Die Stimmungslage der mittleren Generation in Deutschland ist deutlich besser, als die aktuellen wirtschaftlichen Rahmendaten vermuten lassen. Vor allem die Zufriedenheit der 30- bis 59-Jährigen mit ihrer eigenen finanziellen Situation ist derzeit tendenziell höher als im vergangenen Jahrzehnt. Zugleich steigt der Zukunftsoptimismus der „Generation Mitte“, während die Abstiegsängste zurückgehen.
Dennoch wird großer Reformbedarf gesehen. Das zeigen die Ergebnisse der neuen Allensbach-Untersuchung im Auftrag der Versicherer. „Wir sind überrascht, wie stabil und krisenfest die mittlere Generation ist“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Auch der robuste Arbeitsmarkt hat zur Zufriedenheit der Befragten mit ihrer finanziellen Situation beigetragen.“
Das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) hat zum zehnten Mal die 30- bis 59-jährigen Menschen in Deutschland befragt. Verglichen mit der ersten Umfrage 2013 zeigt sich die „Generation Mitte“ heute zufriedener mit der eigenen finanziellen Lage: Auf einer Skala von 0 (unzufrieden) bis 10 (völlig zufrieden) wählte sie im Durchschnitt die Stufe 6,6 (2013: 6,3).
Noch besser bewerteten die Befragten ihre Berufs- und Wohnsituation. „Insgesamt beeindruckt der Langzeittrend durch die Stabilität der Zufriedenheit in den unterschiedlichen Lebensbereichen, ob finanzielle Lage, Beruf, Wohnsituation oder generelle Lebenszufriedenheit“, sagte IfD-Geschäftsführerin Renate Köcher.
Gefahr des sozialen Abstiegs wird wieder geringer gesehen
Ein ähnlich optimistisches Bild ergibt sich auch bei der Frage nach der persönlichen Wohlstandsentwicklung. Aktuell ziehen 38 Prozent der mittleren Generation die Bilanz, dass es ihnen heute wirtschaftlich besser geht als vor fünf Jahren, während 26 Prozent von einer Verschlechterung berichten. Auch die künftige Entwicklung wird heute deutlich positiver eingeschätzt als im Nachgang der Pandemie vor zwei Jahren: Jeder fünfte Befragte geht jetzt von Wohlstandsgewinnen in den kommenden fünf Jahren aus, nur noch 13 Prozent glauben an Einbußen.
Auch die Gefahr des sozialen Abstiegs wird von der mittleren Generation heute wieder deutlich geringer gesehen als unter dem Eindruck der Corona-Pandemie vor zwei Jahren: Herrschte 2022 noch bei einem Viertel der Befragten große Sorge vor, sozial abzusteigen, teilen diese Befürchtung aktuell nur noch 16 Prozent der „Generation Mitte“. Auf der anderen Seite ist der Anteil jener, die überhaupt keine Gefahr sieht, von 17 auf 28 Prozent angestiegen. Die Mehrheit von 49 Prozent schließt für sich dieses Risiko nicht aus, schätzt es jedoch überwiegend als begrenzt ein.
„Das zeigt: Die ‚Generation Mitte‘ empfindet sich in einer relativ befestigten Situation, die primär durch die Pandemie kurzfristig angegriffen wurde“, so Köcher. Diese weitgehend stabile Lage der mittleren Generation und ihre überwiegend optimistische Einschätzung ihrer Zukunftsperspektiven prägt demnach auch den Blick auf die generelle Situation in Deutschland. „Viele stimmen der These zu, dass bei uns zu viel gejammert wird und die Lage besser ist als die Stimmung“, sagte Köcher. 48 Prozent bejahen dies, nur 26 Prozent der Befragten widersprechen ausdrücklich.
„Generation Mitte“ erkennt erheblichen Reformdarf in Deutschland
Aber auch wenn die mittlere Generation die wirtschaftliche Lage in Deutschland grundsätzlich positiv beurteilt: Sie sieht dennoch sehr große Herausforderungen für das Land und erheblichen Reformbedarf. 46 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass Deutschland tiefgreifende Reformen braucht. Ebenso viele sind der Meinung, es gebe zumindest einen begrenzten Reformbedarf. Fast ebenso viele wünschen sich auch ein höheres Tempo bei der Veränderung des Landes: 45 Prozent gehen die Reformen nicht schnell genug, während 18 Prozent finden, es gehe zu schnell.
Die Agenda der aus Sicht der „Generation Mitte“ reformbedürftigen Themen ist vielfältig. An der Spitze finden sich, mit jeweils über 70 Prozent der Befragten, die Wünsche nach Verbesserungen im Pflegebereich, im Bildungssystem und im Gesundheitswesen. Ebenfalls wichtig sind der mittleren Generation in diesem Zusammenhang auch die sozialen Sicherungssysteme wie die gesetzliche Rentenversicherung und ganz allgemein die Digitalisierung. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten sieht hier Handlungsbedarf.
„Die ‚Generation Mitte‘ hat ein gutes Gespür dafür, wo es in Deutschland Reformbedarf gibt“, so Asmussen. „Sie schultert ja als Generation der Erwerbstätigen auch die Hauptlast der anstehenden Herausforderungen. Wir als Versicherer teilen diese Einschätzung vor allem mit Blick auf die Alterssicherung, also die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge. Aufgrund der rapiden demografischen Entwicklung sind hier Reformen überfällig.“
Private Altersvorsorge für 54 Prozent wichtig zur Sicherung des Lebensstandards
Seit der ersten „Generation Mitte“-Studie ist das Thema finanzielle Absicherung ein wichtiger Teil der Befragung. Und seither erklärt regelmäßig lediglich rund ein Viertel der Befragten, davon auszugehen, im Alter keine finanziellen Sorgen zu haben. Jeder Zweite erwartet, später sparsam haushalten zu müssen. Und knapp ein Fünftel rechnet damit, auf Unterstützung angewiesen zu sein.
Die Vorstellungen, wie man den eigenen Lebensstandard am besten absichern kann, werden nach wie vor von der eigenen Immobilie, Erwerbseinkommen und privaten Vorsorgemaßnahmen angeführt. Letzteres, den frühzeitigen Aufbau einer privater Altersvorsorge, nennen 54 Prozent der Befragten als wichtig für die Beibehaltung des Lebensstandards.
„Der hohe Anteil derjenigen, die private Altersvorsorge als wichtig einschätzen, ist seit der ersten Befragung 2013 annähernd gleichgeblieben. Die Menschen wissen also um die Dringlichkeit von Vorsorge“, sagte Asmussen. „Die Politik ist nun gefordert, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Versicherer unkomplizierte und renditestarke private Altersvorsorgeprodukte anbieten können, die sich mit der Zulagenförderung vor allem für Frauen, Familien und für Menschen mit geringen Einkommen eignen.“
Blick auf die Zukunft Europas ambivalent
Ein Thema, das die 30- bis 59-Jährigen mit Blick auf die Europawahlen Anfang Juni umtreibt, ist die Zukunft der Europäischen Union. „Wenn nur 18 Prozent der mittleren Generation es für richtig halten, für die EU einzutreten, signalisiert dies keine grundsätzliche Ablehnung, aber durchaus eine gewisse Distanz“, sagte Köcher. Davon zeugt auch, dass ein Fünftel ausdrücklich der Aussage widerspricht, Europa sei unsere Zukunft. 46 Prozent unterstützen diese Aussage. „Insgesamt ergibt sich hier für die ‚Generation Mitte‘ ein ambivalentes Bild: Jeder Dritte sieht die Zukunft der EU optimistisch, allerdings sind auch 30 Prozent pessimistisch, während sich ein gutes Drittel kein Urteil zutraut“, so Köcher.
Gleichwohl sind die Erwartungen der mittleren Generation an die europäische Ebene hoch. Eine Steuerung der Migration (71 Prozent), Bürokratieabbau (70 Prozent) und eine Stärkung der Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit (62 Prozent) sind aus Sicht der Befragten drei der zentralen Wünsche an die nächste EU-Kommission.
Auch die Forcierung von Umwelt- und Klimaschutz, die mit dem Green Deal ein Schwerpunkt der vergangenen Legislaturperiode der EU-Kommission war, gehört zu den Top 10 der Europa-Agenda der „Generation Mitte“, rangiert mit 44 Prozent aber deutlich weiter unten.
„Auch bei den europäischen Themen zeigt sich die mittlere Generation wieder als zuverlässiger Seismograf für uns“, sagte Asmussen. „Bürokratieabbau steht auch für uns Versicherer auf der Prioritätenliste weit oben. Wir schlagen zum Beispiel vor, dass neue Gesetze systematisch daraufhin geprüft werden, ob sie die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken oder behindern. Und wir wünschen uns eine engere Zusammenarbeit der europäischen und nationalen Ebene, um Über- oder Doppelregulierung zu vermeiden.“
Über die „Generation Mitte“: Die mehr als 35 Millionen 30- bis 59-Jährigen in Deutschland stehen mitten im Berufsleben, erziehen Kinder und finanzieren die sozialen Sicherungssysteme. Sie stellen 70 Prozent der Erwerbstätigen und erwirtschaften über 80 Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte. Die „Generation Mitte“ ist damit im wahrsten Sinne des Wortes der „Leistungsträger“ unserer Gesellschaft.
Der GDV beauftragt das IfD seit 2013, dieser breiten Bevölkerungsschicht regelmäßig den Puls zu fühlen und ihre Einstellungen, Erwartungen und Ängste zu erforschen. Für die repräsentative Untersuchung „Generation Mitte“ 2024 haben die Demoskopen zwischen dem 16. März und dem 4. April insgesamt 1.026 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 59 Jahren in Face-to-Face-Interviews befragt.