Die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der Evaluation zum LVRG gelieferten Daten über die Provisionszahlungen an Versicherungsvermittler sind grob fehlerhaft. Diese falsche Datenbasis ist nicht nur Grundlage des LVRG Evaluationsberichts des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestages, sie bildet auch das wacklige Gerüst für die Begründung des Gesetzes zur Einführung eines Provisionsdeckels in der Lebensversicherung.
Der VOTUM Verband hatte von Beginn an darauf aufmerksam gemacht, dass die thematische Verquickung der Deckelung von Provisionen in der Lebensversicherung mit denen der Restschuldversicherung unzulässig ist. Es handelt sich bei den jeweiligen Erhebungen um zwei getrennt voneinander zu beurteilende Sachverhalte, die einem gänzlich unterschiedlichen Vermittlerumfeld entspringen.
Restschuldversicherungen werden nahezu ausschließlich von Banken im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem angebotenen Kreditvertrag vermittelt. Die Vermittlung von Lebensversicherungen erfolgt jedoch in einem heterogenen Markt, durch registrierte Versicherungsvermittler, entweder in der Form von Ausschließlichkeitsagenten eines Versicherers oder Mehrfachagenten, beziehungsweise Versicherungsmaklers mit eigenständiger Registrierung und den dazugehörigen eigenverantwortlichen Beratungskonzepten.
Während bei der Restschuldversicherung Missstände und Exzesse bei der Provisionierung von Abschlüssen festzustellen waren, zeigt sich im Bereich der Lebensversicherung ein anderes Marktbild. Hier haben das LVRG und der funktionierende Wettbewerb in einem breit diversifizierten Markt tatsächlich zu sinkenden Abschlusskosten geführt und Provisionsexzesse waren nicht zu beobachten, wie sich aus den Daten der Quelle LV-Check 2019 ergibt. Ferner wurde durch das hartnäckige Nachfragen des Branchendienstes Versicherungstip das mangelhafte Datengerüst der BaFin offengelegt.
Die BaFin hat gegenüber der Politik in ihrer Evaluation durch den Eindruck erweckt, sie sei in der Lage die Entwicklung der Provisionshöhen in der Lebensversicherung je Vertriebsweg bis in die zweite Nachkommastelle genau darzulegen.
Nunmehr musste sie einräumen, dass sie von den Versicherern die Provisionszahlung für Lebens- und Restschuldversicherungen gemeinsam erfasst hat. Die Vermengung dieser Daten führte nicht nur zu absurden Ergebnissen, sondern auch zu entsprechend falschen Rückschlüssen in dem verantwortlichen BMF. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP gab das erste Mal Anlass, dass die Daten der BaFin in Frage zu stellen sind. In der Bundestagsdrucksache 19/10059 vom 10.05.2019 wurde als Antwort auf die Frage 4) der nach der Höhe der Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung folgende von der BaFin zur Verfügung gestellte Tabelle veröffentlicht:
Die Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass Ausschließlichkeitsvermittler im Maximum 9,03 Prozent und Mehrfachvermittler sogar Provisionen in Höhe von 10,76 Prozent für die Vermittlung einer Lebensversicherung erhalten haben. Diese Zahlen sind weit überhöht und stehen in keinem Bezug zu den realen Erlösen der vermittelnden Unternehmen. Selbst bei großen Mehrfachagenten, die den Versicherern durch ihre umfassenden Leistungen erhebliche Vertriebstätigkeiten abnehmen, rangieren die Maximalzahlungen bei der Hälfte der hier behördlich veröffentlichten Fantasiewerte.
Diese Tabelle hat dennoch weiter Verwendung gefunden und wird in dem überarbeiteten Gesetzesentwurf des BMF vom 14.06.2019 (bisher nicht offiziell veröffentlicht) als Begründung für die Erforderlichkeit von Begrenzungen angeführt.
Wie kann es zu einer solchen Fehlleistung kommen?
Die Aufklärungspflicht liegt hier bei der BaFin. Nach den Recherchen des Versicherungstip drängt sich die Antwort auf: Wenn der gleiche Versicherer an die BaFin kumuliert sowohl die Provisionszahlungen in seiner Lebensversicherungssparte und für die Vermittlung von Restschuldversicherungen meldet, in letzterer jedoch Provisionen in Höhe von deutlich über 50 Prozent der Prämie zahlt, entsteht insgesamt ein völlig verzerrtes Bild.
Dies hätte den Verantwortlichen bei der BaFin – insbesondere den ehemaligen Praktikern - auffallen müssen. Der zuständige Exekutivdirektor Frank Grund hatte selbst in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Basler Versicherung und der Deutsche Ring Leben Provisionszahlungen zu verantworten. Derartige Höhen wie sie sein Amt nunmehr gegenüber dem Ministerium und der Politik gemeldet hat, hat Grund auch vor der Umsetzung des LVRG sicher nicht an seinen leistungsstärksten Vertrieb ausgezahlt. Die Falschdarstellung hätte auffallen müssen, zumal er selbst sich auf Basis dieser Daten für eine Intervention der BaFin ausspricht, sollte es nicht zu einer Maßnahme des Gesetzgebers kommen.
Die Konsequenz aus dieser Fehlleistung bei der Datenerhebung muss eine Neubesinnung sein, fordert Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand des VOTUM Verbandes. Der Stopp des Gesetzgebungsverfahrens ist die einzig mögliche Schlussfolgerung. Der erfahrene Rechtsanwalt ist sich sicher:
„Ohne eine glaubhafte und belastbare Datenbasis können weder das BMF noch die Bundesregierung ein Gesetz beraten, welches im erheblichen Maß in die grundgesetzlich geschützte Gewerbefreiheit eingreift. Die Bundestagsabgeordneten müssen darauf vertrauen können, dass sie hier nicht auf der Basis manipulierter Daten zu einem Handeln gedrängt werden, welches weder erforderlich noch angemessen ist. Vor dem Bundesverfassungsgericht ist ein Gesetz, welches auf einer derart unseriösen Datenbasis beruht, ohne jede Chance.“
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