Wenn David seinen Bestand an Goliath verkauft

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Der Verkauf eines Bestandes an einen institutionellen Bestandsaufkäufer kann eine  interessante und geeignete Alternative sein, wenn sich im direkten Umfeld und Beziehungskreis eines Maklers kein geeigneter Nachfolger findet. Das ist besonders häufig der Fall, wenn das Maklerunternehmen beziehungsweise der Bestand sehr klein ist.

Ein Beitrag von Christian Sünderwald

Doch gerade dann, wenn der nicht selten über Jahrzehnte aufgebaute Bestand und damit ein Stück Lebenswerk an einen institutionellen Bestandsaufkäufer übertragen werden soll, sind einige Fragen im Vorfeld besonders wichtig.

Diese Fragen hat die Schutzvereinigung deutscher Vermittler von Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen e. V. (SdV) zusammengetragen, gestützt auf inzwischen umfangreiche Erfahrungen im Bereich Unternehmensnachfolge und Bestandsübertragung, bei der der Berufsverband seine Mitglieder ebenso intensiv begleitet und unter anderem mit Experten-Kooperationen unterstützt.

Von Bedeutung ist vor allem im Vorfeld eine intensive Auseinandersetzung mit den sehr unterschiedlichen Modellen der einzelnen Anbieter, so der Verband. Diese reichen in der Vergütung für den Bestand von einer schnellen Sofort-Zahlung über verschiedene  Teilzahlungsmodelle bis hin zu Rentenmodellen, die teilweise auch eine Weiterzahlung an Hinterbliebene vorsehen.

Ebenso wichtig sei es, sich genau damit zu beschäftigen, wie und durch wen in der späteren Praxis der Bestand weiter betreut wird und inwieweit das zu den Erwartungen der Kunden aus deren bisheriger Betreuung passt.

Sollten die Überlegungen zu einem Teilzahlungsbeziehungsweise Rentenmodell tendieren, sei außerdem von zentraler Bedeutung, wie mit Stornogefahren umgegangen wird, und zwar präventiv sowie im konkreten, akuten Einzelfall, denn nahezu alle entsprechenden Teilzahlungsmodelle stehen in Abhängigkeit von der zukünftigen Entwicklung beziehungsweise vom zukünftigen Umfang des Bestandes.

So wichtig eine professionelle und detaillierte Unternehmensanalyse und -bewertung in aller Regel im Vorfeld ist, so ist laut SdV für Makler mit sehr kleinen Beständen, also mit einem jährlichen Courtagevolumen von deutlich unter 50.000 Euro, doch zu überlegen, welchen Wert eine aufwendige und damit meist kostspielige allumfassende Unternehmensanalyse mit Blick auf eine mögliche Steigerung des Marktwerts des Bestandes beziehungsweise Maklerunternehmens tatsächlich mit sich bringt.

Denn meist besteht hier der gesamte Unternehmenswert zum überwiegenden Großteil überhaupt nur noch aus dem Bestand beziehungsweise den daraus regelmäßig erzielten Courtageeinnahmen. Eine eventuell noch vorhandene Büroausstattung oder anderes Anlagevermögen hat häufig kaum einen relevanten Wertanteil – das ganze Unternehmen ist de facto der Bestand.

In diesem Fall kann man sich weitgehend auf eine differenzierte Aufschlüsselung des Bestandes beschränken und den Schwerpunkt auf dessen Analyse legen, um seine langfristige Werthaltigkeit und damit seinen Marktwert
zu ermitteln. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen dabei auch die vorhandenen Maklerverträge und -vollmachten.

Aber ganz gleich ob eine umfassende Unternehmensanalyse oder „nur“ eine differenzierte Bestandsauswertung und -analyse angezeigt ist, in jedem Fall sollte der Rat eines Experten hinzugezogen werden. Die meisten Bestandsaufkäufer bieten eine Bestandsbewertung von sich aus an.

Hier ist im Ergebnis besonders intensiv zu prüfen, welcher objektive beziehungsweise tatsächliche Bestandswert ermittelt wird, also auf welcher belastbaren und nachprüfbaren Grundlage und unter welchen Umständen beziehungsweise zukünftigen Einflussfaktoren wann wie viel bezahlt wird.

Auch das Risiko eines möglichen Forderungsausfalls, also das Insolvenzrisiko des Bestandskäufers sollte vor allem dann nicht unbeachtet bleiben, wenn keine Sofortbeziehungsweise Einmalzahlung vereinbart werden soll.

Die zentralen Fragen, die sich jeder Makler vor dem Verkauf beziehungsweise der Übertragung seines Bestandes stellen sollte

Zentrale Fragen, die vor Vertragsabschluss geklärt sein sollten

  1. Ist der Käufer nachprüfbar in der Lage, die Kaufpreiszahlung zu leisten, beziehungsweise besteht eine Insolvenzabsicherung für den Verkäufer?
  2. Wie gestalten sich die gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge des Käufers: Handelt es sich beispielsweise um ein Tochterunternehmen, dessen Mutter grundsätzlich eine Interessenlage besitzt, die im Widerspruch zu den Interessen des Verkäufers stehen kann?
  3. Muss der Verkäufer seinen Bestand vor der Übertragung aufbereiten (zum Beispiel Digitalisierung, Pool-Übertragung et cetera) und, wenn ja, in welchem Umfang?
  4. Welche Daten und Unterlagen muss der Verkäufer dem Käufer für eine Bestands-/Unternehmensbewertung bereitstellen und in welcher Form? Inwieweit unterstützt der Käufer den Verkäufer diesbezüglich?
  5. Werden an die formalen Kundenbeziehungen, insbesondere hinsichtlich vorhandener Maklerverträge und Maklervollmachten, bestimmte (inhaltliche) Anforderungen gestellt?
  6. Wie wird vom Käufer der Bestand beziehungsweise das Unternehmen des Verkäufers bewertet? Welche allgemeinen anerkannten Bewertungsmethoden finden gegebenenfalls Anwendung?
  7. Passt die angebotene Zahlungsmodalität zu den Vorstellungen des Verkäufers (zum Beispiel einmalige Zahlung, Ratenzahlung oder als Verrentung)?
  8. Ist die Zahlung des Kaufpreises (nachträglich) abhängig von der zukünftigen Bestandsentwicklung und, wenn ja, in welcher Art und Weise ist dies adäquat im Gesamtkaufpreis (erhöhend) berücksichtigt?
  9. Was ist in Bezug auf Stornorücklagen/-reserven beziehungsweise zukünftige Stornorückbelastungen des Verkäufers aus diskontierten Courtagen vertraglich geregelt – auch mit Blick auf nachgewiesene Maßnahmen zur Stornoabwehr?
  10.  Auf welcher (gesellschafts-)rechtlichen Grundlage erfolgt die Übertragung des Bestandes beziehungsweise die Übernahme des Unternehmens des Verkäufers durch den Käufer und kann der Käufer die in diesem Zusammenhang an ihn gestellten rechtlichen Anforderungen auch erfüllen?
  11. Entsprechen das angebotene Vergütungsmodell und die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen der Übertragung  der steuerlichen Situation des Verkäufers?
  12. Können die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere zum Datenschutz, in allen Phasen der Bestandsübertragung eingehalten beziehungsweise berücksichtigt werden?
  13. Fallen im Zusammenhang mit der Bewertung des Bestandes/Unternehmens für den Verkäufer Kosten an und, wenn ja, wann und in welchem Umfang?
  14. Ist der Käufer fachlich und organisatorisch in der Lage, den übernommenen Bestand dauerhaft qualifiziert zu betreuen?
  15. Wer übernimmt in der Praxis die Bestandsbetreuung? Übernimmt die Betreuung der Käufer selbst, also mit eigenem angestelltem Personal, oder beauftragt er mit ihm kooperierende Dritte (Makler)?
  16. Werden im Falle der Beauftragung der Bestandsbetreuung durch kooperierende Dritte (Makler) diese im Interesse des Käufers verpflichtet (zum Beispiel keine sachlich unbegründeten Umdeckungen)?

Zentrale Fragen, die ebenfalls vor Vertragsabschluss geklärt sein sollten und insbesondere die spätere Vertragsdurchführung betreffen

  1. Entstehen dem Verkäufer nach der Bestandsübertragung Kosten oder sonstige Gebühren et cetera? Wenn ja, wie berechnen sich diese?
  2.  Wird durch den Käufer vertraglich garantiert, dass der Bestand qualifiziert und unter der Sicht seiner bestmöglichen Erhaltung betreut wird? Gibt es ein konkretes Servicelevel-Agreement?
  3.  Gibt es für den Fall, dass künftige Zahlungen von der Bestandsentwicklung abhängig gemacht werden, Zusicherungen durch den Käufer zur Bestandssicherung (beziehungsweise Stornomitteilungen, keine
    sachlich unbegründeten Umdeckungen)?
  4.  Kann der Verkäufer auch nach der Bestandsübertragung weiter tätig sein (zum Beispiel als Untervermittler, Tippgeber, Minijob) und, wenn ja, welche vertraglichen Regelungen gibt es hierzu?
  5.  Welche Berichtspflichten gibt es seitens des Käufers hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Bestandes – insbesondere im Fall von Vertragskündigungen oder sonstigen Stornos, wenn dies (nachträglich) Einfluss
    auf den Kaufpreis hat?

Über die Schutzvereinigung deutscher Vermittler von Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen e. V.

Der SdV ist ein Berufsverband, dessen Aufgabe die berufsständische Interessenvertretung seiner mehr als 4.300 Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Versicherungsvermittler (Versicherungsmakler oder Mehrfachversicherungsvertreter) ist. Durch stetige Öffentlichkeitsarbeit informiert der SdV außerdem in verständlicher Art und Weise über Änderungen und relevante Neuerungen, die für den Alltag und das Wesen des Versicherungsvermittlers von Bedeutung sind. Eine der viel genutzten Leistungen des SdV sind die leistungsstarken und beitragsgünstigen Gruppenverträge in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.

Der SdV kümmert sich außerdem intensiv um die Makler, die ihre Tätigkeit aufgeben beziehungsweise in den Ruhestand gehen und deswegen ihren Bestand an einen Nachfolger übertragen, also verkaufen wollen. Seit 2019 gibt es dafür sogar ein eigenes Vorstandsressort unter Leitung von Herrn Uwe Esche.