Hinterfragt: Die Teilzeitklausel der Condor LV AG und das fast perfekte Marketing

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In diesem Artikel soll unter anderem untersucht werden, ob die bisher überwiegend euphorische Begeisterung der medialen „BU-Expertenwelt“ für die Teilzeitklausel der aktuellen Condor SBU fachlich gerechtfertigt ist. Außerdem möchte der Autor eine Diskussion anstoßen, wie weit Marketing gehen darf/soll und ob es problematisch werden kann, wenn eine öffentliche Universität mit einer „rechtswissenschaftlich Eignungsempfehlung“ einem Versicherer die Möglichkeit für Marketing mit gewissen „Halbwahrheiten“ liefert. 

Nachdem die Condor LV AG (im folgenden „Condor“ genannt) durch die zeitliche Leistungsbegrenzung ihrer AU- Klausel auf 36 Monate ihr bisheriges Alleinstellungsmerkmal im heiß umkämpften BU-Markt aufgegeben hatte, sollte diese Lücke im Juli 2019 wohl durch die erste zeitlich nicht befristete Teilzeitklausel oder wie es von Condor beworben wird „Teilzeitklausel mit Langzeitwirkung“ am Markt ersetzt werden.

Martin Seichter
Seminar- & Analyseservice
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Die Erweiterung des Condor BU-Versicherungsschutz um die Teilzeitklausel ist grundsätzlich als positiver Ansatz zu begrüßen. Eine handwerklich gut gemachte Teilzeitklausel kann einen wichtigen Vorteil für betroffene versicherte Personen darstellen. Allerdings ist zu hinterfragen, ob die Klausel der Condor hält, was in der medialen (Marketing)Darstellung dazu bisher beworben wurde.

In jedem Fall hat die Marketingabteilung der Condor mit der „Berücksichtigung“ der „rechtswissenschaftlichen Eignungs-Empfehlung“ von Herrn Professor Dr. Schwintowski im Namen der Humboldt Universität Berlin vom 05.04.2019 und der überwiegend kritiklosen Zustimmung fast aller BU-Medienexperten ganze Arbeit geleistet und erhebliche Aufmerksamkeit im Markt erzeugt.

  1. Der Condor mit der Teilzeitklausel tatsächlich gelungen, die folgenden von ihr in einem FONDS professionell-Interview vom 23.07.2019 beworben (und hier sinngemäß wiedergegebenen) Ansprüche zu erfüllen?
    a) Die Teilzeitklausel ist die erste wirkliche BU-Innovation seit Einführung der AU-Klausel im Jahr 1999.
    b) Durch die Teilzeitklausel bekommen auch Teilzeitbeschäftigte im BU-Fall faire Leistungen.
    c) Die Teilzeitklausel weitet den Versicherungsschutz im Kern aus und beseitigt die „größte Krankheit der BU“, die „Teilzeitfalle“. Das Problem hat Condor als bislang einziger Versicherer in Deutschland gelöst.
  2. Den unabhängigen Experten gelungen, die bei Anwendung der Teilzeitklausel der Condor zu erwartenden positiven und negativen Auswirkungen auf den Versicherungsanspruch für den Markt objektiv aufzubereiten?

Wichtige Hinweise zu den Inhalten des Artikels: Bitte beachten Sie, dass im weiteren Verlauf des Artikels vereinfachte Darstellungen und Berechnungsbeispiele verwendet wurden, um die Verständlichkeit der Aussagen, auch zu komplexen Sachverhalten, zu verbessern. So wurden zum Beispiel folgende Sachverhalte aus den Betrachtungen ausgeklammert: Berufsunfähigkeit (BU) aufgrund von Kerntätigkeitsverlust, Einfluss der individuellen und allgemeinen Ausschlüsse und Umorganisation bei Selbstständigen. Darüber hinaus wird, zugunsten der Begrenzung des Artikelumfangs, bewusst darauf verzichtet, hier alle möglichen Auswirkungen weiterer Bedingungsregelungen auf die Notwendigkeit und die Ausgestaltung von Teilzeitklauseln zu betrachten.

I. Die inhaltliche Grundlage

Wenn aus einer Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung ein Leistungsanspruch (i.d.R. 100 Prozent der vereinbarten Leistung ab 50 Prozent BU) bestehen soll, muss der Anspruchsteller nachweisen, dass die versicherte Person aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft (i.d.R. mindestens 6 Monate) ununterbrochen nicht mehr im Stande ist, ihren bisher (vor BU- Eintritt) ausgeübten Beruf noch zu mehr als 50 Prozent auszuüben. Maßstab ist dabei die Ausgestaltung der konkreten beruflichen Tätigkeit ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Wer also die Leistungsanforderungen seines Berufes dauerhaft nur noch zur Hälfte oder weniger erfüllen kann, ist berufsunfähig im bisher ausgeübten Beruf. Wenn der Versicherer das anerkennt und dann auch keine Möglichkeit zur (i.d.R. konkreten) Verweisung hat, steht der Leistungsauszahlung eigentlich nichts mehr im Wege. Das findet sich auch in der maßgeblichen gesetzlichen Grundlage (§ 172 Abs. 2 VVG*) wieder. Auch, wenn es im Gesetzestext nicht ausdrücklich genannt ist, gehört natürlich auch die von der versicherten Person individuell geleistete Arbeitszeit dazu.

Anmerkung
Sollte die Arbeitszeit nachweislich aus gesundheitlichen Gründen reduziert worden sein, ist der Zustand vor der leidensbedingten Arbeitszeitreduzierung (also die Arbeitszeit in gesunden Tagen) für die BU – Prüfung maßgeblich. Auch das ergibt sich aus § 172 (2) VVG*. Daher ist für leidensbedingte Arbeitszeitreduzierungen keine Teilzeitklausel erforderlich!

* (2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

II. Das Problem der „Teilzeitfalle“

Das Risiko, dass es zwischen Anspruchsteller und BU-Versicherer keine einheitliche Einschätzung gibt, wann ein BU-Grad von mindestens 50 Prozent im versicherten Beruf erreicht ist und wann das (vom Kunden) nachgewiesen wurde, ist hinreichend bekannt. Eine Messgröße für die Bestimmung des BU-Grades ist unter anderem das zeitliche Restleistungsvermögen der versicherten Person im zuletzt ausgeübten Beruf.

Ein Beispiel
a) Vollzeittätigkeit
Wurde die Berufstätigkeit vor Eintritt der BU, zum Beispiel in Vollzeit in einer klassischen 40-Stunden-Woche ausgeübt, wäre eine 50-Prozent BU rechnerisch gegeben, wenn das zeitliche Restleistungsvermögen im zuletzt ausgeübten Beruf dauerhaft nur noch 20 Stunden oder weniger pro Woche beträgt.

b) Teilzeittätigkeit mit identischem Tätigkeitsprofil
Wurde die Berufstätigkeit vor Eintritt der BU, zum Beispiel in Teilzeit in einer 20-Stunden-Woche ausgeübt, wäre eine 50-Prozent BU rechnerisch gegeben, wenn das zeitliche Restleistungsvermögen im zuletzt ausgeübten Beruf dauerhaft nur noch 10 Stunden oder weniger pro Woche beträgt.

Die Auswirkungen der maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das zeitliche Restleistungsvermögen der nur in Teilzeit tätigen versicherten Person müssen im oben genannten Beispiel rechnerisch doppelt so groß sein, damit auch sie die übliche Leistungsgrenze der BU (BU-Grad von 50 Prozent) erreicht. Oder anders ausgedrückt, das zeitliche Restleistungsvermögen der in Teilzeit tätigen versicherten Person darf rechnerisch nur noch die Hälfte der vollzeitbeschäftigten Person im gleichen Job betragen, um Anspruch auf eine BU-Leistung zu haben. In der Praxis bedeutet das, dass die BU-Leistungsgrenze von 50 Prozent bei nur in Teilzeit tätigen versicherten Personen selbst dann ggf. nicht erreicht ist, wenn die gesetzliche Rentenversicherung volle Erwerbsminderung nach § 43 Absatz 2² SGB VI allein aus gesundheitlichen Gründen (zeitliches Restleistungsvermögen < 3 Stunden) anerkannt hat.

Dem erhöhten Risiko, aufgrund einer vor BU-Eintritt reduzierten Arbeitszeit, keinen Leistungsanspruch zu haben, obwohl bei gleicher Beschäftigung in Vollzeit 50 Prozent Berufsunfähigkeit anzuerkennen wäre, steht die identische (nicht reduzierte) Prämie gegenüber.

Zwischenergebnis:
Diese Ungleichbehandlung und „gefühlte Ungerechtigkeit“ wird als „Teilzeitfalle“ bezeichnet. Obwohl sie vom maßgeblichen Gesetzestext (§ 172 VVG) gedeckt ist, ist der Nachteil einem Betroffenen wohl kaum sinnvoll zu erklären.

Das Problem der „Teilzeitfalle“ besteht uneingeschränkt in jedem BU-Versicherungsvertrag, der weder eine Teilzeitklausel beinhaltet noch die Tätigkeit einer Hausfrau / -mann als Beruf definiert (sogenannte „Hausfrauenklausel“). Zu beachten ist dabei, dass die „Hausfrauenklausel“ die „Teilzeitfalle“ grundsätzlich nur teilweise lösen kann, sofern die versicherte Person neben der Teilzeittätigkeit parallel auch noch als Hausfrau /-mann tätig ist. Beinhaltet der Versicherungsschutz eine oder beide dieser Klauseln, bestimmt deren Qualität, ob und in welchem Maße die „Teilzeitfalle“ beseitigt ist, sofern keine andere vertragliche Regelung das Risiko der „Teilzeitfall“ entschärft.

Soll die „Teilzeitfalle“, wie von Condor angeboten, durch eine Teilzeitklausel beseitigt werden, beeinflussen also, neben den Auswirkungen auf das in der BU-Prüfung maßgebliche zeitliche Restleistungsvermögen, noch folgende Punkte die inhaltliche Qualität und die mögliche Streitanfälligkeit der Regelungswirkung:

  1. die Auswirkung von Mischtätigkeiten auf die (Art der) Anwendbarkeit der Klausel, insbesondere die parallele Ausübung
    a) mehrerer Teilzeittätigkeiten und
    b) entgeltloser hauswirtschaftlicher Tätigkeiten neben einer Teilzeittätigkeit (Hausfrau /-mann)
  2.  der Einfluss eines Berufswechsels auf die Anwendbarkeit der Klausel
  3. die Auswirkungen der Klausel auf das Verweisungsrecht des Versicherers
  4. die Erfüllbarkeit der vom Kunden zusätzlich geforderten Nachweispflichten
  5. die Vermeidung der Entstehung neuer „gefühlter“ Ungerechtigkeiten durch die Klausel und
  6. die Transparenz der Gesamtregelung

III. Die Teilzeitklausel der Condor SBU (Tarif 9T07 Stand 01.07.2019)

… ist in § 2 Abs. 8 wie folgt geregelt:

„Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer ihre vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Nachweise über die jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird (zum Beispiel Kurzarbeit).“

1. Löst die Teilzeitklausel der Condor die unter II. aufgezeigten Probleme?

Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass auch die Condor das oben genannte Problem der „Teilzeitfalle“ aufgegriffen und versucht hat, eine Lösung im Markt einzuführen. Betrachtet man aber die konkrete Ausgestaltung der Klausel, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Teilzeitklausel der Condor viele, der unter II. beschriebenen und zu klärenden, Details nicht löst oder nicht regelt. Daher könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass die Teilzeitklausel der Condor weder für den Versicherer noch für die versicherte Person zu Ende gedacht wurde und neben einigen Antworten, viele Fragen liefert. Die Einzelheiten finden Sie hier in der verlinkten Tabelle.

Bitte beachten Sie dabei folgende wichtigen Hinweise zu den dargestellten Inhalten:

Da die Vorteile der Teilzeitklausel der Condor gegenüber dem Versicherungsschutz ohne Teilzeit-Klausel medial bereits sehr umfänglich dargestellt und besprochen wurden, versucht die folgende Darstellung mit der Beantwortung der aufgeführten Qualitätsanforderungen an Teilzeitklauseln, insbesondere auch auf die in der Eignungs-Empfehlung von Herrn Professor Dr. Schwintowski nicht behandelten Fragen einzugehen.
Zur Verdeutlichung der aus der Teilzeitklausel beworbenen Leistungen, wird auf die zusätzliche Darstellung der wahrscheinlich im Rahmen der Condor SBU in Kombination anwendbaren Regelungen aus Teilzeit- und Hausfrauenklausel verzichtet. Leider überlässt Condor die Entscheidung, ob und wie eine Kombination möglich ist, bisher dem Leser der AVB.

Die aufgeführten Berechnungen des zeitlichen Restleistungsvermögens und des sich daraus ergebenden Berufsunfähigkeitsgrades erfolgt nach der gleichen Methode, die auch durch Condor in ihrem Handout verwendet wurde. Bitte beachten Sie, dass diese Darstellung zur Veranschaulichung gewählt wurde und die tatsächliche Prüfungspraxis (Prüfung, ob die Leistungsgrenze von i.d.R. 50 Prozent) nur sehr stark verkürzt und schematisch wiedergibt.

Den Abgleich mit den Aussagen der Eignungs-Empfehlung finden Sie in der zweiten Tabelle unter Nr. III Nr. 2.

Zwischenfazit

Ob die Condor-Teilzeitklausel die „erste wirkliche BU-Innovation seit Einführung der AU-Klausel im Jahr 1999“ ist, wird der Markt sicherlich sehr unterschiedlich beurteilen. Neben den inhaltlichen Vorbehalten, erinnere ich mich auch noch an die Einführung anderer neuer BU-Regelungen durch Mitbewerber der Condor in der Zeit nach 1999, die sich für den Kunden als Leistungsvorteil auswirken (zum Beispiel die „garantierte Rentensteigerung im Leistungsfall“ oder in letzter Zeit die „Krebsklausel“, um nur zwei zu nennen). Letztlich sollte diese Einschätzung aber dem Kunden überlassen und von seinem Bedarf und seiner Risikoeinschätzung abhängig gemacht werden.

Ich kann nur hoffen, dass bei Condor versicherte Teilzeitbeschäftigte im BU-Leistungsfall auch dann noch faire Leistungen bekommen, wenn die Schadenquoten gegebenenfalls  unangenehm steigen. Bei Anwendung der Teilzeitklausel muss der Condor-Kunde in den aufgezeigten nicht geregelten Leistungsfallkonstellationen darauf hoffen, dass der Versicherer den Auslegungsspielraum, den er in seine Teilzeitklausel eingebaut hat, nicht für sich sondern zugunsten der Kunden nutzt.

Die Teilzeitklausel der Condor erfüllt die vom Versicherer beworbenen Auswirkungen nur eingeschränkt, weil:

  • der Versicherungsschutz im Kern nur in ausgewählten Fällen ausgeweitet wird
  • das Problem der „Teilzeitfalle“ durch die Klausel auch nur in ausgewählten Fällen beseitigt ist
  • in Einzelfällen die Klausel sogar den Versicherungsanspruchs verhindern kann
  • notwendige Regelungsinhalte fehlen, was zu Intransparenz führt
  • (ohne Hausfrauenklausel) im Einzelfall die Möglichkeit für neue gefühlte Ungerechtigkeiten in der BU-Prüfung geschaffen wird

2. Ist es den unabhängigen Experten gelungen, die bei Anwendung der Teilzeitklausel der Condor zu erwartenden positiven und negativen Auswirkungen auf den Versicherungsanspruch für den Markt objektiv aufzubereiten?

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, hat die Einführung der Teilzeitklausel durch die Condor in der medialen Öffentlichkeit (im Versicherungsbereich) einen ungewöhnlich breiten Raum eingenommen. Die mit Abstand größte Gruppe der mir bekannten Autoren zu diesem Thema hat dabei, aus welchen Gründen auch immer, die Positivargumentation des Anbieters ganz oder weitgehend übernommen. Die Argumente der wenigen mir bekannten öffentlichen Kritiker der Klausel waren wohl nicht fundiert genug, um durchzudringen. Einer der Gründe für die überwiegend kritiklose Zustimmung des Marktes könnte die rechtswissenschaftliche Eignungs-Empfehlung von Herrn Professor Dr. Schwintowski vom 05.04.2019 für die Teilzeitklausel der Condor gewesen sein, die nach meinem Eindruck, ein kritisches Hinterfragen unterbunden haben könnte. Ein Grund mehr, die Aussagen dieser Eignungs-Empfehlung mit den zuvor erarbeiteten Inhalten abzugleichen. Den Abgleich finden Sie hier in der verlinkten Tabelle.

Fazit:

Davon ausgehend, dass die von mir aufgeworfenen kritischen Fragen zur Teilzeitklausel im Vorfeld der Erstellung der Eignungsempfehlung auch von Herrn Professor Dr. Schwintowski bedacht und mit der Condor erörtert wurden, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass alle Einschränkungen der Teilzeitklausel der Condor und deren mögliche Nachteile auch in Teil III „Warnhinweise“ konsequent ausgeblendet wurden. Dieses Vorgehen kenne ich sonst nur aus der Fernsehwerbung. In der mir vorliegenden Eignungs-Empfehlung vom 05.04.2019 habe ich auch keinen Hinweis gefunden, dass es sich hierbei um Werbung (im Auftrag des Produktgebers) handelt. Leider geht aus der Ausarbeitung auch nicht hervor, wer Auftraggeber ist und was der Auftrag war. Insofern kann von mir nur gemutmaßt werden, ob ein möglichst großer Marketingerfolg der Condor oder die objektive Aufklärung der Vermittler und Verbraucher zu den von der Condor angebotenen Möglichkeiten, das Problem der „Teilzeitfalle“ einzuschränken, Ziel der Ausarbeitung von Herrn Professor Dr. Schwintowski sein sollte.

Wenn wir annehmen, dass es sich bei der Eignungs-Empfehlung um Werbung im Auftrag der Condor handelt und mein bisheriger Eindruck richtig ist, dass der Einsatz der Ausarbeitung in Endkundenberatungen nicht untersagt ist, wäre es für mich nicht überraschend, wenn Condor von fachkundiger Stelle die Überprüfung der Übereinstimmung des Einsatzes der Eignungs-Empfehlung mit ihren Verpflichtungen nach § 1a Abs. 3* VVG nahegelegt würde. Interessant wäre auch zu erfahren, ob sich Condor und der Autor der Eignungs-Empfehlung im Vorfeld der Produkteinführung zur Teilzeitklausel folgende Fragen gestellt haben:

  1. Besteht die Gefahr, dass die Eignungs-Empfehlung beim Leser einen zu positiven Eindruck von der Wirkung der Teilzeitklausel der Condor erzeugt?
  2. Wenn man diese Frage mit „Ja“ beantworten muss: Besteht dann sogar die Gefahr, dass Falschberatungen und Fehlentscheidungen durch den Einsatz der Eignungs-Empfehlung gefördert werden?

Gut, dass die Condor wenigstens zwei hilfreiche Informationen zur Nichteignung der Teilzeitklausel in ihr dazugehöriges Handout unter „Packungsbeilage“ geschrieben hat. Ob diese wenigen „Warnhinweise“ ausreichen, um das Vertrauen in die durchweg positiven Aussagen einer auf den ersten Blick unabhängig erscheinenden „rechtswissenschaftlichen Eignungs-Empfehlung“ zu erschüttern, darf, denke ich, bezweifelt werden. Die bisherigen fast ausnahmslos positiven medialen Veröffentlichungen zeigen das Problem meines Erachtens sehr deutlich.

Die Teilzeitklausel der Condor geht ein bisher im deutschen Markt ungelöstes Problem des BU-Versicherungsschutzes an, was zu begrüßen ist. In der vorgelegten Ausgestaltung ist die Teilzeitklausel der Condor aber nicht geeignet, die im Markt erzeugten hohen Erwartungen an eine „Lösung der Teilzeitfalle“ zu erfüllen.

Ich hätte mir gewünscht, dass die öffentliche mediale Beurteilung der Qualität der Condor-Teilzeitklausel und deren Eignung für den Einsatz durch Vermittler und für betroffene Kunden von allen „Berichterstattern“ (Empfehlungsgeber, Produktbewerter und Kommentatoren) mit etwas mehr Sachbezug und Mut zur Vollständigkeit erfolgt wäre.

Die Nichtnennung / Ausblendung von Produktnachteilen und somit die Inkaufnahme / Förderung, dass mit Halbwahrheiten geworben und ggf. bei Endkunden sogar verkauft wird, stellt die Glaubwürdigkeit des „Berichterstatters“ und des Produktgebers in Frage. Die Condor sollte sich außerdem fragen, ob diese Vorgehensweise mit ihren Verpflichtungen nach § 1a Absatz 3* VVG in Einklang zu bringen ist.

* „Alle Informationen im Zusammenhang mit der Vertriebstätigkeit einschließlich Werbemitteilungen, die der Versicherer an Versicherungsnehmer oder potenzielle Versicherungsnehmer richtet, müssen redlich und eindeutig sein und dürfen nicht irreführend sein. Werbemitteilungen müssen stets eindeutig als solche erkennbar sein.“

Vielleicht hilft dieser Artikel aber den tatsächlichen Nutzen zukünftiger Teilzeitklauseln zu erhöhen und deren Streitanfälligkeit zu reduzieren. Dass das Thema „Berufsunfähigkeitsschutz für in Teilzeit arbeitende Menschen“ nicht mit einer (Rating)Frage zu bewerten ist, versteht sich von alleine.

Für ergänzende Hinweise und eine sachliche Diskussion zum Thema steht der Autor gerne unter folgender E-Mail-Adresse zur Verfügung [email protected].

Nachdem der umfassende Beitrag die Teilzeitklausel des genannten Tarifs sehr dediziert hinterfragt, hat die Redaktion eine Einschätzung zum Sachverhalt bei der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte in Hamburg angefragt. Auch ein Statement von Herrn Prof. Dr. Schwintwoski zum Themenkomplex würde den Kontext sehr gut ergänzen.

 

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