Wann entsteht aus einem Asset Deal (Bestandsverkauf) ein Betriebsübergang mit der Haftungsfolge des Käufers?

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Wenn Sie einen Bestand kaufen, kaufen Sie dann eventuell auch die Haftung aus dem Bestand gleich mit? Was ist ein Betriebsübergang und wann liegt der vor? Und hätten Sie in diesem Fall über Ihre Vermögensschadenhaftpflichtversicherung Versicherungsschutz?

Dr. Robert Boels Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, erläutert entscheidende Fragen zum Asset Deal

1. Grundsatz der Einzelrechtsnachfolge des Asset Deals

Dr. Robert Boels, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Überträgt ein Versicherungsmakler seinen gesamten Kundenbestand oder einen Teil seines Bestandes durch einen Asset Deal, kann eine vollständige Haftungsübernahme des Käufers für Fehler des Vormaklers grundsätzlich vermieden werden, da der Käufer die Verträge mit den einzelnen Kunden lediglich fortsetzt.

Für die Durchführung eines Asset Deals ist eine gute Vertragsdokumentation des veräußernden Versicherungsmaklers auch hinsichtlich bereits älterer Kundenverträge erforderlich. Denn es müssen für eine künftige Bearbeitung des Bestandes durch den Käufer die Rechte des Versicherungsmaklers aus den Verträgen, die den zu veräußernden Bestand betreffen, einschließlich der den Bestand selbst bildenden Einzelverträge mit den Kunden und deren Vollmachten, nach §§ 398, 413 BGB auf den Käufer übertragen werden.

Die Veräußerung des Kundenbestandes durch einen Asset Deal bedarf zudem einer sehr engen rechtlichen Begleitung, damit weder bei Kunden noch bei deren Vertragspartnern der Eindruck entsteht, der Käufer übernehme im Rahmen eines sogenannten „Betriebsübergangs“ die gesamten Rechtspositionen des Vormaklers (Gesamtrechtsnachfolge) oder er erkläre ungewollt „konkludent“ einen Schuldbeitritt und übernehme damit eine gesamtschuldnerische Haftung im Sinne des § 421 BGB für den Veräußerer!

2. Was ist ein Betriebsübergang?

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb als wirtschaftliche Einheit unter Wahrung seiner Identität auf einen neuen Inhaber übergeht und von diesem tatsächlich fortgeführt wird. Es bedarf also eines Wechsels der natürlichen oder juristischen Person, die den Betrieb unter Wahrung der Betriebsidentität in eigenem Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt.

Tritt zum Beispiel eine natürliche oder juristische Person in das Geschäft eines Einzelkaufmanns oder einer Personengesellschaft (zum Beispiel GbR, oHG oder KG) als vertretungsberechtigter Gesellschafter bei, so haftet diese Person nach den Vorschriften der §§ 28 Abs. 1, 130 Abs. 1, § 173 HGB gleich den anderen Gesellschaftern für alle im Geschäftsbetrieb vor ihrem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten.

3. Erfolgt ein Betriebsübergang auch durch Rechtsgeschäft, also Verkauf?

Ein Betrieb kann nicht nur durch einen Inhaberwechsel übergehen, sondern bereits dadurch, dass dies vertraglich – etwa in einem Bestandskaufvertrag per Asset Deal – oder in einem sonstigen rechtsgeschäftlichen Rahmen vereinbart wird. Aber auch andere Rechtsgeschäfte wie Schenkung, Pacht, Miete oder Nießbrauch können einen Betriebsübergang zur Folge haben.

Werden in einem Rechtsgeschäft etwa sämtliche Aktiva und Passiva eines Unternehmens übertragen, liegt ein Betriebsübergang vor. Mit der Übertragung sämtlicher materiellen und immateriellen Betriebsmittel auf den Käufer wird dieser zum neuen Betriebsinhaber.

Bei einem produzierenden Betrieb liegt ein Betriebsübergang bereits vor, wenn die Produktionsstätten veräußert werden. Bei Dienstleistungsbetrieben, wie einem Versicherungsmaklerunternehmen, ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Das Unternehmen hat keinen Maschinenpark oder Produktionshallen. Der Maklerbetrieb stützt sich auf Fachwissen der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter, auf Kundenbeziehungen und auf feststehende Arbeitsabläufe.

In ständiger Rechtsprechung nehmen die Gerichte einen Betriebsübergang an, wenn eine wirtschaftliche Einheit übertragen wird (so EuGH, Urteil vom 11.03.1997, Az.: 13/95; BAG, Urteil vom 27.02.2020, Az.: 8 AZR 215/19). Ein Betriebsübergang wird demnach bereits dann angenommen, wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil einem neuen Inhaber übertragen wird, der eine wirtschaftliche Einheit bildet. Daher sollte zur Vermeidung des Anscheins eines Betriebsübergangs bei der Gestaltung des Bestandskaufvertrages darauf geachtet werden, dass neben den zu übertragenden Kundenbeständen möglichst keine weiteren Assets übertragen werden, die mit diesen eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden.

Das Risiko der Annahme eines Betriebsübergangs und der damit einhergehenden Haftungsfolgen steigt, wenn Betriebsmittel wie Räumlichkeiten, Mobiliar, Arbeitsmittel, EDV etc. übernommen werden, wenn Urheber- oder Markenrechte mit übertragen werden, wenn die Tätigkeiten nach der Übertragung ähnlich verrichtet werden, wie etwa durch Weiternutzung des Maklerverwaltungsprogramms, oder wenn Personal zur Betreuung der Kundenbestände übernommen wird.

Gegen die Annahme eines Betriebsübergangs sprechende Umstände sollten im Bestandskaufvertrag ausdrücklich hervorgehoben werden. So könnte ein Betriebsübergang abzulehnen sein, wenn der Verkäufer seine wirtschaftliche Betätigung nicht einstellt oder keine Arbeitnehmer übernommen werden, die die Bestandsbetreuung fortsetzen.

Auch wenn der Käufer den Kundenbestand fortan unter ähnlicher Firmierung betreut (ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit), kann ein Betriebsübergang angenommen werden. Schließlich wissen weder der Kunde noch sonstige Vertragspartner, dass lediglich die Kundenbestände übertragen wurden. Entscheidend ist, ob nach der Verkehrsanschauung trotz der leichten Namensänderung noch von derselben Firma ausgegangen wird und nach Treu und Glauben eine Kontinuität, auch der Haftung, erwartet werden darf. Zusätzlich können Werbeangaben (Anzeigen, Werbeschriften oder Schilder in der Außenwerbung) als Indizien für eine Betriebsfortführung herangezogen werden.

Der Käufer sollte zudem vermeiden, einen sogenannten Rechtsschein zu setzen, das heißt, nach dem Bestandskauf durch sein Verhalten den Anschein zu erwecken, die Betriebsfortführung übernommen zu haben. Behauptet beispielsweise der wenig bekannte und erfolglose Käufer wahrheitswidrig, das florierende Maklerunternehmen des Verkäufers übernommen zu haben, um mit dessen Namen zu werben und damit Makleraufträge für sich zu gewinnen, dann läuft er große Gefahr, auch für Altverbindlichkeiten des Verkäufers aus einem „Betriebsübergang“ zu haften.

4. Kann ein Betriebsübergang rückgängig gemacht werden?

Weder eine Unwirksamkeit des Bestandskaufes noch ein vereinbartes Rücktrittsrecht lassen einen Betriebsübergang entfallen (BAG, Urteil vom 31.01.2008, Az.: 8 AZR 2/07). Tatsächliche Umstände, wie eine Übertragung des Kundenbestandes, können nicht durch eine Rückübertragung aus der Welt geschafft werden. Rechtliche Mängel einer Schuldübernahme sind nach § 417 Abs. 2 BGB unerheblich.

Daher bleibt es gegebenenfalls beim haftungsbegründenden Betriebsübergang, auch wenn Kundenbestände nach Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechtes rückübertragen werden oder der Bestandskaufvertrag mangels Bestimmbarkeit des Kaufpreises wegen Scheingeschäfts, Sittenwidrigkeit, Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz oder aus anderen Gründen nach §§ 117, 138, 134 BGB wirksam angefochten wird.

5. Haftungsfolgen des Käufers bei Annahme eines Betriebsübergangs

Bei jedem Betriebsübergang gehen zum Beispiel gemäß § 613a BGB alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen des übergegangenen Betriebes automatisch auf den Erwerber über. Übernimmt der Käufer beispielsweise den Kundenbestand eines Maklerunternehmens mit drei Angestellten und noch ausstehenden Lohnforderungen, so haftet der Käufer für diese Lohnforderungen nach § 613a BGB in Verbindung mit dem jeweiligen Arbeitsvertrag.

Im Bestandskaufvertrag sollte daher ausdrücklich erklärt werden, dass keine Arbeitsverhältnisse bestehen, die übergehen könnten, und vorsorglich vereinbart werden, dass etwaige Verpflichtungen aus laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und aus unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei dem Verkäufer verbleiben. Andernfalls sollte der Verkäufer dem Käufer die Freihaltung auf erstes schriftliches Anfordern erklären und sich zum Ersatz aller eventuellen Schäden verpflichten.

Der Käufer haftet bei einem Betriebsübergang gemäß § 75 AO immer auch für Steuerschulden des Betriebs, die im letzten Jahr vor der Veräußerung entstanden sind (insbesondere Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Gewerbesteuer), allerdings anders als bei § 25 HGB nur mit dem Betriebs- und nicht mit dem Privatvermögen. Daher sollte der Verkäufer den Käufer im Bestandskaufvertrag vorsorglich von jeglicher Haftung, insbesondere der gemäß § 75 AO, ausdrücklich freistellen.

Haften der Verkäufer und der Käufer aufgrund eines anzunehmenden Betriebsübergangs gesamtschuldnerisch, so können die Kunden und Vertragspartner ihre Ansprüche wahlweise entweder gegen den Verkäufer oder den Käufer in vollem Umfang geltend machen. Wen von beiden sie dabei auswählen, liegt in ihrem freien Ermessen. Während die Haftung des Verkäufers nach § 160 Abs. 1 HGB auf fünf Jahre begrenzt ist (Nachhaftung), haftet der Käufer dann weiterhin nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften für Schäden aus Vertragspflichtverletzungen drei Jahre ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, jedoch maximal zehn Jahre.

Für den Käufer besteht also nach Ablauf der Nachhaftung des Vormaklers das Risiko, als allein verbliebener Schuldner in Anspruch genommen zu werden. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ersetzt bekommen, da die Versicherung frühere Pflichtverletzungen des Vormaklers vermutlich nicht umfasst. Daher bleiben dem Käufer in diesen Fällen nur die Streitverkündung im Prozess, sowie der anschließende Regress bei dem hoffentlich solventen Vormakler und seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.

Vorsorglich sollte sich der Verkäufer im Bestandskaufvertrag dazu verpflichten, persönlich für die Befriedigung von Haftungsansprüchen einzustehen, die aus einer falschen oder unterlassenen Beratung gegenüber seinen Kunden resultieren, und Ansprüche wegen Pflichtverletzung, die den Zeitpunkt ihrer Entstehung vor der Übertragung des Kundenbestandes hatten, zu tragen. Eine eventuelle Mithaftung des Käufers sollte im Bestandskaufvertrag ausdrücklich abbedungen werden.

Zur Abwendung der wirtschaftlichen Folgen könnte es für den Käufer auch bei einem Bestandskaufvertrag sinnvoll sein, seinen Vertrag mit der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung um eine Subsidiär-Deckung oder eine Rückwärtsversicherung hinsichtlich des erworbenen Kundenbestandes zu erweitern. Der Vorteil einer solchen Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten, die dann bereits bei Vertragsschluss bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt werden können.

6. Fazit

Bei einem Bestandskaufvertrag geht also nicht automatisch die Haftung auf den Erwerber über. Es empfehlen sich aber klare Regelungen innerhalb des Bestandskaufvertrages, dass die Haftung beim Veräußerer verbleibt, sodass gegebenenfalls seine Berufshaftpflichtversicherung eintrittspflichtig bleibt.

Erwerben Sie aber eine „wirtschaftliche Einheit“, mit weiteren Betriebsmitteln oder Arbeitskräften, so kann dies als Betriebsübergang bewertet werden. Dies hätte dann zur Folge, dass Sie auch für die Beratungshaftung und sonstige Altverbindlichkeiten hinsichtlich der übernommenen (Alt-) Verträge einzustehen hätten.

Der Bestandskaufvertrag sollte also so konzipiert sein, dass aus der vertraglichen Regelung heraus kein Betriebsübergang anzunehmen ist. Korrespondierend damit muss natürlich auch das tatsächliche Verhalten des Erwerbers sein. Fehlt es an einem Betriebsübergang, fehlt es auch an der Haftung für Altverbindlichkeiten!

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