Im letzten Jahr stand die Vertrauenswürdigkeit von Versicherern häufig auf dem Prüfstand. Kunden hatten beispielsweise Bedenken bei der Absicherung neuer Risiken wie dem Arbeiten im Homeoffice oder schneller Schadenregulierung nach der Flutkatastrophe im Frühsommer. Aber auch viele andere Themen spielen eine wichtige Rolle, wenn es um das Vertrauen der Kunden geht. Welche Trends sollten die Versicherer hier unbedingt auf ihre Agenda nehmen?
Nachhaltigkeit – Versicherer als Vorbild
Neue regulatorische Anforderungen sowie ein steigendes Bewusstsein der Verbraucher für die Bedeutung von Nachhaltigkeit machen ESG-Anforderungen zu einem zentralen Thema für Versicherer. Laut einer GDV-Umfrage kann sich fast jeder zweite Deutsche vorstellen, seine Police bei einem Versicherer abzuschließen, der besonderen Wert auf Umweltschutz legt. Gleichzeitig verpflichtet die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie ab August 2022 Vermittler und Versicherer, ihre Kunden zu fragen, welchen Wert sie auf ESG-Faktoren legen, so dass sie die passenden Produkte auswählen können. Damit ist das Thema Nachhaltigkeit fest im Beratungsprozess verankert. Dies ist eine große Chance für Versicherer, sich klar zu positionieren und damit das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
Versicherer können positive Veränderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorantreiben, indem sie beispielsweise bessere Versicherungsbedingungen für umweltfreundliche Geräte, Autos oder Gebäude anbieten (sogenanntes „impact underwriting“). Nachhaltiges Schadenmanagement bietet eine weitere Möglichkeit: Defekte Geräte können – soweit möglich – repariert statt ersetzt werden.
In ihrer Position als Investoren sind Versicherer zudem in der Pflicht, nachhaltige Geschäftsmodelle zu fördern, wie zum Beispiel nachhaltige Immobilien oder erneuerbare Energien. Die Doppelrolle der Versicherer als Investoren und Risikoträger verleiht ihnen große Einflussmöglichkeiten auf Einzelpersonen und Unternehmen und deren Engagement für mehr Nachhaltigkeit.
Den Kunden zur Seite stehen – effizient und transparent
Versicherungsprodukte sind in Preis und Leistungsumfang oft vergleichbar. Versicherer können jedoch mit ihrer Servicequalität entscheidende Pluspunkte bei den Kunden sammeln und diese dadurch langfristig an sich binden. Kunden erwarten, dass ein Schaden schnell und zuverlässig reguliert wird – besonders in Notsituationen wie Naturkatastrophen. Eine 24/7-Kommunikation über alle Kanäle ist hier unerlässlich, denn sie kann alle persönlichen Präferenzen der Kunden abdecken, vom persönlichen Gespräch bis zur Kommunikation über Chatbots.
Cloud-basierte Kernsysteme unterstützen eine automatisierte Schadenbearbeitung, die die operative Effizienz und damit die Kundenzufriedenheit steigert. Ein SaaS-Modell bietet schnellen Zugang zu einfach skalierbarer und marktspezifisch konfigurierbarer Software. Der Automatisierungsgrad im Schadenmanagement wird definitiv weiter zunehmen. Analytics-Tools können Kundendaten für eine zügige und transparente Schadenbearbeitung kanalübergreifend aggregieren und analysieren. So ist der Kunde immer genau über den Bearbeitungsstatus informiert und fühlt sich in jeder Phase von seinem Versicherer gut betreut.
Ein wachsender Data-Analytics Trend für Versicherer ist die Geodatenanalyse, deren weltweiter Umsatz bis 2028 bei 134 Milliarden US-Dollar liegen wird. Anbieter von entsprechenden Lösungen sammeln Geodaten und -bilder mit Satelliten oder Drohnen. Mithilfe von KI lassen sich strukturierte Daten extrahieren, wie etwa zum Zustand von Dächern. Versicherer nutzen diese Daten zunehmend zur exakten Bewertung von Schäden an Häusern nach Naturkatastrophen. Mit der wachsenden Zahl an Wetterereignissen wird die Geodatenanalyse eine immer wichtigere Rolle für ein zügiges und zuverlässiges Schadenmanagement spielen und zu einem entscheidenden Faktor für die Kundenzufriedenheit werden.
Zusätzlich zur klassischen Risikodeckung liefert die Geodatenanalyse auch für die Risikobewertung vor der Policierung wertvolle Informationen, um Risiken profitabel zu berechnen oder im besten Falle sogar zu vermeiden. Damit rückt der Fokus von Reparatur und Ersatz hin zur Schadenprävention. Die Versicherungskunden werden zu Partnern im Risikomanagement und profitieren von einer transparenten Risikobewertung – ein weiterer Baustein für ein stabiles Vertrauensverhältnis.
Embedded Insurance: Versicherung als Anhängsel?
Verbraucher erwarten von Versicherungen dieselbe nahtlose Customer Journey wie bei Plattform-Riesen wie Amazon und Apple. Dieser Wunsch nach mehr Convenience treibt die Entwicklung von Embedded-Insurance-Modellen an. Dabei ist die Versicherung beim Kauf eines Nicht-Versicherungsproduktes integriert, etwa eine Reiserücktrittsversicherung bei einer Flugbuchung oder eine Kfz-Versicherung beim Autokauf. Dieses Konzept bietet viele Möglichkeiten, maßgeschneiderte Produkte für definierte Kundenzielgruppen zu entwickeln. Laut McKinsey werden neue digitale Ökosysteme rund um Branchen wie Wohnen, Reisen und Gesundheit entstehen, die dem Markt für Embedded Insurance ein Potenzial von 3 Billionen US-Dollar bringen könnten.
Manch klassischer Versicherer sieht hier die Gefahr, in einem solchen Szenario als reiner Risikoträger in den Hintergrund zu rücken und als Marke an Bedeutung zu verlieren. Dies ist ein verständlicher Einwand, aber letztlich geht es darum, das Prämienvolumen zu steigern. Versicherer sollten jedoch auch selbst innovative Modelle entwickeln. Eigene Ökosysteme und Plattformen können die Möglichkeit bieten, Produkte und Dienstleistungen außerhalb des klassischen Versicherungs-Spektrums anzubieten. Warum sollte zum Beispiel nicht ein Versicherer selbst eine Reiseplattform anbieten?
Fahrzeugdaten für personalisierte Policen
Fast die Hälfte der Führungskräfte aus der deutschen Versicherungsbranche erwartet, dass verhaltensabhängige, datenbasierte Tarifierungen bis 2023 am Markt an Relevanz gewinnen werden. Hierzu zählen auch Telematik-Daten, die von Versicherern erfasst und ausgewertet werden, um Rabatte in der Kfz-Versicherung für eine vorausschauende und sichere Fahrweise zu gewähren. Der Verband der Automobilindustrie möchte mit seiner Datenplattform Adaxo, in die alle relevanten Daten aus Fahrzeugen fließen sollen, Daten zentral an Versicherer oder Behörden vermarkten.
Versicherer wehren sich vehement gegen diese Pläne und verweisen darauf, dass der Datenzugriff in der Entscheidung des Kfz-Halters oder -Fahrers liege. Denn Versicherer sind zur Entwicklung personalisierter Produkte auf Fahrzeugdaten angewiesen. Die Debatte zeigt, wie wichtig es für Versicherer ist, sich als Partner ihrer Kunden zu positionieren, dem die Kunden Daten anvertrauen, um attraktive Angebote zu erhalten.
Das Jahr 2022 wird für Versicherer in vielen Facetten vom Thema Vertrauen geprägt sein. Alle Interaktionen mit ihrem Versicherer müssen für die Kunden einfach, komfortabel und transparent sein, so dass sie ihren Versicherer als einen vertrauenswürdigen Partner erleben. Die Versicherer ihrerseits müssen sich auf ihr IT-System verlassen können, um ein kundenorientiertes und profitables Geschäft zu betreiben. Nur auf dieser Grundlage kann die Branche die kommenden Herausforderungen meistern.
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