Corona-Krise: Welchen Puffer haben deutsche Lebensversicherer?

Corona-Krise: Welchen Puffer haben deutsche Lebensversicherer?
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Policen Direkt analysierte die vierte Auflage der Solvenzberichte und untersuchte dabei auch, wie gut die Lebensversicherer im Angesicht der Corona-Pandemie für eine Krise gewappnet sind.

Bei 428 Prozent liegen im Schnitt die für die Aufsicht relevanten Solvenzquoten der deutschen Lebensversicherer und damit rund 12 Prozent unter dem Vorjahr. 13 Gesellschaften befinden sich jetzt in enger Manndeckung der BaFin.

Henning Kühl, Versicherungsmathematiker (DAV) und Chefaktuar von Policen Direkt, sagt:

„Die deutschen Lebensversicherer sind trotz verschärfter Zinssituation weitgehend stabil in die Corona-Krise gegangen. Das zeigt unsere Analyse der relevanten Solvenzquoten, die jetzt komplett für alle 84 Gesellschaften vorliegen.

Wie sich die Corona-Pandemie auf deutsche Lebensversicherer auswirkt, ist aktuell noch schwer zu sagen. Ein genauer Blick auf die Entwicklung zeigt, welche Unternehmen mit starken Puffern in die Krise gegangen sind.“

Er hält hier die Solvenzquoten ohne Übergangsmaßnahmen für relevant, die angesichts der Zinslage 2019 im Marktschnitt im Vergleich zum Vorjahr vergleichsweise geringe Schwankungen aufweisen. Diese Nettoquote +VA blendet kurzfristige Marktentwicklungen eher aus, weil sie die Volatilitätsanpassungen mit einbezieht. Diese Bilanzierungshilfen berücksichtigen, dass Lebensversicherer ihr Kapital langfristig anlegen und damit kurzfristige Schwankungen und Schocks eher „aussitzen“ können.

Die wichtigsten Zahlen in Kürze

  • Aufsichtsrelevante Bruttoquote: 428 Prozent (2018: 489 Prozent)
  • Nettoquote +VA: 279 Prozent (2018: 321 Prozent)
  • Nettoquote: 256 Prozent (2018: 278 Prozent)
  • Mindestanforderung MCR-Quote: 713 Prozent (2018: 728 Prozent)
  • 9 Versicherer mit Nettoquote +VA < 100 Prozent (2018: 6)
  • 13 Versicherer mit Netto-Quote < 100 (2018: 12)
  • 7 Versicherer mit MCR-Quote < 100 (2018: 4)
  • 57 Versicherer haben sich bei der relevanten Netto-Quote +VA im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, 26 verbessert.
  • Übergangsmaßnahmen verbessern die Quoten im Schnitt um 149 Prozentpunkte (2018: 168)
  • 20 Versicherer haben die Fristverlängerung der BaFin in Anspruch genommen und bis dato nur den quantitativen Anhang veröffentlicht. Wegen der Corona-Pandemie gewährt die Aufsicht Fristverlängerung für den kompletten Solvenzbericht bis zum 2. Juni.

Korridor-Analyse: 29 Unternehmen mit Risikopuffern

Aus den Solvenzquoten ohne Übergangsmaßnahmen leitet Henning Kühl ab, welche Unternehmen besonders gut gewappnet sind und welche ohnehin vor größeren Herausforderungen stehen.

Für ihn bleiben niedrige Marktzinsen das größte Problem für Lebensversicherer, weil sie Kundengelder hauptsächlich in festverzinsliche Papiere anlegen und hohe Garantien in den Beständen bedienen müssen.

Effekte aktueller Wertverluste am Aktienmarkt sieht er in diesem Zusammenhang für die Branche eher weniger bedrohlich, während die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Neugeschäft unklar sind.

21 Unternehmen stehen mit einer Solvenzquote ohne Bilanzierungshilfen von unter 150 Prozent aktuell vor Herausforderungen, insbesondere wenn sie noch Neugeschäft betreiben wollen. Bei der Wahl der Produkte für das Neugeschäft und bei der Höhe der Überschussbeteiligung sind sie ohnehin eingeschränkt.

34 Unternehmen sieht Henning Kühl im grünen Bereich, mit einer Nettoquote von 150 bis 300 Prozent, und damit weitgehend finanzstark und gerüstet für Extremszenarien. Sie sind in der Lage, den eingegangenen Versprechen unverändert auch in Zukunft nachzukommen.

29 Unternehmen sind aufgrund ihrer komfortablen Solvenzkapitalausstattung mit einer Nettoquote +VA von mehr als 300 Prozent gut gewappnet in die aktuelle Krise gegangen und können ihren Kunden auch weiter höhere Leistungen anbieten, zum Beispiel in Form von Überschüssen oder Garantien im Neugeschäft.

Lebensversicherer veröffentlichen erste Solvenzquoten 2019