Bundesjustizminister Marco Buschmann hat in der Ministerpräsidentenkonferenz am 8. Dezember 2022 einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden eine Absage erteilt. In einem Gespräch mit dem Handelsblatt verwies er auf die aktuellen hohen finanziellen Belastungen der deutschen Haushalte. Obgleich er dabei erkennen ließ, dass das auch die Linie der Regierungskoalition sei, gab es Widerspruch von den Koalitionspartnern und den Bundesländern. Der BdV kritisiert diese Entwicklung.
„Steuerzahlende und Versicherte haben null Verständnis für dieses Rumeiern. Es geht nicht an, dass man auf die wiederkehrenden Naturkatastrophen immer nur hastig mit milliardenschweren Nothilfepaketen reagiert, statt sich um eine tragfähige Risikovorsorge zu kümmern. Und es ist nicht nachhaltig, wenn man Staatsmittel für den Wiederaufbau der betroffenen Gebiete einsetzen muss und sie nicht für die dringend gebotene bauliche Gefahrenprävention verwenden kann“, meint BdV-Vorstand Stephen Rehmke.
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hatte die seit über zwanzig Jahren währende Diskussion um die Einführung einer Versicherungspflicht zumindest verbal wieder an Fahrt gewonnen. Bundesweit verfügen nur knapp die Hälfte aller Wohngebäude über eine zusätzliche private Versicherung gegen Naturgefahren.
Im Katastrophenfall stehen viele Hauseigentümer*innen ohne ausreichenden Versicherungsschutz da und müssen auf Unterstützung durch die öffentlichen Haushalte hoffen. Auch nach Starkwetterereignissen gehen beim BdV regelmäßig Anfragen von ratlosen Bürgerinnen ein.
Nachdem auch die Bundesländer für eine Pflichtversicherung lange Jahre wenig Handlungsbedarf und eher rechtliche Hürden gesehen hatten, forderten sie jetzt eine bundesweit verpflichtende Lösung. Der dem heutigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zugeordnete Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) sprach sich im Februar 2022 nach einer umfangreichen interdisziplinären Studie in einem Policy Paper für eine Versicherungspflicht aus.
Eine zum wiederholten Mal von der Justizministerkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe stellte dann im Juni 2022 fest, dass ihr keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) bat die Bundesregierung, „die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden anhand eines konkreten Regelungsvorschlags zu prüfen“ und darüber im Dezember zu berichten.
Statt eines Vorschlags kam zur allgemeinen Verwunderung von dort eine Absage. Justizminister Buschmann stellt sich mit seiner Ablehnung auf die Seite der Versicherer. Deren einflussreicher Lobbyverband GDV will auf mehr Informationen setzen, um eine höhere Versicherungsdichte zu erreichen und fordert von der Regierungsseite zunächst einmal bessere Präventionsmaßnahmen, um die Aufwendungen für Schäden gering zu halten.
Mit dieser Aufklärungsstrategie erhöhte sich die Versicherungsquote in den letzten zwanzig Jahren – mit den großen Hochwasserkatastrophen in den Sommern 2002, 2013 und 2021 – von etwa 20 auf nunmehr knapp 50 Prozent. Rehmke konstatiert:
Die Klimafolgenanpassung ist ein verfassungsrechtliches Gebot.
Der Klimawandel lasse keine weitere Gummistiefelpolitik zu und gebe keine Zeit für Lippenbekenntnisse und das Verschieben von Verantwortung, so der BdV-Vorstand weiter. Es brauche schleunigst ein effektives und enges gesellschaftliches Zusammenwirken und das erreiche man nur über eine flächendeckend verpflichtende Lösung.
Wenn das Bundesjustizministerium sich dieser Anforderung nicht stellen will, kann auch das Umwelt- und Verbraucherschutzministerium übernehmen. Gleichzeitig können die verärgerten Bundesländer der expliziten Aufforderung des Justizministers folgen und selbst das Heft in die Hand nehmen.
Das hat der BdV bereits sehr früh mit seinem Vorschlag einer Poollösung berücksichtigt. In einem kollektiven Pflichtsystem stellen Bundesländer zusammen mit der Versicherungswirtschaft einen Versicherungspool bereit, der durch einen Zuschlag auf die Grundsteuer finanziert wird.
Die Gebäudeeigentümer*innen zahlen also eine höhere Grundsteuer und erhalten dafür einen Basisschutz. Diejenigen, die eine private Versicherung für Elementarschäden nachweisen können, werden von dieser Steuer befreit. „Wir halten das für eine nachhaltige und tragfähige Lösung und freuen uns, wenn sie Eingang in die Diskussion findet“, so Rehmke.
Wie eine Elementarschadenversicherung für alle nachhaltig ausgestaltet werden kann, und welche Lösungen es jenseits der Gummistiefel-Politik gibt, diskutiert der BdV am 11. und 12. Mai mit Expertinnen auf seiner Wissenschaftstagung in Hamburg.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Immobilien vor Beginn der Starkregensaison absichern
Nur etwa die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland ist gegen alle Naturgefahren versichert. Da mit steigenden Frühlingstemperaturen die Gefahr durch extreme Niederschläge, Überschwemmungen und Hochwasser wieder zunimmt, sollten Immobilienbesitzer jetzt ihren Versicherungsschutz aktualisieren.
Starkregenbilanz: 12,6 Milliarden Euro Schäden in 20 Jahren
Statistisch gesehen war jedes zehnte Haus seit 2002 von Starkregen betroffen. Die Beseitigung der Folgen kostete betroffene Hausbesitzer durchschnittlich 7.600 Euro. Lediglich 52 Prozent der Hausbesitzer schützen sich vor diesen finanziellen Folgen durch eine Elementarschadenversicherung.
Führen Klimaschäden zur Prämienverdoppelung in der Wohngebäudeversicherung?
Wenn Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umgesetzt werden, könnte es in Deutschland nach GDV-Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen.
Nach wie vor zu viele Neubauten in Überschwemmungsgebieten
In hochwassergefährdeten Zonen wird nach wie vor zu viel neu gebaut. In Deutschland sind seit dem Jahr 2000 rund 2,7 Millionen neue Wohngebäude entstanden – über 32.000 davon in Überschwemmungsgebieten. Pro Jahr kamen also etwa 1.000 bis 2.400 neue Wohngebäude in den Risikogebieten hinzu.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
BVK unterstützt neue Bundesregierung – und stellt klare Bedingungen
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat sich zur neuen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD positioniert und sich dabei ausdrücklich zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bekannt. Gleichwohl stellt der Verband klare Erwartungen – insbesondere im Bereich der privaten Altersvorsorge, der Provisionsvergütung und bei regulatorischen Fragen.
„Das, was wir sehen, reicht bei weitem nicht.“ – Rentenreform bleibt Mammutaufgabe
Mit dem heutigen Beginn der Kanzlerschaft von Friedrich Merz rückt auch die Altersvorsorge wieder stärker in den Fokus der politischen Debatte. Bereits Ende April hatte Susanna Adelhardt, frisch gewählte Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), klare Worte zur Rentenpolitik der neuen Regierung gefunden: Die im Koalitionsvertrag skizzierten Reformansätze reichten nicht aus, um die Alterssicherung nachhaltig zu stabilisieren.
Veronika Grimm: Mütterrente ist Symbolpolitik auf Kosten der Jüngeren
Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt: Die Mütterrente mag Wählerstimmen bringen, doch sie verschärft die Schieflage im Rentensystem. Warum populäre Gerechtigkeitssignale ökonomisch riskant sind – und die junge Generation dafür zahlt. Ein Kommentar durch die volkswirtschaftliche Brille.
Mehr Flexibilität, klare Grenzen: Das ändert sich bei der Arbeitszeitregelung
Die künftige Bundesregierung plant eine grundlegende Änderung im Arbeitszeitrecht: Künftig soll die bisherige Begrenzung der täglichen Arbeitszeit durch ein neues Arbeitszeitmodell ersetzt werden. Das sieht der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD im Kapitel „Arbeit und Soziales“ vor. Welche Bereiche davon unberührt bleiben – und welche praktischen Auswirkungen die Änderung haben könnte.