Guidewire hat seine jährliche europäische Studie zur Einstellung der Versicherungsnehmer zu ihren Versicherern und deren Leistungen veröffentlicht. Die Umfrage wurde in diesem Jahr auf Spanien ausgedehnt; befragt wurden 4.000 Verbraucher in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien 1 .
Die Versicherer verlieren in den Augen der Verbraucher zunehmend an Bedeutung für sie. Fast ein Drittel der Verbraucher in Deutschland ist der Ansicht, Versicherer seien für sie und ihren Lebensstil nicht relevant (in der Umfrage vom letzten Jahr waren es lediglich 5 Prozent). Diese Meinung ist über alle Altersgruppen hinweg gleich stark vertreten, lediglich in der Altersgruppe 55+ sind es 25 Prozent. In den anderen Ländern findet sich diese Einschätzung weit weniger (7 Prozent in Frankreich, 3 Prozent jeweils in Großbritannien und Spanien).
Jeder fünfte deutsche Versicherungskunde schätzt die Produkte und Services der Versicherer und ist der Ansicht, dass sie seine Bedürfnisse verstehen; im letzten Jahr war es noch jeder vierte. In Frankreich und Großbritannien ist dagegen diese positive Einschätzung leicht angestiegen (in Großbritannien von 15 auf 17 Prozent und in Frankreich von 17 auf 20 Prozent). Ein für die Versicherer positiver Trend zeigt sich beim Vorjahresvergleich über die Länder hinweg: Die Anzahl der Verbraucher, die der Meinung sind, dass Versicherer überteuerte Produkte verkaufen und nur widerwillig Ansprüche regulieren, ist gesunken. In Deutschland sind es aktuell 14 Prozent (19 Prozent im Vorjahr), in Frankreich und Großbritannien ist diese kritische Haltung stärker ausgeprägt mit 32 beziehungsweise 25 Prozent.
Eine kritische Haltung nehmen Verbraucher gegenüber dem Leistungsverhalten der Versicherer während der letzten 12 Monate ein. In Deutschland sind 28 Prozent der Befragten der Ansicht, Versicherer hätten nicht genug getan, um Menschen zu helfen. Diese Ansicht ist in Frankreich mit 32 Prozent am stärksten ausgeprägt, es folgt Spanien mit 30 Prozent, in Großbritannien sind es 23 Prozent.
Versicherungsprämien auf dem Prüfstand
In allen befragten Ländern herrscht große Verunsicherung wegen der herrschenden Inflation. In Deutschland sind 80 Prozent der Befragten besorgt über die steigenden Preise für Lebensmittel, Energie etc. (in den anderen Ländern ist die Besorgnis noch größer, es führt Spanien mit 93 Prozent). Angesichts dieser Entwicklung halten 56 Prozent der deutschen Verbraucher es für wahrscheinlich, dass sie ihre Ausgaben für Versicherungen reduzieren werden. Die Bereitschaft, an Versicherungsausgaben zu sparen, ist in Frankreich mit 63 Prozent am höchsten, es folgt Spanien mit 59 Prozent; in Großbritannien planen 47 Prozent der Befragten Einsparungen.
Mehr als jeder dritte deutsche Verbraucher würde am ehesten bei Reiseversicherungen oder bei Fahrradversicherungen sparen, an dritter Stelle der Nennungen liegt die Hausratversicherung mit 24 Prozent. In Großbritannien herrscht ein höheres Bedürfnis nach Absicherung – 28 Prozent der Befragten würden keine der genannten Versicherungen kündigen.
Versicherer in der Verantwortung für Nachhaltigkeit
Die Studie liefert für alle Länder klare Hinweise, dass Verbraucher die Versicherer in der Pflicht sehen, sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu engagieren. Knapp jeder dritte deutsche Befragte ist der Ansicht, dass Versicherer einen größeren Teil ihrer Gewinne in Umweltschutz und nachhaltige Start-ups investieren sollten; genauso viele finden, dass Versicherer ihre Position auf dem globalen Markt nutzen sollten, um Unternehmen zu beeinflussen, die zur Umweltverschmutzung beitragen, anstatt sich von ihnen zu distanzieren.
30 Prozent der deutschen Verbraucher erwarten von den Versicherern, dass ihre Produkte nachhaltiges Verhalten, wie beispielsweise eine geringere Kfz-Nutzung, fördern. Nur 14 Prozent sind in Deutschland der Ansicht, dass Versicherungen keine Verantwortung im Kampf gegen die globale Erwärmung tragen. In Großbritannien ist diese Ansicht mit 30 Prozent am stärksten ausgeprägt.
Die deutschen Versicherungskunden zeigen mit 53 Prozent die höchste Bereitschaft, mehr für Versicherungsprodukte zu zahlen, wenn dieser Betrag zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen eingesetzt wird (es folgen Spanien und Frankreich mit jeweils 44 Prozent, in Großbritannien sind es 31 Prozent).
Usage-based Insurance auf dem Vormarsch
Nutzungsbasierte Versicherungen haben sich im Vergleich zur Vorjahresbefragung weiter durchgesetzt. Während 2021 ein Viertel der deutschen Befragten eine solche Versicherung abgeschlossen hatte, ist es aktuell bereits jeder Dritte. In Großbritannien ist die Zahl von 9 auf 12 Prozent gestiegen, in Frankreich von 21 auf 31 Prozent. Knapp ein Drittel der deutschen Verbraucher ist der Ansicht, dass eine herkömmliche Versicherung für sie teurer wäre (in Großbritannien weist diese Meinung mit 26 Prozent die geringste Verbreitung auf).
Bedenken bestehen bei den Kunden hinsichtlich des Datenschutzes. 56 Prozent der Verbraucher in Deutschland sehen nutzungsbasierte Versicherungen als Gefahr für ihre Privatsphäre. Am kritischsten sind hier die spanischen Verbraucher mit 59 Prozent, in Frankreich sind die Bedenken mit 42 Prozent am schwächsten ausgeprägt.
Obwohl das Image der Versicherer sich im Vergleich zur Vorjahresbefragung in einzelnen Aspekten etwas verbessert habe, gebe es wichtige Themen, die unbedingt Aufmerksamkeit erfordern, so René Schoenauer, Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software. Die Studie zeige deutlich, dass eine Lücke zwischen den Versicherern und ihrer Kundenbasis entstehe, weil ihre Angebote nicht mehr in den Lebensalltag der Menschen passen. Um die drohende Gefahr von Vertragskündigungen infolge der Inflation abzuwenden, müssen die Versicherer sich stärker an den Kundenanforderungen orientieren. Positiv sei hier die steigende Beliebtheit von nutzungsbasierten Versicherungen zu sehen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf dem Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegen – sowohl bei Investitionen als auch bei der Entwicklung von Produkten und Services.
Whitepaper zur Umfrage
Anmerkungen:
1 Zur Methodik: Guidewire hat das unabhängige Marktforschungsunternehmen Censuswide mit einer gezielten regionalen Studie unter Verbrauchern in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien beauftragt. Die Stichprobe setzte sich aus insgesamt 4.037 Umfrageteilnehmern zusammen (gleiche Anzahl pro Land). Die Studie bestand aus einer Online-Befragung von Personen im Alter über 18 Jahren, die innerhalb der letzten 12 Monate eine der häufigen Versicherungen (z.B. Hausrat, Kfz) abgeschlossen oder erneuert haben. Die Studie wurde im Mai 2022 durchgeführt
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