Auch im dritten Corona-Jahr 2022 spiegeln sich die Auswirkungen der Pandemie in den Zahlen der Unfälle und Berufskrankheiten wider, die den Unfallversicherungsträgern gemeldet wurden. Das geht aus den Geschäfts- und Rechnungsergebnissen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für das Jahr 2022 hervor, die ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), bekannt gab.
Zwar stieg die Anzahl der Wege- und Schulunfälle gegenüber dem Vorjahr 2021 an, sie blieb aber doch deutlich unter dem vorpandemischen Niveau. Die Zahl der Verdachtsanzeigen und Anerkennungen von Berufskrankheiten hingegen erreichte 2022 ein Rekordhoch. Grund ist der starke Anstieg bei den Infektionskrankheiten, zu denen auch COVID-19 zählt. Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ging dagegen im Vergleich zum Vorjahr zurück.
Insgesamt gingen 370.141 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit ein. Das entspricht einer Zunahme von 62,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In 199.542 Fällen wurde die Berufskrankheit anerkannt, was ebenfalls einer Steigerung von mehr als 60 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Damit wurden fünfmal so viele Fälle wie im Jahr 2020 als Berufskrankheit anerkannt.
Hauptursächlich für den Anstieg bei Anzeigen und Anerkennungen von Berufskrankheiten ist die Coronapandemie. Rund 180.000 Anerkennungen entfielen auf COVID-19. Abzüglich der mit Corona in Zusammenhang stehenden Erkrankungen gingen die restlichen Berufskrankheiten dagegen leicht zurück. Am häufigsten traten dabei erneut Erkrankungen im Zusammenhang mit Lärm (6.637 Anerkennungen) und Asbest (2.131 Anerkennungen) sowie Hautkrebs (3.073 Anerkennungen) auf.
In 4.893 Fällen wurde eine Rente infolge einer Berufskrankheit gewährt, was einem Minus von 8,2 Prozent entspricht. In 76 dieser Fälle ging der Rente eine COVID-19-Erkrankung voraus.
Darüber hinaus wurden 2.148 Todesfälle infolge einer Berufskrankheit gemeldet, was einen Rückgang von 15,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. 37 Todesfälle gehen dabei auf eine als Berufskrankheit anerkannte COVID-19-Erkrankung zurück. Im Jahr 2021 waren es noch 72.
Rückgang der meldepflichtigen Arbeitsunfälle
Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ist im Vergleich zu 2021 rückläufig. Sie nahm um 2,3 Prozent auf 787.412 ab. Das ist erneut weit weniger als im Vor-Pandemiejahr 2019, als die Unfallversicherungsträger 871.547 Arbeitsunfälle verzeichneten. Ebenfalls gesunken ist damit auch das relative Unfallrisiko - ein wichtiger Indikator für den Arbeitsschutz in Deutschland: Es lag bei rund 18,3 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1.000 Vollarbeiter. Die statistische Größe eines Vollarbeiters entspricht dabei der Zahl der Arbeitsstunden, die eine in Vollzeit tätige Person im Jahr gearbeitet hat. Sinkt das relative Unfallrisiko, bedeutet dies, dass in der gleichen Arbeitszeit weniger Unfälle passiert sind - die Arbeit also weniger unfallträchtig ist. Im Vergleich zu 2021 sank das Unfallrisiko um 7,7 Prozent.
Im Vergleich zum Vorjahr gab es auch weniger Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang: 423 und damit 87 Menschen weniger als 2021 verunglückten infolge ihrer versicherten Tätigkeit tödlich. Ein wesentlicher Grund für den Rückgang war, dass 2022 weniger Menschen infolge einer COVID-19-Infektion verstarben. Hinzu kam, dass auch die Zahl der verstorbenen Rehabilitanden abnahm. Diese Menschen in stationärer Behandlung fallen ebenfalls unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
"Der Trend zu immer weniger Arbeitsunfällen hält an, das ist eine erfreuliche Entwicklung. Wie wichtig ein nachhaltiger Arbeitsschutz und gute Präventionsmaßnahmen sind, haben die Jahre der Pandemie besonders vor Augen geführt. Gemeinsam mit allen Akteuren des Arbeitsschutzes arbeiten wir daran, diese Tendenz fortzuführen - für verbesserte Arbeitsbedingungen, Betriebsabläufe und ein gutes Betriebsklima. All das zahlt letztlich auf die Gesundheit der Beschäftigten ein," sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV.
"Wenig überraschend sind im Zusammenhang mit der Pandemie die hohen Zahlen bei den Verdachtsfällen und Anerkennungen von Berufskrankheiten. Auch hier können sich Versicherte auf den Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung verlassen. Sie kümmert sich um die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation der Betroffenen."
Gestiegen ist dagegen die Zahl der Unfälle, die Beschäftigte auf dem Weg zur oder von der Arbeit erlitten: Sie nahmen um 1,4 Prozent leicht zu (173.288 Fälle). Vor allem jene Wegeunfälle mit besonders gravierenden Folgen sind 2022 gestiegen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es 21 Fälle tödliche Unfälle mehr - insgesamt 248 (+9,3 Prozent).
Mehr als jeder fünfte meldepflichtige Wegeunfall ist mittlerweile ein Unfall mit dem Fahrrad - einem Verkehrsmittel, das für den Weg zur oder von der Arbeit immer beliebter wird. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Unfälle mit dem Fahrrad von rund 22.500 auf mehr als 37.000, jene mit E-Bike oder Pedelec hat sich allein in den Jahren von 2019 bis 2022 sogar mehr als vervierfacht. Hussy: "Beunruhigend ist auch der Trend bei den Elektrokleinstfahrzeugen, zum Beispiel E-Rollern." Seit die Unfallversicherung 2020 begonnen habe, diese Wegeunfälle gesondert zu erfassen, habe sich ihre Zahl fast versiebenfacht.
Hinweis: Arbeitgeber müssen Arbeits- und Wegeunfälle melden, wenn die Unfälle zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder zum Tod von Versicherten führen. Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen erfassen Unfälle in Betrieben und Einrichtungen der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand. Arbeits- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten in der Landwirtschaft sind über die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau abgesichert. In der Schülerunfallversicherung sind Unfälle immer dann meldepflichtig, wenn sie eine ärztliche Behandlung nach sich ziehen.
Mehr Schul- und Schulwegunfälle
Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung beginnt nicht erst mit dem Eintritt ins Arbeitsleben. Schon Kinder in Tagesbetreuung und beim Besuch von allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie Studierende sind über die Unfallkassen gesetzlich unfallversichert. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Unfallkassen 987.391 meldepflichtige Schulunfälle, was einem Anstieg um gut 50 Prozent entspricht. Dabei dürfte vor allem zu Buche schlagen, dass die Bildungseinrichtungen nicht wie in den Vorjahren für längere Zeit geschlossen waren. Trotz der Zunahme an Fällen sind weit weniger Schülerinnen und Schüler als im Jahr 2019 verunfallt (damals 1.176.664 Fälle). Bei den neuen Schulunfallrenten gab es einen Rückgang um 11,3 Prozent auf 345 erstmals entschädigte Fälle. Die Zahl der tödlichen Schulunfälle liegt bei acht Fällen.
Auch die Zahl der Unfälle auf dem Schulweg stieg deutlich: 88.718 Kinder und junge Menschen verunfallten auf dem Weg von oder zu ihrer Bildungseinrichtung. Das entspricht einer Zunahme von 41,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und genau fünf Schulwegunfällen pro 1.000 Versicherten. Die Zahl der neuen Schulwegunfallrenten nahm um 33 ab auf 156 (-17,5 Prozent). 17 Schulwegunfälle endeten tödlich.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Arbeitsunfälle mit einem Allzeittief in 2023
Im Jahr 2023 haben Beschäftigte weniger meldepflichtige Arbeitsunfälle erlitten als 2019. Die Zahl der Verunfallten erreichte damit ein Allzeittief, wenn man die Corona-Jahre 2020 bis 2022 nicht berücksichtigt, in denen Arbeitszeiten und Mobilität stark von den Bedingungen der Pandemie beeinflusst waren.
Psyche bleibt Hauptgrund für Berufsunfähigkeit
Corona-Krise spiegelt sich in vorläufigen Arbeitsunfallzahlen wider
Psyche als BU-Hauptursache auf Rekordniveau
Während körperliche Beschwerden lange Zeit die BU-Statistiken prägten, hat zwischenzeitlich eine deutliche Verschiebung hin zu psychischen Erkrankungen stattgefunden. Hieran sieht man: Themen wie Work-Life-Balance und mehr Ausgleich bei mentalen Belastungen werden immer wichtiger.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.