Trotz Corona-Krise: Unternehmen halten an bAV fest

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Drei Jahre nach seiner Einführung entfaltet das BRSG noch nicht die gewünschte Dynamik – obwohl sich die bAV auf breiter Basis bewährt hat. Selbst unter dem wirtschaftlichen Druck der Corona-Krise wollen 83 Prozent der Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, daran festhalten oder sie sogar verbessern.

Lediglich bei zehn Prozent steht ein stärkeres bAV-Kosten- oder Cash-Management im Fokus. Insgesamt hat sich jedoch die Anzahl an aktiven bAV-Anwartschaften in Deutschland auch nach der Einführung des BRSG kaum erhöht, wie der jüngste Alterssicherungsbericht der Bundesregierung zeigte. DAs ergab eineUmfrage der Unternehmensberatung Willis Towers Watson.

Dr. Heinke Conrads, Leiterin Retirement Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson, sagt:

„Von einer guten bAV profitieren sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter. Durch die bAV wird die Ruhestandsfinanzierung der Mitarbeiter effizient gestärkt und im Gegenzug wird das Unternehmen als guter Arbeitgeber geschätzt – von Mitarbeitern, die gerne bereit sind, motiviert und engagiert ihrer Arbeit nachzugehen.“

Studien wie der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson belegen dies. Zudem hätten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen ihre bAV „krisenfest“ aufgestellt und profitierten aktuell davon, so Conrads mit Blick auf eine Modellberechnung zur Entwicklung der DAX-Pensionswerke.

BRSG mit durchwachsenem Erfolg

Woran liegt es dann, dass die Verbreitung der bAV trotz dieser Win-win-Situation und trotz der Förderung durch das BRSG nicht stärker wächst? Hier lohne es sich, genauer hinzusehen.

Dr. Michael Karst, Leiter Legal / Tax / Accounting Retirement bei Willis Towers Watson, berichtet: „Einige Aspekte des BRSG, zum Beispiel die Geringverdienerförderung, sind pragmatisch und zielführend gestaltet und werden auch breit genutzt.“

Ende des Jahres 2018 wurden bereits 680.000 Verträge mit Geringverdienerförderung festgestellt und damit eine der wenigen Erfolgsgeschichten aus dem BRSG transparent gemacht.

Dr. Michael Karst betont:

„Andere BRSG-Aspekte hingegen, wie etwa die Förderung der Entgeltumwandlung, werden erst 2022 die geplante Endstufe der Umsetzung erreichen. Erst dann wird die Förderung auch für Pensionszusagen aus der Zeit vor dem BRSG verpflichtend. Hier ist es daher noch zu früh, Bilanz zu ziehen.“

Vielmehr sei es diesbezüglich eine Aufgabe für das Jahr 2021, für die Umsetzung der Förderung praktikable und mit der vielfältigen Tarifwelt der Versicherungen kompatible Lösungen zur Gewährung des gesetzlichen Zuschusses für Entgeltumwandlung in den versicherungsförmigen externen Durchführungswegen zu finden.

Reine Beitragszusage versus Sicherheitsorientierung

Karst ergänzt: „Die großen Hoffnungsträger wie die reine Beitragszusage oder Opting-out-Lösungen werden zwar nach wie vor viel diskutiert und befürwortet, in der Praxis jedoch bislang selten oder gar nicht umgesetzt.“

So sei eine reine Beitragszusage im Sozialpartnermodell aufgrund der Vielzahl der beteiligten Parteien und der komplexen regulatorischen Rahmenbedingungen nur mit großem Abstimmungsaufwand umzusetzen und bislang eher im Haustarifbereich eine diskutierte Alternative, jedoch noch nicht umgesetzt. Einige Projekte zum Sozialpartnermodell seien allerdings bereits weit fortgeschritten.

Karst ergänzt weiter:

„Im andauernden Niedrigzinsumfeld ist eine bAV ohne teure Garantien zweifellos eine interessante Option.“

Doch bevorzugen zwei Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland vor allem eine sichere bAV, wie der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson belegt.

Karst meint dazu: „Diese starke Präferenz für Sicherheit wird sich – wenn überhaupt – durch breit angelegte Financial Education und eine Historie positiver Erfahrungen mit Anlagen auf dem Kapitalmarkt ändern. Hier haben wir noch einen weiten Weg vor uns, auch wenn die Corona-Krise einen im Endergebnis bislang positiven ‚Echttest‘ für die Robustheit kapitalmarktorientierter kollektiver Systeme mit sich gebracht hat.“

Einfacher und zielführender sei es zweifellos, außerhalb der reinen Beitragszusage risikoarme Pensionsplangestaltungen umzusetzen und damit die Verbreitung der bAV zu erhöhen.

Karst weiß:

„Dazu stehen auch in der letzten Kapitalmarktturbulenz bewährte und auf betrieblicher oder tarifvertraglicher Ebene umsetzbare kapitalmarktorientiere Versorgungssysteme zur Verfügung. Auch die aktuelle Diskussion zu einer marktadäquaten Absenkung von Mindestgarantien bei beitragsorientierten Versorgungssystemen geht insoweit mit Blick auf eine breitflächige Marktdurchdringung in die richtige Richtung.“

Durch Nichtstun zu Altersvorsorge

Einfacher und schneller sind aus Karsts Sicht zudem sogenannte „Opting-out-Pensionspläne“ umzusetzen. In solchen Pensionsplänen sparen Mitarbeiter automatisch einen Teil ihres Entgelts, können dem aber auf Wunsch widersprechen.

Der bAV-Experte betont:

„Es ist hinlänglich belegt, dass viele Menschen vor komplexen Entscheidungen für die ferne Zukunft zurückschrecken und eher gar nichts tun. Für die Altersvorsorge ist das fatal. Wird hingegen diese Entscheidungslogik umgekehrt, führt das Nichtstun automatisch zu einer ergänzenden Altersvorsorge. Wenn mehr Unternehmen derartige Pensionspläne anböten, ließe sich die weitere Verbreitung der bAV rasch deutlich steigern.“

Noch offene Reformpunkte: Bestehende Stolpersteine beseitigen

Auch wenn das Betriebsrentenstärkungsgesetz vor allem darauf abzielte, weitere Unternehmen für die bAV zu gewinnen, sollten die Unternehmen, die bereits seit Jahren oder Jahrzehnten eine bAV für ihre Mitarbeiter anbieten, nicht vergessen werden. Aus Sicht dieser Unternehmen sollten vor allem noch bestehende Stolpersteine beseitigt werden.

Wichtig sind aus Sicht von Willis Towers Watson vor allem die Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses für Direktzusagen (§ 6a Einkommensteuergesetz – EStG), Erleichterungen beim handelsbilanziellen Rechnungszinsverfahren sowie die Schaffung von guten Voraussetzungen für eine schlanke Umsetzung und Verwaltung der bAV.

Karst betont dazu: „Insbesondere überbordende regulatorische Vorgaben, Verschlechterungen des gesetzlichen Versorgungsausgleichssystems oder auch übermäßige Informationspflichten mit entsprechender Haftungsandrohung bei Pflichtverletzung gegenüber Unternehmen müssen künftig vermieden oder auch zurückgeführt werden, um die weitere Verbreitung der bAV nicht zu behindern.“

Unternehmen zum Angebot einer bAV gesetzlich zu verpflichten (wie es im Zuge der Einführung des BRSG und jüngst auch im Bericht der Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ diskutiert wurde), sei jedoch nicht sinnvoll.

Karst ergänzt: „Dadurch werden die bestehenden Stolpersteine ja nicht beseitigt – und hier besteht viel eher Handlungsbedarf, um Unternehmen zur weiteren Verbreitung der bAV zu ermutigen.“