Die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen weiter aufgehellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist dementsprechend erneut gesunken, und zwar den vierten Monat in Folge.
Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Zum ersten Mal seit Februar 2022 schaltet der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator auf „gelb-grün“. Das steht für ein moderates Wachstum.
Für die drei Monate von Februar bis Ende April weist der Indikator, der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, ein Rezessionsrisiko von 21,7 Prozent aus. Anfang Januar waren es noch 29 Prozent für die folgenden drei Monate.
Die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, ist mit 16,4 Prozent zwar weiterhin relativ hoch und nur wenig zurückgegangen. Rezessionswahrscheinlichkeit und Streuung zusammengenommen unterschreiten nun aber die Schwelle, ab der der Indikator eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit ausweist, wie sie noch im Januar durch die Ampelphase „gelb-rot“ signalisiert wurde.
Exportaussichten hellen auf
Die erneute Entspannung bei der Rezessionswahrscheinlichkeit ergibt sich im Wesentlichen aus positiven Trends bei Stimmungs- und Finanzmarktindikatoren, die das IMK-Konjunkturradar erfasst. Insbesondere die Exportaussichten hellen sich auf, unter anderem weil sich die US-Wirtschaft trotz hoher Zinsen robust entwickelt und sich die wirtschaftliche Situation in China normalisiert.
Der Einkaufsmanagerindex für Deutschland hat die Expansionsschwelle erreicht, für den Euroraum überschreitet er sie bereits. Uneinheitlich sind die Signale aus der Realwirtschaft, daher haben sie aktuell keinen großen Einfluss auf die Entwicklung des Indikators. So zeigten die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe zuletzt nach oben, was aber stark durch mehrere Großaufträge bestimmt ist. Die Produktion in Industrie und Baubranche war hingegen rückläufig.
Die neue Drei-Monats-Vorschau des Indikators stehe im Einklang mit der aktuellen Konjunkturprognose des IMK, nach der ab dem zweiten Quartal mit einer konjunkturellen Erholung zu rechnen ist, erklärt Konjunkturforscher Dr. Thomas Theobald:
Die deutsche Wirtschaft dürfte die Talsohle durchschritten haben.
Doch trotz der positiveren Aussichten blieben konjunkturelle Unsicherheiten, sagt der IMK-Experte. „Ob die Erholung im Jahresverlauf aber mehr als ein gedämpftes Wachstum erlaubt, ist angesichts weiter steigender Zinsen mit einem Fragezeichen zu versehen. Als Sorgenkind erweist sich zudem die Entwicklung der Produktion in energieintensiven Industriezweigen.“
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
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Rezessionswahrscheinlichkeit steigt auf knapp 80 Prozent
Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate kurzfristig so deutlich gestiegen ist, geht wesentlich auf die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren zurück, was das IMK auch mit der Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank im Juni in Verbindung bringt.
Rezessionswahrscheinlichkeit weiterhin im roten Bereich
Zwar ist für den Zeitraum von August bis Ende Oktober die Rezessionswahrscheinlichkeit um 7 Prozentpunkte auf 71,5 Prozent gesunken. Doch liegt dieser Wert weiter über der Grenze, ab der der nach dem Ampelsystem arbeitende IMK-Konjunkturindikator eine akute Rezessionsgefahr („rot“) markiert.
IMK-Konjunkturindikator auf „gelb-grün“
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist in den vergangenen Wochen geringfügig gestiegen, bleibt aber auf relativ niedrigem Niveau. Für die Zeit von Anfang März bis Ende Mai beziffert der Konjunkturindikator dieses Risiko mit 23 Prozent.
Weiter sinkendes Rezessionsrisiko
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