Kehrtwende mit Folgen: Das EU-Parlament hat Atom- und Gasenergie offiziell als nachhaltig eingestuft. Warum das das falsche Signal zur falschen Zeit ist.
Ein Beitrag von Photovoltaik-Experte Thomas Schoy, Mitinhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Privates Institut
Greenwashing im großen Stil ist das, was die EU da gerade betreibt. Mehr als enttäuschend für die Unternehmen und die vielen Privatfrauen und -männer, die sich stetig für die Energiewende einsetzen. Dies kommt einem echten Dolchstoß gleich. Die Einstufung der Atomenergie als ‚nachhaltig‘ bedeutet, dass diese – so wie Gas nun auch – als klimafreundlich und förderungswürdig bewertet wird. Vor dem Hintergrund der Geschichte eigentlich kaum zu fassen. Da kann man schon mal den Glauben verlieren – anscheinend sind die europäischen Politiker hier unter russischem Druck völlig in Panik geraten.
Sicher spielt auch das Drängen des französischen Präsidenten eine Schlüsselrolle. Macron plant bereits länger schon den Bau von einigen neuen Atomkraftwerken. Bei der Straßburger Abstimmung ging es um die Taxonomie der EU, also um ein Klassifikationssystem, welches private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsbetriebe lenken und so beim Kampf gegen den Klimawandel helfen soll.
Immerhin stellt die EU Atom und Gas nicht mit den Erneuerbaren hundertprozentig gleich, denn es sind drei Klassen im Bereich Nachhaltigkeit vorgesehen. In der ersten befinden sich komplett klimafreundliche Energielieferanten wie Windparks oder Photovoltaik, zur zweiten gehören sogenannte Hilfstechnologien wie etwa zur Speicherung von Energie, in die dritte Kategorie fallen nun Atom und Gas, da sie nach EU-Einschätzung zu den ‚Übergangsaktivitäten‘ gehören. Dennoch bleibt es ein Ökolabel für die zwei zu Recht umstrittenen Energieträger.
Plötzlich gelten also alte Atommeiler und klimagefährdende Gaskraftwerke als grün. Ich halte dies für ein völlig falsches, ja sogar für ein gefährliches Signal für die Zukunft. Einerseits für die eigentliche Aufgabe, endlich die erneuerbaren Energien mit Vollgas auszubauen, andererseits vor dem Hintergrund, dass wir uns in Europa mit den Meilern auch strategisch angreifbar machen.
Für den Übergang braucht es sicher noch die konventionellen Energien, doch ihnen jetzt kurz vor Schluss einen grünen Anstrich zu verpassen, das geht wirklich zu weit. Nun hat man ein eigentlich längst abgeschlossenes Thema aus der Mottenkiste hervorgeholt, das jetzt unsere Zukunft sichern soll. Eine
Grenzüberschreitung und keine guten Aussichten für Europa.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Uwe Mahrt auf SZ-Nachhaltigkeitsgipfel 2023: "Kunden wissen heute genau, was sie wollen"
Weg vom Stromversorger hin zum Eigenversorger
KfW geht mit Innovationen in Refinanzierungsjahr 2024
Nachhaltig und effizient: Zukunftsweisende Techniken im Hausbau
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Budgetplanung als Basis: Warum Kontrolle der erste Schritt zum Vermögensaufbau ist
ETF-Boom in Deutschland: Anleger investieren über 500 Milliarden Euro in Indexfonds
BaFin greift bei Turbo-Zertifikaten durch
Reuss Private Bank: „Naiv auf ETFs zu setzen, ist nicht optimal“
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.