Reiserücktrittskosten-Versicherung: Vorerkrankungsklausel ist unwirksam

Bestimmte Klauseln in der Reiseversicherung, mit denen der Versicherungsschutz bei Vorerkrankungen ausgeschlossen wird, sind unwirksam. So ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main.

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Der Kläger buchte ein Hotelzimmer auf Capri zum Preis von 2550 Euro. Als er wegen akuter Rückenbeschwerden zu einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ging, diagnostizierte dieser einen „Hexenschuss“. Aufgrund der Erkrankung musste der Kläger die Reise stornieren und den vollen Buchungspreis als Stornierungskosten entrichten.

Absicherung über Kreditkarte

Über seine Kreditkarte war er gegen das Risiko abgesichert, eine Reise wegen Krankheit stornieren zu müssen.

„Kosten infolge von Vorerkrankungen“ waren dabei aber vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Der Begriff „Vorerkrankung“ war in den Versicherungsbedingungen folgendermaßen definiert:

„Vorerkrankung“ bedeutet: Ein bereits vorher bekannter medizinischer Zustand, der Ihnen bekannt war, als Sie Ihre C… Card und andere Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten bzw. vor der Buchung Ihrer Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, und weswegen Sie:

während der letzten 12 Monate einen Krankenhausaufenthalt hatten, Testergebnis erwarten oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung stehen,

innerhalb der letzten 3 Monate begonnen haben, Medikamente einzunehmen, oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben haben,

alle 12 Monate oder häufig eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigen,

die Prognose „unheilbar“ und/oder „chronisch“ erhalten haben.“

Vorerkrankung an Wirbelsäule

Die beklagte Versicherung teilte mit, dass Leistungen aufgrund der verwendeten Vorerkrankungsklausel ausgeschlossen sind, da der Kläger bereits vor Buchung der Reise an einer chronischen Erkrankung der Wirbelsäule gelitten hat, die regelmäßig behandelt wurde.

Vorerkrankungsklausel sei nicht klar und verständlich

Das Amtsgericht Frankfurt am Main entschied zugunsten des Klägers: Die von der Versicherung verwendete Vorerkrankungsklausel ist nicht klar und verständlich und deshalb unwirksam. Sie verstößt gegen das Transparenzgebot, das verlangt, dass Ausschlussklauseln dem Versicherten bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung der Klausel vor Augen führten, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt. Diesen Anforderungen genügt laut Urteil die verwendete Klausel nicht.

Diese schließt nämlich den Versicherungsschutz für der versicherten Person bekannte „medizinische Zustände“ insgesamt aus. Dabei ist aber nicht erkennbar, was einen „medizinischen Zustand“ ausmache. Im Gegensatz zu den geläufigen Bezeichnungen „Erkrankung“ beziehungsweise „Befund“ liefere die Wendung „medizinischer Zustand“ keinen Anhaltspunkt dazu, ob ein entsprechender Zustand pathologisch, behandlungsbedürftig oder risikobehaftet in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalls sein müsse.

Auch die in der Klausel weiter enthaltenen Erläuterungen sorgen nicht für hinreichende Klarheit, sondern verstärkten die Unklarheit des Begriffs „medizinischer Zustand“ noch, statt ihn zu verdeutlichen.

Es ist dem Amtsgericht zufolge schon nicht klar, ob es sich bei den durch Aufzählungszeichen gegliederten Umschreibungen lediglich um Beispiele oder um abschließende Tatbestandsmerkmale handelt. Hinzu kommt, dass ein Versicherter auch die maßgeblichen Ausschlusszeiträume nach den ersten drei Aufzählungszeichen der Klausel nicht festlegen kann, denn es bleibt unklar, ob diese an den Buchungszeitpunkt oder an den Eintritt des Versicherungsfalls anknüpfen.

Urteil vom 13. Mai 2019 (Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 3330/18 (24))

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