Auswirkungen der IDD auf Agenturvertriebe

Die Insurance Distribution Directive (IDD) verlangt von den Versicherungsvertreibern die Anpassung einer Vielzahl interner Prozesse. Die Anforderungen zielen insbesondere auf das Produktgenehmigungsverfahren, das Produktinformationsblatt, vertriebliche Aktivitäten, wie Beratung und Dokumentation, Vergütungssysteme und Weiterbildung der Mitarbeiter, ab. Wir haben die Auswirkungen auf den Agenturvertrieb genauer unter die Lupe genommen. Vor welche konkreten Herausforderungen stellt die IDD Agenturleitung und Mitarbeiter? Welche Auswirkungen ergeben sich für die betriebliche Organisation? Konkrete Handlungsbezüge und den Umsetzungsaufwand zeigen wir im Hinblick auf die Mitarbeiter, ihre Qualifikation sowie den Beratungs- und Verkaufsprozess auf.

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Anzugtraeger-vor-Zahnraedern-61068021-FO-Sergey-NivensAnzugtraeger-vor-Zahnraedern-61068021-FO-Sergey-NivensBild: © Sergey Nivens / fotolia.com

Mitarbeiter, die Versicherungen vertreiben, sind gemäß der vorgegebenen Definition eines Versicherungsvertreibers zu identifizieren. Diese Mitarbeiter sind zur ständigen Weiterbildung verpflichtet.

Wer gehört zum Vertrieb?

Der Agenturinhaber oder -leiter muss sicherstellen, dass die Personen identifiziert werden, die im Unternehmen oder bei angeschlossenen Unternehmen im Vertrieb arbeiten. Zum Vertrieb gehören alle Mitarbeiter, die eine Vertriebstätigkeit ausüben oder demnächst ausüben werden.

Es ist zu beachten, dass laut IDD unter Vertriebstätigkeit mehr als die eigentliche Beratung erfasst wird. Auch Vorbereitungshandlungen sind darunter zu verstehen (dazu gehören zum Beispiel die Vorbereitung und das Versenden von Informationsmaterial vor einem Beratungsgespräch). Ebenso gilt die Mitwirkung bei der Verwaltung und der Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadenfall, als Vertriebstätigkeit. Wir haben es demnach mit einem außerordentlich weit gefassten Begriff der vertrieblichen Tätigkeit zu tun, der in Einzelfällen zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann. Es wird daher erforderlich sein, klare unternehmensinterne Grenzen zu formulieren und zu dokumentieren.

Ein Mitarbeiterverzeichnis sorgt für den richtigen Überblick

Die Identifikation muss pro Mitarbeiter geschehen und dokumentiert werden. Empfehlenswert ist die Erstellung eines einheitlichen Mitarbeiterverzeichnisses, in dem alle Mitarbeiter aufgeführt sind, also auch diejenigen, bei denen zunächst keine Vertriebstätigkeit vermutet wird.

Ferner ist das Mitarbeiterverzeichnis, also die Dokumentation, zum Beispiel bei Fluktuation oder geänderter Aufgabenzuweisung, regelmäßig und anlassbezogen zu überprüfen. Im Unternehmen sollte für die Erstellung und Pflege des Mitarbeiterverzeichnisses ein Verantwortlicher benannt werden. Auch entsprechende Überprüfungsprozesse sollten eingeführt werden. Denkbar ist, das Mitarbeiterverzeichnis in regelmäßig stattfindende Mitarbeitergespräche einfließen zu lassen.

Mindestanforderungen an ein Mitarbeiterverzeichnis

Das Mitarbeiterverzeichnis sollte möglichst die folgenden Mindestanforderungen erfüllen:

  • Das Mitarbeiterverzeichnis sollte für jeden Mitarbeiter eine Stellenbeschreibung beinhalten, aus der hervorgeht, inwieweit der Mitarbeiter eine (beziehungsweise keine) Vertriebstätigkeit ausübt. Für Mitarbeiter ohne Vertriebstätigkeit sollten die Gründe für die Zuordnung des Mitarbeiters zu dieser Gruppe ebenfalls dokumentiert werden. Aus der Stellenbeschreibung sollte erkennbar sein, welche Sachkundenachweise für die Stelle erforderlich sind.
  • Sachkundenachweis: Die im Vertrieb eingesetzten Mitarbeiter sollten eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweisen. Es muss sichergestellt sein, dass die für die Versicherungsvermittlung oder Versicherungsberatung notwendige Sachkunde in versicherungsfachlichen Fragen, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Angebotsformen und Leistungsumfang, sowie den rechtlichen Grundlagen und der Kundenberatung besteht. Hierzu zählt eine sachgerechte Qualifikation (Ausbildung, Schulung) für die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
  • Im Mitarbeiterverzeichnis wird für jeden Mitarbeiter dokumentiert, ob die betroffene Person im Vertrieb über die angemessene Sachkenntnis verfügt, die sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Kurz gesagt, es ist zu prüfen und zu dokumentieren, ob die zugewiesenen Aufgaben zur erforderlichen Sachkunde passen. Ist dies nicht der Fall, muss auf diesen Umstand durch Umorganisation, Aufgabenumverteilung oder Schulungsmaßnahmen reagiert werden. Hierbei muss beachtet werden, dass die normierten Mindestkenntnisse erfüllt werden. Ein im Schadenbereich eingesetzter Mitarbeiter darf zukünftig nicht in der Vertragsbearbeitung eingesetzt werden, wenn er die dafür notwendigen Mindestkenntnisse nicht erfüllt.
  • Das Mitarbeiterverzeichnis hält in angemessener Weise fest, dass der Mitarbeiter mit Vertriebstätigkeit regelmäßig an Schulungen und Weiterbildungen teilnimmt. Hierzu sollte ein innerbetriebliches Weiterbildungskonzept vorliegen. Die Schulungen und Weiterbildungen müssen dazu dienen, das zum Aufgabengebiet angemessene Leistungsniveau der Person zu erhalten. Die Schulungsmaßnahmen sollten den Anforderungen des Marktes entsprechen, in dem die Person tätig ist.
  • Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung beziehungsweise Veranlassung von Schulungen ist zunächst, dass der Schulungsbedarf in Abhängigkeit von den Kenntnissen, Fähigkeiten und der Stellenbeschreibung je Mitarbeiter ermittelt wird. Die erfolgten Weiterbildungen müssen nachgewiesen und dokumentiert werden. Hierfür sollte der Betrieb ein Weiterbildungskonzept und geeignete Kontrollmechanismen zur Verfügung stellen.
  • Ferner muss sichergestellt sein, dass für den Nachweis eines guten Leumunds geprüft wird, ob die Person im Zusammenhang mit schwerwiegenden Straftaten in den Bereichen Eigentums- oder Finanzkriminalität ins Strafregister oder ein gleichwertiges nationales Register eingetragen wurde.

Des Weiteren ist zu kontrollieren, dass nie ein Insolvenzverfahren gegen die Person eingeleitet wurde; es sei denn, sie ist gemäß nationalem Recht rehabilitiert worden. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit und geordneter Vermögensverhältnisse gelten gewerberechtliche Grundsätze. Ungeordnete Vermögensverhältnisse liegen in der Regel vor, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder er in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen worden ist.

„Auch strukturiertes und gut dokumentiertes Vorgehen im Beratungs- und Verkaufsprozess stellt einen Wettbewerbsvorteil dar.“

Verpflichtung zur Weiterbildung der Mitarbeiter macht Kontrolle erforderlich

Mitarbeiter, die Versicherungen vertreiben, sind zur ständigen Weiterbildung verpflichtet. Mindestens 15 Schulungsstunden sind pro Jahr nachweisbar wahrzunehmen. Alle Aufzeichnungen und relevanten Dokumente, die über die Anforderungen an die Mitarbeiter und deren Aufgaben und Qualifikation Auskunft geben, müssen aufbewahrt und regelmäßig aktualisiert werden. Auf Verlangen ist der zuständigen Behörde der Name der Person zu nennen, die für diese Funktion verantwortlich ist. Ist ein Mitarbeiterverzeichnis erstellt, kann dies zum Anlass genommen werden, Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu überprüfen und so gegebenenfalls die internen Aufgabenverteilungen umzuorganisieren.

Kundenwünsche systematisch erfassen und dokumentieren

Auch auf den Beratungs- und Verkaufsprozess eines Agenturvertriebs hat die IDD Auswirkungen. So ist das Vorgehen im Sinne der IDD in dieser vertrieblichen Phase zu dokumentieren. Grundsätzlich sind Versicherungsmakler und -vermittler verpflichtet, ihren Kunden objektive Informationen zur Verfügung zu stellen. Werden Ziele und Wünsche eines Kunden sowie seine persönliche und finanzielle Situation aufgenommen, so ist zum Beispiel anhand von personalisierten Empfehlungen festzuhalten, warum das angebotene oder verkaufte Produkt die für den Kunden beste Wahl darstellt. Dieses Vorgehen ist für jeden Einzelfall nachzuweisen und zu dokumentieren.

Um ein systematisches und strukturiertes Vorgehen sicherzustellen, sollte ein Leitfaden für die Ermittlung der Kundenwünsche und -bedürfnisse eingesetzt werden. Mithilfe eines Pflichtenkatalogs können Makler und Vermittler den Beratungs- und Dokumentationsprozess regeln und festhalten.

Kein Versicherungsverkauf mehr ohne Produktinformationsblatt

Auch beim Vertrieb von Nichtlebensprodukten muss der Kunde mittels eines standardisierten Informationsblatts zu Versicherungsprodukten informiert werden. Das Informationsblatt wird zwar von demjenigen erstellt, der das Versicherungsprodukt konzipiert hat, doch ist der Vermittler im Zuge der Beratung beziehungsweise des Abschlusses dafür zuständig, das Informationsblatt auszuhändigen. Detailfragen ergeben sich hier unter Umständen im Zusammenhang mit Kollektivverträgen oder Deckungskonzepten: Wie ist rechtssicher zu informieren, wenn der Versicherungsnehmer Arbeitgeber ist?

Die beschriebenen Anforderungen müssen nach heutigem Stand bis zum 23. Februar 2018 umgesetzt werden. Wahrscheinlich ist allerdings eine Verschiebung dieses Umsetzungstermins seitens der EU-Kommission auf den 1. Oktober 2018. Wie die deutsche Gesetzgebung darauf reagieren wird, ist noch unklar.

Fazit: Die IDD als Chance verstehen

Die Anforderungen an die betriebliche Organisation steigen durch die IDD. Neue Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Funktionen sind zu erfüllen und müssen im Agenturbetrieb geschaffen werden. Beratungs-, Informations- und Verkaufsprozesse sind zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Stehen objektive Informationen, personalisierte Empfehlungen und nachvollziehbare Dokumentationen für die Kundengespräche zur Verfügung? Das alles bedeutet zunächst einmal viel Aufwand. Insgesamt lässt sich der Umsetzungsaufwand ohne Weiteres mit dem der VVG-Reform vergleichen.

Die Umsetzungsverpflichtung der IDD kann aber auch als Chance gesehen werden, die Mitarbeiterführung und die Mitarbeiterentwicklung durch neue Prozesse und Mechanismen auf neue, effiziente Füße zu stellen. So kann ein Mitarbeiterverzeichnis Auskunft geben, wo Nachholbedarf oder ein Überangebot an qualifizierten Mitarbeitern besteht. Die Mitarbeiterentwicklung lässt sich somit besser steuern. Hieraus können auch Anreize entstehen, die bisherige Geschäftsorganisation zu hinterfragen und neu zu organisieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten beziehungsweise zu steigern.

Auch strukturiertes und gut dokumentiertes Vorgehen im Beratungs- und Verkaufsprozess stellt einen Wettbewerbsvorteil dar. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Informationen und Dokumentationen dem Kunden die Kaufentscheidung auch im Nachhinein transparent und nachvollziehbar erscheinen lassen und neben rationalen Gründen ein gutes Gefühl vermitteln. Zudem ist davon auszugehen, dass Verbraucherschützer nach Einführung der IDD neue Rankings anlegen werden. Wer einen der ersten Listenplätze belegen möchte, sollte den Aufwand nicht scheuen und die Anforderungen der IDD im Sinne einer verbraucherfreundlichen Umsetzung erfüllen.

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