Der Beitragssatz in den gesetzlichen Sozialversicherungen wird in den nächsten 20 Jahren von derzeit knapp 40 Prozent auf rund 50 Prozent steigen. Dies geht aus Berechnungen der BDA-Kommission „Zukunft der Sozialversicherungen“ unter der Leitung von Professor Dr. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum hervor.
CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf eine Obergrenze für die Sozialabgabenquote von 40 Prozent verständigt. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sogar die Aufnahme der 40-Prozent-Grenze ins Grundgesetz vorgeschlagen, als zum Jahreswechsel 2019 der Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung von 2,55 auf 3,05 Prozentpunkte erhöht wurde und damit nur noch knapp unter der Obergrenze lag.
Nun zeigen die Ergebnisse der Wissenschaftler deutlich, dass dieses Ziel ohne Reformen nicht zu halten ist – mit schwerwiegenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Negative Auswirkungen steigender Beitragssätze
Dabei ist die Obergrenze von 40 Prozent keine beliebige Grenze. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag diesen Wert in der Vergangenheit bereits einige Male verletzt hat: In den Jahren 1997/98 sowie 2003 und 2005, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt waren, lagen die Spitzenwerte bei über 42 Prozent. Das verdeutlicht den Teufelskreis aus hoher Beitragsbelastung und ungünstiger Wirtschaftsentwicklung.
In ihrem Bericht warnt die BDA-Kommission deshalb vor den negativen Auswirkungen steigender Beitragssätze auf die wirtschaftliche Entwicklung und den damit verbunden Beschäftigungsrisiken.
Schon heute zählt Deutschland im internationalen Vergleich der lohnbezogenen Abgaben zur Spitzengruppe. Die Gesamtbelastung der Löhne von Durchschnittsverdienern mit Sozialbeiträgen und Lohnsteuern beträgt 49,4 Prozent, die Sozialabgabenquote alleine liegt bei rund 39,8 Prozent. Nur in Belgien zahlen die Bürger mehr.
Zudem bestehe die Gefahr einer fortschreitenden Entsolidarisierung und eines Legitimationsverlusts der Sozialversicherung. Die steigende finanzielle Belastung für jüngere und zukünftige Versicherte widerspreche der Idee eines gerechten Interessenausgleichs im Rahmen des „Generationenvertrags“, der dem umlagefinanzierten Sozialversicherungssystem konzeptionell zugrunde liegt.
„Neuer Generationenvertrag“ notwendig
Maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Beitragssätze der umlagefinanzierten Sozialversicherungen hat die demografische Alterung der Gesellschaft. Der bevorstehende Renteneintritt der „Babyboomer“ aus den geburtenstarken 1950er und 1960er Jahren erhöht den Druck auf die Beitragszahler.
Dies ist vor allem in der gesetzlichen Pflegeversicherung der Fall, denn eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung (WIP) hat ergeben, dass in der Sozialen Pflegeversicherung alleine durch die demografischen Verschiebungen ein Anstieg des Beitragssatzes von derzeit 3,05 Prozent auf 4,1 Prozent im Jahr 2040 zu erwarten ist. Die Obergrenze von 40 Prozent wäre allein damit also bereits gerissen.
Um die Pflege finanziell dauerhaft zu sichern, setzt sich der PKV-Verband für eine generationengerechte Finanzreform ein: Ein neuer Generationenvertrag soll die Belastung der Älteren gezielt abfedern und zugleich die Jüngeren beim Aufbau einer privaten Eigenvorsorge unterstützen. So könnte der Beitragssatz zur Pflegeversicherung langfristig auf dem heutigen Niveau nahe 3 Prozent stabilisiert werden.
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