In Deutschland wird angesichts des nahenden Ruhestands der geburtenstarken Jahrgänge immer wieder über die Finanzierbarkeit der Renten diskutiert. Oft wird dabei auf Schweden mit seinen Kapitalfonds verwiesen. Tatsächlich hat die Alterssicherung in dem skandinavischen Land zwar einige Vorteile - die liegen allerdings ganz woanders. Zudem birgt das "schwedische Modell" auch gravierende Nachteile bis hin zu nominalen Rentenkürzungen, wie eine der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Die schwedische Rente wurde in den 1990er-Jahren reformiert. Heute setzt die Alterssicherung auf eine Mischung aus Umlageverfahren und Kapitaldeckung, die manche Fachleute hierzulande für vorbildlich halten. Die Leistungen des schwedischen öffentlichen Systems entsprechen in etwa denen der deutschen Rentenversicherung. Vorteile gegenüber Deutschland liegen laut Dr. Florian Blank, Rentenexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, darin, dass neben den Beschäftigten auch Beamte und Selbstständige in das schwedische System einbezogen sind und dass es eine steuerfinanzierte Mindestsicherung gibt.
Außerdem sei die betriebliche Altersvorsorge weitaus stärker ausgebaut als in Deutschland, so der WSI-Experte. Wegen der hohen Tarifbindung sind 90 Prozent der Beschäftigten in den vier betrieblichen Versorgungswerken abgesichert. Die Arbeitgeber übernehmen dabei, ebenso wie bei der gesetzlichen Rente, einen deutlich größeren Anteil der Finanzierung als in Deutschland: Bis zur Beitragsgrenze der öffentlichen Alterssicherung führen sie Beiträge in Höhe von in der Regel 4,5 Prozent des Einkommens für die betriebliche Altersversorgung ab.
Bei Einkommen oberhalb dieser Grenze liegen die Arbeitgeberbeiträge sogar bei 30 Prozent des Einkommens oberhalb der Bemessungsgrenze. Das bedeutet für die Beschäftigten: Die Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge steigen mit zunehmendem Einkommen deutlich weiter, auch wenn die maximale Höhe der öffentlichen Rente bereits erreicht ist. Blank zeigt auf:
Schweden zeigt so, dass höhere Arbeitgeberbeiträge durchaus möglich und tragbar sind.
Eine weitere Säule der schwedischen Vorsorge ist die verpflichtende - kapitalbasierte - Prämienrente. In die Prämienrente fließen in Schweden 2,5 Prozent des gesamten Beitragssatzes von 18,5 Prozent. Die Beitragszahler können wählen, in welchen von mehreren hundert Fonds der Beitragsanteil für die Prämienrente investiert werden soll. Wenn keine Wahl getroffen wird, fließt das Geld in den staatlichen Standardfonds. Diese kapitalgedeckte Vorsorge spiele im Gesamtsystem der gesetzlichen Altersrente aber die kleinere Rolle, betont Blank.
Hauptsächlich wird das schwedische System von der umlagefinanzierten Einkommensrente getragen. Anders als in Deutschland wird das System durch Kapitalanlagen ergänzt. Die Ansprüche der Einzahler und die Renten werden auf Grundlage der Lohnentwicklung und der Entwicklung des Kapitalstocks angepasst. Dabei helfen soll ein spezieller Mechanismus, der Vermögen und Verbindlichkeiten des Systems in ein Verhältnis setzt und anpasst.
Die Rentenleistungen hängen davon ab, wie sich Einnahmen und Vermögen entwickeln. Für die Versicherten ist das allerdings mit Härten verbunden: So gab es in den Jahren 2010, 2011 und 2014 bereits nominale Rentenkürzungen, so Blank. Einkommensverluste der Rentnerinnen und Rentner wurden in der Vergangenheit allerdings durch Entlastungen bei der Steuer wieder ausgeglichen.
Das Land verfügt schließlich mit der Garantierente über eine steuerfinanzierte Mindestsicherung im Rentensystem. Schweden zeige, dass eine Grundrente grundsätzlich machbar ist, erklärt Blank. Er weist aber auch darauf hin, dass die Garantierente für sich genommen nicht armutsfest ist. Ihr Höchstbetrag lag 2021 bei umgerechnet 850 Euro für Alleinstehende, der Betrag verringert sich mit zunehmender einkommensbezogener Rente. Hinzu kommt: Es sind etwa 40 Jahre Aufenthalt in Schweden nötig, um die Garantierente voll beziehen zu können - eine Bedingung, die viele Zuwanderer nicht erfüllen können.
Insgesamt zeige die Untersuchung, dass auf der Leistungsseite die Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden nicht so groß sind, so der WSI-Experte. Auch laut Berechnungen der OECD liegen die aktuellen Rentenzahlungen beider Länder nahe beieinander. Blank stellt fest:
Mit Blick auf die Leistungen spielen Schweden und Deutschland etwa in einer Liga.
Und: Wie sich in der Vergangenheit gezeigt habe, können Schwankungen auf den Kapitalmärkten zu Einbußen bei Ansprüchen und Renten führen. Das deutsche System wirke da stabiler, sagt Blank. Insofern tauge das schwedische Modell kaum als Vorbild.
Die vollständige Analyse "Rente: Eignet sich Schweden als Vorbild für Deutschland?" gibt es hier als zum downloaden.