Banken und Finanzdienstleister sind gefordert, einen höheren Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit zu leisten. Digitale Prozesse können dabei helfen. Ein Grund mehr, die Strategie umzukrempeln und zu digitalisieren.
Von Sandra Zey, Global Account Director, Financial Services bei OpenText
In den kommenden fünf Jahren wird der Klimawandel eines der größten Risiken für Banken und Finanzdienstleister darstellen. Darin sind sich laut der elften Risikomanagement-Umfrage von EY/IFF 90 Prozent der Risikomanager und -vorstände einig. Hier ist zwischen den physischen Risiken und Transitionsrisiken zu unterscheiden. Erstere umfassen klimabedingte Veränderungen wie immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse. Davon können Eigentum und Gebäude oder sogar Kunden einer Bank direkt betroffen sein.
Transitionsrisiken hingegen wirken sich auf die Produkte und Services aus, während Banken auf einen kohlenstoffärmeren Betrieb umstellen. Dazu zählen zum Beispiel (hohe) Investitionen, die in nachhaltigkeitsfördernde Maßnahmen fließen wie das Ausstellen von Emissionszertifikaten, die Einführung von modernen Technologien oder die Sanierung von Gebäuden. Der Klimawandel führt Banken und Finanzdienstleistern die eigene ESG-Verantwortung (Environmental – Social – Governance) vor Augen. Die Entwicklung hin zu Sustainable Finance kommt dabei nicht von ungefähr.
Was den Wandel antreibt
Banken sehen sich gleich an drei Fronten einem enormen Druck ausgesetzt, der die Prioritätenverschiebung innerhalb des Finanzsektors weltweit beeinflusst:
1. Regulierung
Die Gesetzgeber spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn die Regulierungslandschaft rund um die ESG-Verantwortung von Banken und Finanzdienstleistern wächst. Sowohl die EU als auch die Bundesregierung und die BaFin haben Richtlinien aufgestellt, an denen sich der Finanzsektor orientieren kann, um eine nachhaltige Finanzwirtschaft sowie das Erreichen der gesetzten Nachhaltigkeitsziele zu fördern. Im Zentrum stehen vor allem das Risikomanagement sowie Mittel und Wege, um die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.
2. ESG-Präferenzen
Seit 2022 sind zudem die nachhaltigkeitsrelevanten Präferenzen vonseiten der Kunden zu berücksichtigen, das heißt, auch Kunden üben einen gewissen Handlungsdruck auf Banken aus. Sowohl die zahlreichen Aktivisten, deren Proteste gegen den Klimawandel immer öfter den Weg in die Mainstream-Medien finden, als auch die sich häufenden Extremwetterereignisse haben einen einschlägigen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung.
Daher gewinnt das Thema Nachhaltigkeit auch im Finanz-Kontext immer mehr an Bedeutung.
Bankkunden erwarten, dass sich ihr Finanzinstitut aktiv und offenkundig engagiert. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie zu „Digital Finance“ ist dieser Punkt unter den Top 5 der wichtigsten Aspekte zu finden. Kommen Banken diesen Erwartungen nicht nach, könnten ihre Kunden zu einer Konkurrenzbank abwandern, die ihre ESG-Verantwortung wahrnimmt. Laut Bitkom besteht ohnehin schon eine hohe Wechselbereitschaft aufseiten der Filialbankkunden.
3. Workforce
Zu guter Letzt spielt auch die Meinung der Workforce eine entscheidende Rolle. Laut einer aktuellen, von Stepstone unter 12.000 Beschäftigten durchgeführten Umfrage empfindet es die Mehrheit (76 Prozent) als wichtig, dass ihr Arbeitgeber Nachhaltigkeitsthemen einen hohen Stellenwert beimisst. Beinahe die Hälfte der Teilnehmenden würde gezielt nach einem nachhaltigen Arbeitgeber suchen, wenn ein Jobwechsel bevorstünde.
Und jeder Dritte würde eine Kündigung erwägen, wenn sich das eigene Unternehmen für ein umweltschädliches Projekt einsetzen würde. Auch mit Blick auf den Nachwuchs sollten Banken ihr ESG-Engagement nach außen tragen, denn laut einer aktuellen Universum-Umfrage berücksichtigt dies etwa die Hälfte (48 Prozent) der jungen Talente bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers.
Die Kombination dieser drei Einflussfaktoren lässt Finanzeinrichtungen nur einen begrenzten Handlungsspielraum. Um nicht an Umsatz oder Personal einbüßen zu müssen, brauchen Vertreter der Finanzbranche eine solide ESG-Strategie, nachhaltigkeitsfördernde Prozesse sowie digitale Technologien.
Den neuen Anforderungen begegnen
Grundsätzlich sollten Banken mit gutem Beispiel vorangehen und auf umweltfreundliche interne Betriebsabläufe umsteigen. Zwar gibt es dafür keine „One size fits all“-Lösung, aber auch kleine Veränderungen bewirken etwas. Der Schritt weg von traditionell papierlastigen hin zu digitalen Prozessen ist eine gute Grundlage, um für Kunden und Mitarbeitende ein Umfeld zu schaffen, in dem bestimmte Services und Angebote nahtlos miteinander verknüpft sind. Dabei sollten „saubere“ Technologien zum Einsatz kommen, die den Nachhaltigkeitsanforderungen genügen.
Gleichzeitig sollten auch die Produkte und Services, die Banken ihren Kunden anbieten, einen hohen Nachhaltigkeitsanspruch verfolgen und die gesetzten Ziele unterstützen. Dies lässt sich zum Beispiel mithilfe nachhaltiger Lieferkettenprozesse erreichen – im Idealfall in Verbindung mit digitalen Lieferkettenlösungen. Dadurch behalten sie einen Überblick darüber, ob ihre Partner und Kunden ähnliche Nachhaltigkeitsstandards verfolgen. Einige Banken bieten mittlerweile „grüne“, nachhaltige Kredite an für Unternehmen, bei denen sich die Konditionen zugunsten der Kreditnehmer verbessern, wenn sie nachhaltig agieren und investieren.
Darüber hinaus sollten Banken den Einsatz einer Customer-Lifecycle-Information-Management-Lösung (CLIM) in Betracht ziehen. Diese führt sämtliche Informationen, die sich über verschiedene Systeme verteilen, zentral zusammen. Banken erhalten im Zuge dessen einen transparenteren Einblick in Kundendaten, deren Analyse wichtige Informationen zu den Erwartungen und Prioritäten der Kunden liefert. Dadurch können sich Finanzeinrichtungen stärker auf ihre Kunden ausrichten und personalisierte Angebote und Services entwickeln und verbessern – einschließlich der wachsenden Nachfrage nach einem höheren Nachhaltigkeitsengagement.
Fazit
Zwar lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels nicht von heute auf morgen verändern, gemeinsam können wir aber daran arbeiten, sie Schritt für Schritt einzudämmen. Dafür ist auch im Finanzsektor ein Umdenken notwendig: Je schneller Banken und Finanzdienstleister auf digitale und nachhaltige Prozesse umstellen, desto eher können sie sich den wachsenden Anforderungen und Herausforderungen stellen.
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