10 Entscheidungen die jeder Versicherungsvertreter kennen sollte

10 Entscheidungen die jeder Versicherungsvertreter kennen sollte
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Auch wenn die gesetzliche Grundlage für den Versicherungsvertreter in den §§ 84 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt ist, so sind diese Regelungen gerade für den typischen Versicherungsvertreter nur schwer oder teilweise gar nicht anwendbar, sodass die Rechtsprechung die Rechte und Pflichten der Versicherungsvertreter im Einzelnen ausgestaltet hat. Es lohnt sich daher für jeden Versicherungsvertreter die eine oder andere Entscheidung der Gerichte zu kennen.

Die Urteile trennen sich hierbei um die wesentlichen Fragen jedes Versicherungsvertreters: Sind die nicht ins verdienen gebrachten Provisionen zurückzuzahlen? Wie sieht mein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges aus? Wie berechnet sich mein Ausgleichsanspruch?

Im Folgenden stellt Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht, FHR Rechtsanwälte, die wichtigsten Urteile kurz vor.

Provisionen

1. Stornobekämpfungsmaßnahmen – BGH, Urteil vom 25.05.2005, Az. VIII ZR 279/04

Im Falle der Stornierung eines seitens des Versicherungsvertreters vermittelten Versicherungsvertrages ist die Provision durch den Versicherungsvertreter nur dann zurückzuzahlen, wenn das Versicherungsunternehmen die ihm obliegende Nachbearbeitung Not kleiner Versicherungsverträge nach den Umständen des Einzelfalls nachweisen kann. Hierbei kann das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Stornogefahrmitteilungen sind somit nur eines von mehreren zur Stornoabwehr in Betracht kommenden Mitteln, unter denen das Versicherungsunternehmen die Wahl hat.

2. Rückforderung der Provision – LG Meiningen, Urteil vom 23.3.2016, Az. (378) 1 O 936/14

Das Versicherungsunternehmen hat nur dann einen Anspruch auf Rückzahlung der Provision, wenn es folgende Punkte schlüssig darlegen kann:

  1. Wann wurde welche konkrete Versicherung durch den Versicherungsagenten vermittelt?
  2. Wann wurde dem Versicherungsagenten in welcher Höhe und in welcher Provisionsabrechnung hierfür eine Provision gutgeschrieben und welcher Höhe wann ausbezahlt?
  3. Wie lange läuft die Provisionshaftungszeit und wann und wo wurde diese zwischen den Parteien vertraglich vereinbart?
  4. Wie hoch ist die einbehaltene Stornoreserve?
  5. Wann und warum ist eine Stornierung des Versicherungsvertrages erfolgt?
  6. Wann erlangte die Versicherung hiervon Kenntnis?
  7. Welche konkreten Nachbearbeitungen wurden von der Klägerin selbst oder durch Dritte für die Erhaltung des Versicherungsvertrages durchgeführt?
  8. Wie errechnet sich konkret die anteilig zurück zu fordern Provision und in welcher Höhe ist die Provision bis zum Datum der Stornierung bereits verdient

3. Kleinstornierungen – OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Az. I- 16 U 32/16)

Während die Rechtsprechung früher annahm, dass kleine Stornierungen in Höhe von 50 bis 100 Euro auch ohne entsprechende Nachbearbeitung zurückgefordert werden können, hat das OLG Düsseldorf erstmals entschieden, dass das Versicherungsunternehmen auch bei sogenannten Kleinstornierungen einen Nachweis der Nachbearbeitungsmaßnahmen zu erbringen hat. Denn es ist davon auszugehen, dass der Versicherungsvertreter mehrere Versicherungsverträge an den jeweiligen Kunden vermittelt hat, sodass die Gefahr besteht, dass die gesamten vermittelten Versicherungsverträge storniert werden könnten.

4. Anerkenntnisfiktion – BGH, Urteil vom 20.09.2006, Az. VIII ZR 100/05

Auch wenn in vielen Provisionsabrechnungen die Klausel enthalten ist, dass wenn hier binnen einer bestimmten Frist der Lohnabrechnung widersprochen wird, diese als anerkannt gilt, so hat der BGH entschieden, dass eine sogenannte Anerkenntnisfiktion in den Provisionsabrechnungen unzulässig ist.

5. Dynamikprovision – BGH, Urteil vom 20.12.2018, Az. VII ZR 69/18

Der BGH hat in dem Urteil erstmalig bestätigt, dass es sich bei der dynamischen Provision des Versicherungsvertreters eine Abschluss Provision handelt, welche jedoch erst dann zur Zahlung fällig wird, wenn es zur Dynamisierung des vermittelten Vertrages kommt und der Versicherungsnehmer der Erhöhung des Beitrages nicht widersprochen hat. Da die Erhöhung auch nach Beendigung des Versicherungsvertretervertrages erfolgen kann, steht dem Versicherungsvertreter somit auch nach Beendigung noch weiterhin ein Anspruch auf Zahlung der Dynamikprovision zu.

Buchauszug

6. Verjährung – BGH, Urteil vom 03.08.2017, Az. XII ZR 32/17

Auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges unterliegt grundsätzlich der dreijährigen Verjährungsfrist. Der Buchauszug bedient hierbei der Kontrolle und Überprüfung der erhaltenen Provisionen. Da im Falle der falschen oder fehlenden Zahlung von Provisionen der Anspruch nur innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden kann, ist auch die Erteilung des Buchauszuges ausschließlich auf diesen Zeitraum beschränkt.

Die Verjährung des Anspruchs des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB beginnt regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat.

7. Form des Buchauszuges – OLG München, Urteil vom 19.7.2017, Az. 7 U 3387/16

Das Oberlandesgericht hatte bestätigt, dass der Versicherungsvertreter keinen Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges in einer bestimmten Form hat.

Insbesondere hat er keinen Anspruch darauf, dass dieser in digitaler Form zugesendet wird, selbst wenn es sich hierbei um einen sehr umfassenden Buchauszug handelt. Die Gestaltung der Form steht daher in dem freien Ermessen des Versicherungsunternehmens.

8. Treuwidrigkeit – OLG München, Urteil vom 1.3.2017, Az. 7 U 3437/16

Weder der Umstand, dass die Erteilung des Buchauszuges mit erheblichen Zeit-und Kostenaufwand verbunden ist, als auch die Tatsache dass der Versicherungsvertreter über Jahre hinweg die Provisionsabrechnungen anstandslos hingenommen hat, macht den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nicht rechtsmissbräuchlich.

9. Inhalt – BGH, Urteil vom 21.3.2001, Az. VIII ZR 149/99

Der BGH hat die inhaltlichen Anforderungen an den Buchauszug dahingehend bestätigt, dass dieser als Mindestanforderung folgende Informationen zu enthalten hatte:

  • Name des Versicherungsnehmers
  • Versicherungsschein-Nummer
  • Art und Inhalt des Versicherungsvertrags (Sparte, Tarifart, prämien- oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
  • Jahresprämie
  • Versicherungsbeginn
  • Bei Lebensversicherungsverträgen: die Versicherungssumme, das Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und die Vertragslaufzeit
  • Bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich Angaben zur Erhöhung der Versicherungssumme, zum Zeitpunkt der Erhöhung und zur Erhöhung der Jahresprämie
  • Bei Stornierungen: das Datum der Stornierung, die Gründe der Stornierung und die Maßnahmen zur Erhaltung des Bestands

Der Buchauszug muss im Ergebnis all die Informationen enthalten, welche für die Berechnung der Höhe und Fälligkeit der Provisionen relevant sind.

Ausgleichsanspruch § 89 b HGB

10. Berechnung nach den Grundsätzen – BGH, Urteil vom 23.11.2011, Az. VIII ZR 203/10

Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Versicherungsvertreter ist gerade dann, wenn die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den Versicherungsverbänden nicht vereinbart worden für den Versicherungsvertreter nur schwer darstellbar.

Der BGH hat jedoch entschieden, dass selbst wenn die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht zwischen den Parteien vereinbart worden, das Gericht dieser als Schätzungsgrundlage heranziehen kann.

Die Versicherungsverbände haben hierbei durch die Aufstellung von Grundsätzen versucht für den speziellen Bereich der Versicherungsbranche eine Berechnung des Ausgleichsanspruches aufzustellen und insbesondere auch Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. So empfiehlt sich insbesondere bei der Geltendmachung des Ausgleichsanspruches die Berechnung immer nach den Grundsätzen darzulegen.

Stephanie Has, Rechtsanwältin, FHR Rechtsanwälte

Auch wenn die Rechtsprechung bereits weitaus mehr Urteile speziell für den Versicherungsvertreter entschieden hatte, so stellen die soeben dargestellten Urteile eine gute Übersicht dar um zu wissen wie weit die Rechte und Pflichten eines Versicherungsvertreters reichen.