Der Krieg in der Ukraine hat weitreichende Auswirkungen für Unternehmen, doch kann niemand seriös vorhersagen, wer die Gewinner und Verlierer dieser Krise sein werden. Anleger sollten deshalb jetzt nicht auf „heiße“ Tipps vertrauen.
Gemäß Klaus Porwoll, Gründer und Inhaber der unabhängigen Honorar-Finanzberatung PecuniArs, stellt das Unternehmen fest, dass Anlegern aufgrund des aktuellen Umfeldes häufig empfohlen wird, bestimmte Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Ein „heißer“ Tipp zum Beispiel ist ein gezieltes Investment in Rüstungsaktien, weil sie von den zu erwartenden Investitionen in diesem Bereich profitieren sollen. Der Experte meint:
Davor kann ich nur warnen, denn das ist mehr Spekulieren als Investieren. Schließlich kann heute niemand mit Bestimmtheit sagen, welche konkreten Auswirkungen der Krieg in der Ukraine tatsächlich auf Konjunktur und Unternehmen haben wird.
So können die erwarteten Investitionen in den Kursen der Rüstungsaktien zum Beispiel schon enthalten sein. Oder die Politik könnte ihre Zusagen plötzlich zurückziehen. Zudem können sich aus solchen eher engen gefassten Investmenttipps Risiken für den Investor ergeben. Zum Beispiel kann dies dazu führen, dass Anleger plötzlich eine bestimmte Branche zu stark gewichten. Der erfahrene Honorarberater warnt:
Ohne Frage ist diese Art des 'Markttimings', also die situative Steuerung des Portfolios, äußerst riskant. Denn es gibt auch keine professionellen Anleger, die das immer hinbekommen.
Situation erst einmal gründlich analysieren
Er rät deshalb Anlegern, sich eher an der altbekannten Börsenweisheit zu orientieren, die meint, dass politische Börsen kurze Beine haben. Sie besagt, dass politische Ereignisse die Märkte selten dauerhaft beeinflussen. Etwas, was sich in der Vergangenheit immer wieder bewahrheitet hat. Laut ihm ist es natürlich verständlich, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine Anleger erst einmal verunsichert. Dennoch rät er dazu, Ruhe zu bewahren und die Situation gründlich zu analysieren.
So zählt Russland zu den Schwellenländern und spielt global betrachtet aus Investorensicht keine große Rolle. Das verdeutlicht ein Blick auf die Struktur des weltweiten Börsenbarometers MSCI World. Dort kommen US-Unternehmen auf einen Anteil von fast 70 Prozent, deutsche Aktien derzeit auf rund 2,8 Prozent. Dagegen waren russische Papiere vor Beginn des Krieges in der offiziellen Statistik des MSCI World nicht einmal gesondert ausgewiesen, weil deren Gewicht im Index viel zu gering war. Gemäß Prowoll haben die Märkte dementsprechend den Einmarsch Russlands nicht so stark bewertet. Tatsächlich war der Markteinbruch bei Beginn der Corona-Pandemie größer.
Ruhe zu bewahren ist deshalb in politischen Krisen oberstes Gebot für Anleger. Und das gilt umso mehr bei der Betrachtung der Auswirkungen auf die Unternehmen. Der erfahrene Honorarberater geht zwar schon davon aus, dass wir Folgewirkungen sehen werden, aber niemand heute seriös beziffern kann, wie diese genau aussehen. Er warnt deshalb auch davor, solche Ereignisse zum Anlass zu nehmen, um größere Umschichtungen im Portfolio vorzunehmen.
Marktschwankungen durch breite Diversifikation begegnen
Stattdessen sollten Anleger die Grundsätze langfristigen Investierens auch in solchen Phasen einhalten. So muss einem Anleger zunächst klar sein, welches Maß an Risiko für ihn individuell passend ist. Darauf sollte dann die Vermögensallokation, also die Aufteilung zwischen riskanteren und sicheren Anlagen, basieren. Im nächsten Schritt geht es dann darum, breit gestreut zu investieren.
Prowoll erklärt, dass Marktschwankungen üblich sind, und eine breite Diversifikation die Risiken in Krisenzeiten und damit die Kursschwankungen auf Portfolioebene reduziert, wie wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder zeigen. Anleger sollten auch deshalb in schwierigen Phasen investiert bleiben.
Dennoch ergeben sich aus Krisen aber auch immer Chancen. Da laut dem Experten das Risiko in einer Krise stets niedriger ist als davor, erhöht sich die potenzielle Rendite danach deutlich. Das heißt, es kann sich lohnen, nicht benötigte Liquidität in solchen Phasen zu investieren. Auch macht ein regelmäßiges Rebalancing des Portfolios Sinn. Prowoll erklärt:
Nach Beginn der Corona-Krise zum Beispiel lag der Aktienmarkt knapp 40 Prozent unter dem Ausgangswert vor der Pandemie. Besteht das Portfolio eines Anlegers zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Anleihen, dann hat sich durch diese Bewegung die Gewichtung massiv verschoben.
Indem ein Investor nach einem solchen Kurseinbruch die Ursprungsallokation wieder herstellt, kauft er automatisch Aktien zu einem günstigeren Preis nach. Wichtig ist dabei aber, die langfristigen Anlageziele nicht aus dem Blick zu verlieren und auf eine breite Streuung des Portfolios zu achten. Das Fazit des Honorarberaters lautet demnach, dass ein Anleger nur so sicherstellen kann, dass er seine Anlageziele auf lange Sicht auch erreicht.
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