„Es ändert doch nichts, wenn ich allein nachhaltiger lebe, sagen sieben Milliarden Menschen“

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Die Unternehmensberatung von Dr. Peter Schmidt, Consulting & Coaching Berlin konzentriert sich mit seiner Expertise auf die Themenbereiche Unternehmensnachfolge sowie strategische Maßnahmen für die Versicherer und Versicherungsmaklerunternehmen. Seit einiger Zeit widmet sich der bekannte Branchenexperte auch dem Thema Nachhaltigkeit.

Herr Dr. Schmidt, wie kam es zu Ihrem Engagement im IKV-Institut für Umwelt- und Klimaschutz der Versicherungswirtschaft?

Es gibt Themen aus dem persönlichen Umfeld, die man in seiner beruflichen Tätigkeit und Beratungen sowie den sozialen Medien nicht an die große Glocke hängt, die aber dennoch bedeutsam sind. Bei mir hat das Thema bereits in der Kinder- und Jugendzeit begonnen. Wir erlebten damals in den 1970er-Jahren das Baumsterben und die Umweltschäden durch den sauren Regen. Wälder innerhalb kurzer Zeit durch Umweltsünden sterben zu sehen, hat bei mir einen gewaltigen Eindruck hinterlassen. Deshalb war ich schon damals als Student bei Baumpflanzaktionen dabei und das ist bis heute

so geblieben. Mein Unternehmen ist, soweit es geht, ökologisch ausgerichtet und Nachhaltigkeit schwingt in meinen Beratungen immer mit. Dementsprechend bedurfte es nur eines kleinen Anstoßes, mich in der neuen Initiative des IKV zu engagieren.

Schildern Sie uns doch einmal den Zweck des Vereins und an wen sich der Verein wendet.
Kurz gesagt, der Zweck des Vereins ist die Förderung des Klima- und Umweltschutzes sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und der Naturschutzgesetze der Länder. Der Verein ermöglicht seinen Mitgliedern, besonders aus der Branche Versicherungen und Finanzdienstleistungen, die Teilhabe an klimaschutzfördernden Projekten, Dienstleistungen und Unternehmen. Deshalb freuen wir uns, dass die Gründungsmitglieder des Vereins die ganze Bandbreite der Branche widerspiegeln. Dabei sind namhafte Vertreter der Versicherer und natürlich auch Versicherungsmakler.

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Der Zweck der Initiative ist vielfältig. Dazu zählen unter anderem die finanzielle Beteiligung an klimaschutzfördernden Projekten, der gemeinsame Einkauf von Ressourcen und klimaschützenden Dienstleistungen und Produkten. Oder aber auch die Förderung von Projekten für die Erzeugung regenerativer Energien sowie Maßnahmen für den Klimaschutz. Dazu sammeln wir aktuell Ideen und sprechen mit Vertretern von Aktionen und Initiativen, die unterstützenswert sind.

Sind die Möglichkeiten eines Versicherers oder auch Vermittlers in Sachen Klimaschutz nicht begrenzt?
Nein, das sehen wir anders. Wie alle Bereiche der Volkswirtschaft kann jedes Unternehmen – ob groß oder klein – seine Beiträge leisten. Das beginnt mit einer nachhaltigen Aufstellung des Geschäftsmodells und einem ressourcenschonenden Workflow und setzt sich fort durch klimafreundliche Produkte und Investitionen. Seit Längerem sind zahlreiche Versicherer dabei, Investitionsströme weg von Treibhausgasemissionen hin zu Projekten alternativer Energieerzeugung zu lenken oder eigene Firmenprojekte zur Müllvermeidung, papierlosem Arbeiten oder einer umweltfreundlichen Abwasserversorgung zu etablieren. Wir wollen nun auch Vermittler gewinnen, aktiv Projekte des Umwelt- und Klimaschutzes zu unterstützen und gleichzeitig die vielfältigen Schritte für ein nachhaltiges Geschäftskonzept zu gehen. Wir unterstützen unabhängig von ideologischen Zwängen.

Die Politik spricht viel von ESG. Welche Möglichkeiten sehen Sie bei Vermittlern?
Die von der Weltgemeinschaft beschlossene Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Zielen, den sogenannten Sustainable Development Goals, bildet den Rahmen aller Bemühungen. Daraus wurden auch die drei Schlagworte des ESG – Environment (Umwelt, Klima), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) – abgeleitet. Jeder Vermittler hat es selbst in der Hand, welche Konsequenzen und Möglichkeiten aus den Zielen abgeleitet werden können. Zum Beispiel die vollständige Digitalisierung der Kundenverwaltung bis zum Übergang eines papierlosen Vermittlerunternehmens. Von den Vermittlerunternehmen ist jedenfalls die Online-Beratung umzusetzen, damit unnötige Fahrten mit dem Pkw und in der Folge Emissionen vermieden werden. Oder auch die Möglichkeiten in der Unternehmensführung, wie eine Bezahlung nach Tariflohn, die Würdigung der Klimaziele in der Produktberatung oder auch die Angebote für Homeoffice sowie E-Bikes oder E-Scooter für den Weg ins Büro.

Wollen Sie auch konkrete Projekte unterstützen?

Ja, das wollen wir. Aktuell werden Projekte geprüft und Vorgespräche mit Initiatoren geführt. Wichtig ist uns dabei, dass es sich um solide und lokale Projekte handelt, die alle Mitstreiter gut nachvollziehen und prüfen können.

Was können Unterstützer der Initiative tun?

Zunächst sich mit unseren Zielen vertraut machen und im Rahmen einer Mitgliedschaft ein aktiver Unterstützer werden. Der Mitgliedsbeitrag für Einzelvermittler beträgt 100 Euro jährlich. Fördermitgliedschaften beginnen bei 1.000 Euro im Jahr. Denn unser Verein verfolgt das Ziel einer breiteren Basis. Dafür sind aktive Mitstreiter in den Beiräten für unsere Kommunikation mit Produktgebern und Vermittlern sehr willkommen. Es freut uns auch, wenn Vermittler ihre eigenen Ideen zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell in den Verein einbringen und damit Kollegen anregen, sich mit dem Thema
Nachhaltigkeit zu befassen. Die Umwelt und das Klima werden wir für jüngere Generationen nur bewahren und verbessern, wenn möglichst viele mitmachen.

Was ist der Antrieb für Vertreter der Versicherungswirtschaft für diese Initiative?

Es ist kaum zu übersehen, dass sich das Klima und die Umwelt verändern. Auch mit dem Blick zurück, dass im Ruhrgebiet oder den Industriestädten in Sachsen früher alles viel schlimmer war. Die Luft „damals“ war kaum zum Atmen, Flüsse vergiftet und Wälder starben in den deutschen Mittelgebirgen. Einiges hat sich verbessert. Doch die Realität weist auf schmelzende Gletscher, übersäuerte Gewässer oder vertrocknete
Felder hin. Trotzdem ist der Klimawandel in vielen Köpfen noch nicht angekommen oder wird nur für ideologische Auseinandersetzungen verwendet. Noch immer werden von jedem zu viele Ressourcen verbraucht, denken wir nur an den immer schneller vorrückenden Earth Overshoot Day am 28. Juli 2022. Klimawandel, Ressourcenknappheit und der Verlust an Biodiversität sollten auch bei Produktgebern
und Vermittlern der Versicherungsbranche täglich auf der Roadmap des Handelns stehen. Es geht nicht nur um die Vorbereitung der vorhersehbaren Zukunft, sondern um das tägliche Handeln.

Warum tun sich Menschen mit Nachhaltigkeit so schwer?

Nachhaltigkeit wird oft über Verzicht und Verbote definiert. Doch wir sehen das anders. Zunächst ist es Einstellungssache, ob einem die Zukunft der Kinder und Jugendlichen egal ist oder nicht. Herrscht Klarheit, eröffnen sich auch Wege zu mehr Nachhaltigkeit: Es sind meist nur andere und bedeuten
keinen kompletten Verzicht. In der Beratung mit Vermittlerunternehmen empfehle ich viele kleine praktische Schritte für nachhaltiges Arbeiten. Digitalisierung und das papierlose Büro schonen Ressourcen. Die Umstellung auf Ökostrom und intelligentes Stromsparen sowie das Investment in Solarenergie sind kein Verzicht. Wichtig ist, die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten und Alternativen zu richten und positive neue Gewohnheiten zu entwickeln, die einen mehrfachen Nutzen haben. Ich kenne einen Makler in Berlin, der zu seinen Kundenterminen nur mit dem Rad fährt. Das ist nicht jedermanns
Sache, schont aber Ressourcen und hält zudem fit.

Verschiedene Umweltbewegungen propagieren Endzeitszenarien. Und das IKV?

In diesem Punkt grenzen wir uns klar ab. Negative Motivation verängstigt und lähmt. Wir motivieren mit positiven Leitbildern und zeigen Chancen, die das Verständnis für mehr Umweltbewusstsein fördern. In diesen Projekten sind alle, die daran aktiv arbeiten, auch unsere Verbündeten. Dazu zählen auch kleinere Beiträge, wenn zum Beispiel ein Anbieter pro vermitteltem Produkt einen Baum pflanzt. Bieten neue Player, wie der Assekuradeur agencio AG, ökologische Produkte mit Nachhaltigkeit zu günstigen Preisen an, verdient das Unterstützung. Stellt ein Vermittler sein Unternehmen komplett auf Nachhaltigkeit um, ebenso.

Müssten einige Umweltbewegungen das Konzept positiver sehen?

Wir wollen andere Umweltbewegungen nicht bewerten. Unser Ziel ist, einen Beitrag zur Neugestaltung unseres Teils der Volkswirtschaft zu leisten. Der Staat kann nur bedingten Einfluss auf alle notwendigen Veränderungen haben. Jeder Bereich und jeder Mensch ist aufgefordert. Es geht um konkretes Tun, nicht um Greenwashing. Unternehmer und Verbraucher sind alle Teil der (inter)nationalen Wirtschaft. Das
ist der Kern der Green Economy, für die wir einen wirksamen Beitrag leisten wollen.

Wie kann ein Vermittler sein Umfeld zu umweltbewussterem Verhalten animieren?

Vom Moralzeigefinger halten wir wenig. Dafür mehr vom eigenen Beispiel im eigenen Umfeld. Wenn jeder Vermittler seinen Kunden im Rahmen seiner Geschäftsbedingungen Alternativen zeigt, werden auch andere Menschen angeregt, umweltbewusst zu handeln. So bietet ein Hamburger Makler seinen
Kunden seit Jahren nur umweltfreundliche Investments an. Ein Makler im Spessart empfiehlt über die von ihm genutzte Investmentplattform nur gemeinwohlorientierte Produkte im Bereich ökologischer Landbau und erneuerbare Energien.

Eine süddeutsche Maklerin lebt ESG mit einem vorbildlichen Vergütungssystem für Mitarbeiter*innen und gibt zwei Sonderurlaubstage für soziales Engagement. Diese Beispiele regen zum Nachdenken und zur eigenen Aktivität an. Damit besteht die Chance, die Gedankenschleife gemeinsam aufzubrechen:
„Es ändert doch nichts, wenn ich allein nachhaltiger lebe, sagen sieben Milliarden Menschen.“

Herr Dr. Schmidt, vielen Dank für das informative Gespräch.


Unterstützte Projekte und Auszug aus der Satzung

Aktuell werden regionale Klimaprojekte geprüft. Dazu gehören Projekte mit besonderer Wirkung im Klimabereich wie der Erhalt der deutschen Moorlandschaften und der Schutz und die Wiederherstellung von Seegraswiesen. Auch die Förderung von sozialen Projekten ist Vereinsziel. Hier denken wir an die Unterstützung regionaler Projekte, wenn die Beiträge der Mitglieder und Förderer zur Verfügung stehen. Außerdem unterstützen wir Maklerunternehmen bei der Entwicklung einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie.

Auszug aus der Satzung

§ 2 Zweck des Vereins
(1) Zweck des Vereins ist die Förderung des Klima- und Umweltschutzes sowie Naturschutz und Landschaftspflege im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und der Naturschutzgesetze der Länder. Der Verein ermöglicht Ihren Mitgliedern die Teilhabe an klimaschutzfördernden Projekten, Dienstleistungen und Unternehmen.

Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch

(a) Aufbau, Positionieren und Vermarkten des Vereins „IKV Institut für Umwelt- und Klimaschutz der Versicherungswirtschaft e. V.“ und Einnahmen hieraus für den Verein, (b) gemeinsame(n) Einkauf von ressourcen- und klimaschützenden Dienstleistungen und Produkten für die Mitglieder (Einkaufsgemeinschaft), (c) gemeinsame(n) Einkauf von Anlagen zum Erzeugen regenerativer Energien für die Mitglieder, (d) finanzielles Beteiligen an klimaschutzfördernden Projekten, Produkten, Dienstleistungen und Unternehmen, (e) finanzielles Unterstützen von klimaschützenden Projekten, z. B. Erhalt von Urwäldern und Aufforsten von Wäldern sowie Erhalt und Wiedervernässen von Mooren, (f ) beratende Dienstleistung in Fragen klimafreundlicher und umweltfreundlicher Handlungsmöglichkeiten für Mitglieder und Dritte […].

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