diese Krise eine Chance. Die nötigen Umstellungen zur Digitalisierung und die Transformation ihrer Geschäftsmodelle können und müssen die Versicherungsunternehmen jetzt konsequenter angehen. In Zukunft werden sich die Unternehmen mit den besten digitalen Lösungen entlang der Wertschöpfungskette durchsetzen.“
Aufbesserung des Images durch Digitalisierungsschub
93 Prozent der Versicherer sehen durch den Digitalisierungsschub Chancen in der Flexibilisierung der Arbeitsmodelle und 60 Prozent erwarten einen moderneren Vertrieb.
Prof. Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften e.V. an der Universität Leipzig, dazu:
„Die schnellere und bessere Betreuung durch digitale Direktvertriebsmodelle kann auch dem Image der Versicherer helfen.“
Aber 20 der 30 Unternehmen fürchten, dass sich die Corona-Krise negativ auf das Image der Versicherer auswirken könnte.
Prof. Dr. Fred Wagner sagt:
„Gerade jetzt in der Krise haben die Versicherer die Chance, sich als Partner an der Seite der Kunden und der Gesellschaft zu positionieren – was langfristig positiv auf das Image einzahlen wird. Störend für das Image sind allerdings die Auseinandersetzungen um die Betriebsschließungsversicherungen.“
54 Prozent der Befragten haben bisher Kulanzzahlungen für Schäden geleistet. Ebenso viele haben zum Beispiel an medizinische Einrichtungen und Hilfsfonds gespendet und 42 Prozent haben lokale Einrichtungen unterstützt. Langfristig sehen 93 Prozent der Befragten insbesondere durch optimierte, digitale Kundenschnittstellen positive Auswirkungen auf das Image, 74 Prozent durch die Kulanzzahlung von Schäden.
Weiterhin hoher Druck
Dennoch sehen 97 Prozent der befragten Versicherer nach wie vor Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Neugeschäft (87 Prozent) und Kapitalanlagemanagement (83 Prozent).
Allerdings ist der Anteil im Vergleich zur Befragung im Frühjahr deutlich zurückgegangen. Zugenommen haben dagegen die Sorgen in den Bereichen Informationstechnik (83 Prozent) und Betriebsorganisation (77 Prozent).
Nach Ansicht der Befragten werden auch die Schadenquoten bei zahlreichen Versicherungsprodukten steigen, insbesondere bei Betriebsschließungsversicherungen, Veranstaltungsausfallversicherungen und Reiserücktrittsversicherungen. Darüber hinaus entwickelt sich die Rendite der Kapitalanlagen bei etwa der Hälfte der Unternehmen negativ.
Thomas Korte erwartet:
„Langfristig wird es zu einer Zunahme der Transaktionen und Zusammenschlüsse im Versicherungsmarkt kommen. Denn die Corona-Krise zwingt die Unternehmen, ihr gesamtes Portfolio zu überprüfen und neue Geschäftsmodelle einzuführen. Daraus können Herausforderungen entstehen, denen der ein oder andere Versicherer alleine gegebenenfalls nicht gewachsen ist. Für strategische Investoren könnten sich dadurch attraktive Akquisitions- oder Fusionsmöglichkeiten ergeben.“
Themen:
LESEN SIE AUCH
map-report: Bilanzrating deutscher Lebensversicherer 2020
Positives Geschäftsjahr für die Lebens- und Krankenversicherer
Die aktuellen Branchenmonitore zeigen auf: Neben den bestehenden Herausforderungen, wie Niedrigzins, demografischer Wandel und Regulatorik, wirkte sich im Jahr 2021 auch die anhaltende Corona-Pandemie auf die Bilanzen der privaten Lebens- und Krankenversicherer aus.
Corona: Versicherungsmitarbeiter erwarten Digitalisierungsschub
VHV Gruppe wächst weiter – über vier Milliarden Euro Beitragseinnahmen im Jahr 2024
Die VHV Gruppe hat im Geschäftsjahr 2024 ein starkes Wachstum erzielt. Erstmals überschritt der Konzern die Marke von vier Milliarden Euro Bruttobeitragseinnahmen und erreichte ein Plus von 5,3 Prozent auf insgesamt 4,2 Milliarden Euro. Auch das operative Ergebnis legte deutlich zu – um 17,3 Prozent auf 253,9 Millionen Euro.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.