Finanzverwaltung erkennt Rückstellung für Nachbetreuung nicht an

Finanzverwaltung erkennt Rückstellung für Nachbetreuung nicht an
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Wenn Vertreter Rückstellungen für Nachbetreuungspflichten von Lebensversicherungen bilanzieren, sträubt sich die Finanzverwaltung regelmäßig gewaltig. Ohne verbindlich verabredete Nachbetreuungspflicht des Vertreters muss sie diese nicht anerkennen. Dies gilt selbst, wenn gelebte Vertragspraxis und Nachträge zum Vertretervertrag den Nachbetreuungsaufwand bestätigen, wie ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt.

Was war passiert?

Ein Vertreter hatte Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstands passiviert. Das Finanzamt lehnte die Bilanzposition und die damit einhergehende Gewinnminderung ab. Der Vertreter verlor die Klage vor dem Finanzgericht Münster (FG). Mit seiner Revision begehrte er, dass die Rückstellung gewinnmindernd berücksichtigt wird. Der Vertreter meinte, das FG habe den Vertretervertrag fehlerhaft ausgelegt. Spätestens mit Vertragsnachtrag und der Bescheinigung des Versicherers sei klargestellt worden, dass die im Lebensversicherungsgeschäft unstreitig praktizierte Nachbetreuungsverpflichtung auch bestehe.

Das sagt der Bundesfinanzhof dazu

Der vierte Senat des BFH hat die Revision im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen. Wegen Erfüllungsrückstands sei eine Rückstellung in der Bilanz zu bilden, wenn ein Vertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält. Ein Erfüllungsrückstand setze voraus, dass der Vertreter gesetzlich oder vertraglich zur Betreuung der Versicherungen verpflichtet ist. Ohne Rechtspflicht erbrachte Leistungen seien irrelevant.

Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzleiinhaber Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Die nachlaufende Betreuung sei nicht gesetzlich verpflichtend geregelt. Die Vertragsauslegung obliege der Tatsacheninstanz, also dem Finanzgericht. Entspreche die Vertragsauslegung den Auslegungsregeln, verstoße sie auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und erscheine sie überdies vertretbar, so binde sie das Revisionsgericht.

Die Würdigung des Finanzgerichts, der Vertretervertrag enthalte keine eindeutige Vereinbarung zur Nachbetreuung von Bestandsverträgen, sei nicht zu beanstanden. Denn eine verbindliche Nachbetreuungspflicht könne nicht schon aus einer Vertragsklausel abgeleitet werden, nach der der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Kunden zu pflegen hat, um Verträge zu erhalten.

Dabei bleibe offen, um welche Art von Nachbetreuungsverpflichtungen es sich handele. Eine nur im Rahmen der Möglichkeiten des Vertreters bestehende Erhaltungspflicht sei unverbindlich und zivilrechtlich nicht durchsetzbar. Ebenso wenig sei eine Auslegung zu beanstanden, dass die Klausel im Gesamtkontext eher darauf hindeute, dass die laufende Kontaktaufnahme mit den Kunden dem Abschluss weiterer Verträge diene, wenn im Vertretervertrag hervorgehoben wird, der Vertreter berate aus eigener Initiative oder auf Wunsch des Kunden, damit der Kunde umfassend versichert werde.

Regele der Vertretervertrag, dass der Vertreter verpflichtet ist, sich mit ganzer Kraft um regelmäßige Zugänge neuer sowie  die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen, erscheine der Schluss vertretbar, dass sich daraus nicht hinreichend konkret bestimmen lasse, welche genauen Pflichten zur Nachbetreuung bestehen. Auch insoweit sei die Annahme vertretbar, etwaige Nachbetreuungspflichten seien zivilrechtlich nicht  durchsetzbar und Verstöße hiergegen hätten keine vertraglichen Konsequenzen für den Vertreter.

Nicht zu beanstanden sei auch der Schluss des Finanzgerichts, dass es naheliege, dass der Vertreter seine tatsächlich wahrgenommenen Nachbetreuungsaufgaben wegen der unbestimmten Formulierung der Vertretungsverträge lediglich als bilanzsteuerrechtlich irrelevante Erwerbsobliegenheiten verstanden habe. Denn die Verpflichtung zur laufenden Kontaktaufnahme zum Abschluss weiterer Verträge sei nicht deckungsgleich mit einer rechtlichen Nachbetreuungsverpflichtung.

Auch hindere eine Bescheinigung des Unternehmers, dass die Bemühungspflicht einer Betreuungspflicht gleichzusetzen sei, den Tatrichter nicht, dies so auszulegen, dass sich die Aussage in einer bloßen Rechtsbehauptung erschöpfe und sie jedenfalls nicht den Nachweis einer eindeutig und konkret vertraglich vereinbarten Nachbetreuungspflicht erbringe.

Zudem könne die Wertung des FG Münster nicht beanstandet werden, dass ein Vertragsnachtrag zur Betreuungsverpflichtung erstmals und nicht rückwirkend eine vertragliche Nachbetreuungsverpflichtung konkretisiere, selbst wenn sie den tatsächlich praktizierten Nachbetreuungsaufwand belegt. Dies gelte jedenfalls, wenn die vom Gericht mitgeteilte vorläufige Ansicht, der Vertretervertrag genüge bisher den Konkretisierungserfordernissen nicht, Anlass zu dem Nachtrag gegeben hat und aus dem Nachtrag nicht hervorgehe, dass die Nachbetreuungspflichten bereits von Anfang an als rechtlich durchsetzbare Verpflichtungen vereinbart waren. Die Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, zumal der Vertreter tatsächlich erhebliche Nachbetreuungsaufgaben entfaltet hat, ein Kaufmann nichts umsonst leistet und er im Lebensversicherungsgeschäft auch weder durch die Erwartung von Folgeverträgen zur Nachbetreuung von Lebensversicherungen veranlasst wird noch durch Chancen auf ein Cross-Selling.

Vor allem gilt in rechtlicher Hinsicht: Deckt sich eine tatsächliche Durchführung des Vertretervertrags nicht mit dem Vertragstext, kann dem Verhalten in doppelter Weise Bedeutung zukommen. Zum einen kann die Durchführung als Auslegungsregel darauf schließen lassen, dass die Parteien bereits bei Begründung des Vertrages eine entsprechende Willensübereinkunft in diesem Punkt getroffen haben.

Zum anderen kann der vom Vertragstext abweichenden tatsächlichen Handhabung der Wille zu entnehmen sein, den geschlossenen Vertrag stillschweigend im Vereinbarungswege abzuändern. Aus der praktischen Handhabung sind daher Rückschlüsse darauf zu ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien bei Vertragsabschluss oder jedenfalls zu Beginn der abweichenden Praxis ausgegangen sind.

Mit diesen Grundsätzen ist die vom Bundesfinanzhof gebilligte Annahme unvereinbar, die Nachtragsvereinbarung bestätige nicht die zuvor praktizierte Pflicht zur Nachbetreuung, sondern habe eine solche erst mit der Nachtragsvereinbarung begründen sollen. Kommt es daher auf die zivilrechtliche Verbindlichkeit an, hat der Bundesfinanzhof diese ebenso rechtsfehlerhaft verneint wie das Finanzgericht.

Rechtsanwalt Jürgen Evers, Fon: 0421 696 77 0, Mail: [email protected]

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