Die Frage nach dem Erbteil birgt in Familien meist ein hohes Konfliktpotenzial. Wenn der Sohn, der seine verstorbene Mutter in den letzten Jahren nur anlässlich ihres Geburtstages besucht hatte, den gleichen Teil des Erbes wie seine Schwester, die die Mutter über Jahre hinweg gepflegt hatte, beanspruchen will, ist ein Streitfall vorprogrammiert.
Der Gesetzgeber hat im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Ausgleichspflicht im Erbfall gegenüber Kindern, die einen Elternteil, beispielsweise aufgrund von Pflegebedürftigkeit, zu Lebzeiten finanziell oder mit Hilfeleistungen über längere Zeit unterstützt haben, geregelt.
Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch ist, dass die erbberechtigte Tochter die Pflegeleistungen unentgeltlich erbracht hat. Der Ausgleichsanspruch der Tochter berechnet sich unter Berücksichtigung von Art, Dauer und Umfang der erbrachten pflegerischen Leistungen. Während der Ausgleichsanspruch für unentgeltlich erbrachte Pflegeleistungen dem Grunde nach vom Gesetzgeber geregelt wurde, muss die Höhe des Ausgleichsanspruchs zwischen den Erben vereinbart oder im Streitfall sogar gerichtlich festgesetzt werden.
Wenn in einer Familie mit mehreren Kindern ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil versorgt, sollte für die Berechnung eines möglichen Ausgleichsanspruchs im Erbfall ein Pflegetagebuch geführt werden, empfiehlt Alexander Schrehardt von AssekuranZoom.
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs
Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs kann beispielsweise das monatliche Pflegegeld unter Berücksichtigung des Pflegegrads des pflegebedürftigen Elternteils oder auch der Stundenlohn für eine Pflegehilfskraft berücksichtigt werden. Auch der für den jeweiligen Pflegegrad gültige Höchstbetrag für Pflegesachleistungen kann als Berechnungsgrundlage herangezogen werden.
Eine Beispielberechnung: Die verstorbene Mutter wurde in den letzten Jahren von ihrer Tochter gepflegt. Der Bruder einigt sich mit seiner Schwester: Ihre Pflegeleistungen sollen mit einem Betrag von 50.000,00 Euro ausgeglichen werden. Der Wert des Erbes beziffert sich nach Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten auf 200.000,00 Euro. Ein Aufteilung würde nun wie folgt aussehen:
200.000 Euro Wert des Nachlasses gesamt
50.000 Euro Wert des Ausgleichsanspruch
150.000 Euro Wert des Nachlasses für die Aufteilung
Der Bruder erhält somit 75.000 Euro aus dem Nachlass der verstorbenen Mutter. Der Schwester, die die Pflege übernommen hatte, stehen 75.000 Euro zuzüglich ihrem Ausgleichsanspruch von 50.000 Euro und somit ein Gesamtbetrag in Höhe von 125.000 Euro zu.
Sofern eine gütliche Festsetzung des Ausgleichsanspruchs zwischen den Erben nicht möglich ist, sollte ein Fachanwalt für Erbrecht befragt werden. Dabei ist es vorteilhaft, wenn sich die Erben auf einen gemeinsamen Anwalt als Berater einigen können.
Bedachte Erben außerhalb der Familie
Doch nicht immer übernehmen die Familienangehörigen die Pflegeverantwortung. Auch Freunde, Bekannte oder Nachbarn kümmern sich in vielen Fällen um alleinstehende, pflegebedürftige Menschen. Hat die pflegebedürftige Person keine weiteren Angehörigen, wird oftmals die langjährige oder beste Freundin, manchmal auch die fürsorgliche Nachbarin als Erbe im Testament bedacht.
Auch hier führen wir ein Beispiel auf: Die pflegebedürftige Frau Mustermann wurde nach dem Tod ihres Ehemanns über viele Jahre von einem ambulanten Pflegedienst und einer Nachbarin in ihrer 2-Zimmer-Eigentumswohnung gepflegt. Aufgrund ihrer sehr geringen Rentenbezüge erhielt Frau Mustermann Leistungen der Sozialhilfe. Die angemessene und von Frau Mustermann selbst genutzte Eigentumswohnung zählte zum Schonvermögen. Als Erbin der Eigentumswohnung setzte die kinderlose Frau Mustermann ihre Nachbarin in ihr Testament ein. Allerdings muss die Nachbarin als Erbin die Leistungen der Sozialhilfe der letzten zehn Jahre erstatten, wobei die Haftung der Nachbarin auf den Wert des Erbes begrenzt ist und ein Freibetrag von 2.454 Euro (ab 1.1.2017) berücksichtigt wird.
Wichtiger Hinweis
Sofern es sich bei dem Erben um den Ehegatten, den eingetragenen Lebenspartner oder um einen Verwandten, der im gemeinsamen häuslichen Umfeld die Pflegeverantwortung übernommen hatte, handelt, gilt ein Freibetrag von 15.340,00 Euro (Stand 01.01.2017).
Bild: © Photographee.eu – stock.adobe.com
Themen:
LESEN SIE AUCH
Provinzial erweitert BU- und EU-Angebot
Mit der Einführung einer neuen Produktfamilie in der Berufsunfähigkeits- (BU) und Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) verfolgt die Provinzial Lebensversicherung das Ziel, ihre Angebote zur Arbeitskraftabsicherung breiter aufzustellen und neue Zielgruppen zu erschließen. Die Neuerungen wurden Anfang Juni 2025 bekannt gegeben.
Neue Generation ARAG Unfall-Schutz und ARAG Existenz-Schutz
Neben dem Unfall-Schutz gehört der modernisierte ARAG Existenz-Schutz zur neuen Produktgeneration. Die funktionale Invaliditätsversicherung sorgt für finanzielle Sicherheit, wenn der eigenen Arbeit nach einem Unfall oder bei schweren Erkrankungen nicht mehr oder nur eingeschränkt nachgegangen werden kann.
PKV auch 2023 mit stabilem Wachstum
Die Zahl der PKV-Vollversicherten stieg 2023 auf 8,71 Millionen. Erstmals seit 2011 ist der Bestand damit auch netto gewachsen. In der Zusatzversicherung wuchs die Zahl der Verträge auf 29,98 Millionen. Damit ist nahezu jeder Zweite in Deutschland privatversichert.
Trotz steigender Beiträge: Mitgliederplus der PKV hält an
Die privaten Krankenversicherer konnten zum fünften Mal in Folge einen stärkeren Zuwachs aus den gesetzlichen Krankenkassen verzeichnen als umgekehrt. Vor allem der starke Ausbau der Pflegeleistungen hat das Interesse gesetzlich Versicherter weiter verstärkt.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.