Baukonjunktur kann die deutsche Wirtschaft nicht stabilisieren

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Die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft leidet besonders stark unter der fehlenden globalen Nachfrage und wird daher im Gesamtjahr 2023 eine gesamtwirtschaftliche Schrumpfung verzeichnen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Deutschland in diesem Jahr einen Rückgang um 0,5 Prozent und korrigiert damit seine Prognose vom Juli nochmals nach unten.

Ein Kommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL

Carsten Mumm, Chefvolkswirt, DONNER & REUSCHEL Aktiengesellschaft © DONNER & REUSCHEL Aktiengesellschaft

Anders als in den vergangenen Jahren fällt derzeit auch die Bauwirtschaft als Stabilisator aus. Denn die seit 2022 massiv gestiegenen Zinsen und die schon seit Jahren stetig steigenden Kosten würgen die Baukonjunktur in Deutschland ab:

Allein 2022 haben sich die Hypothekenzinsen bei einer Zinsbindung von 10 Jahren von rund einem auf bis zu 4 Prozent pro Jahr vervierfacht. Nach einer längeren Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau setzten die Zinsen im Zuge anhaltend restriktiver Notenbankpolitiken sogar kürzlich zu einem erneuten Sprung deutlich über 4 Prozent-Marke an.

Im September 2023 stieg nach Angaben des ifo-Instituts der Anteil der von Auftragsstornierungen im Wohnungsbau betroffenen Unternehmen auf einen Höchststand von 20,7 Prozent. Insgesamt44,2 Prozent der befragten Unternehmen berichten von einem Auftragsmangel und knapp 12 Prozent vermelden Finanzierungsschwierigkeiten.

Neben Kosten und Zinsen werden auch die verschärften Auflagen zur Steigerung der Energieeffizienz als Bremsfaktoren genannt. Entsprechend sinkt die Anzahl der Baugenehmigungen seit Monaten drastisch. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl genehmigter Wohnungen von Januar bis Juli 2023 um 27,8 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Im Segment der Zweifamilienhäuser fällt das Minus mit mehr als 50 Prozent sogar noch massiver aus.

Es gibt auch Anzeichen der Stabilisierung

So vermeldete das Statistische Bundesamt für Juli einen Anstieg der Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat sowie real und kalenderbereinigt um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Hochbau sank der Auftragseingang zwar im Vorjahresvergleich um 9,4 Prozent, gegenüber dem Vormonat legten die neuen Aufträge aber um 4,4 Prozent zu.

Zudem war im zweiten Quartal eine Stabilisierung von Preisindizes zu verzeichnen. Gemessen am German Real Estate Index (GREIX) lagen die Preise für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser Ende des zweiten Quartals zwar rund 10 beziehungsweise 20 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres, konnten im Vergleich zum Ersten Quartal 2023 aber zumindest leicht zulegen.

Die Preise für Eigentumswohnungen gaben gegenüber dem Vorquartal nur noch leicht um 0,3 Prozent nach. Materialengpässe spielen aufgrund des Nachfrageeinbruchs kaum noch eine Rolle und der Anstieg von Baupreisen und Kreditvergabestandards der Banken hat deutlich nachgelassen. Um eine größere Insolvenzwelle im Bausektor und dadurch den Verlust künftig benötigter Kapazitäten zu vermeiden, reagiert auch die Politik:

Wirtschaftsminister Habeck kündigte vor dem Baugipfel mit Kanzler Scholz Ende September an, dass der geplante neue Energieeffizienzstandard EH 40 vorerst nicht eingeführt werden soll. Auch wenn die Ergebnisse des Gipfeltreffens von Politik und Bauwirtschaft im Detail kritisiert werden, verdeutlichen sie doch die Unterstützung für eine erhebliche Ausweitung des Wohnungsbaus – angesichts eines schon seit Jahren bestehenden massiven Unterangebots.

Fazit

Zinsen bei längeren Laufzeiten dürften in den kommenden Monaten angesichts weiter sinkender Inflationsraten und voraussichtlich nicht weiter steigender Leitzinsen tendenziell nachgeben. Insgesamt nimmt damit die Wahrscheinlichkeit einer Stabilisierung der pessimistischen Stimmungslage im Bausektor in den kommenden Monaten zu.

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