20 Prozent der Versicherungsunternehmen, die im Internet abschließbare Versicherungen vertreiben, bieten keine Online-Beratung zu ihren Produkten an. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von 67rockwell, die gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Beenken, Professor für Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund, und Dr. Maximilian Teichler, Rechtsanwalt in einer Kanzlei für Versicherungsmanagement, durchgeführt wurde.
14 Prozent verlangen sogar einen expliziten Beratungsverzicht von ihren Kunden.
Tim Braasch, Leiter der Studie und Geschäftsführender Gesellschafter von 67rockwell, dazu:
„Verbraucher werden im Fernabsatzgeschäft von Versicherungen noch nicht ausreichend geschützt. Die EU hat hierfür die Insurance Distribution Directive (IDD) aufgesetzt, in der Versicherungen dazu angehalten werden, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Diese Richtlinien erfüllen bislang nur wenige deutsche Versicherer.“
Etwa zwei Drittel der Vergleichsportale bieten neben dem Vergleich von Versicherungen auch die direkte Online-Buchung an. Ein Beratungsverzicht wird in keinem der untersuchten Portale verlangt. In vier von zehn Fällen erfolgt dennoch keinerlei Beratung der Kunden.
Tim Braasch sagt:
„Dabei lassen sich die Standards für den Vertrieb ohne Beratung laut IDD mit einem durchaus vertretbaren Aufwand umsetzen. Kunden treffen dann bewusstere Entscheidungen und sind enger an das Unternehmen gebunden.“
RLV: 80 Prozent nicht online buchbar
Viele Versicherer verzichten bei ihren Produkten bewusst auf den Online-Abschluss. So zeigt sich beispielsweise, dass 80 Prozent der Risikolebensversicherungen nicht online buchbar sind. Alle Risikolebensversicherer, die einen Online-Abschluss anbieten, verlangen einen vorherigen Beratungsverzicht.
Tim Braasch meint:
„Es ist ausgesprochen bedenklich, dass es trotz erheblicher Investitionen in die Digitalisierung nur wenige deutsche Versicherer schaffen, ihren Kunden online eine vollständige und rechtskonforme Antragsstrecke bis zum Produktabschluss anzubieten. Versicherer und Vermittler sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie sich unter Umständen serienmäßige Probleme ins Haus holen.“
Zentrale Ergebnisse der Studie
90 Prozent der Versicherer bieten Online-Produkte an. Bei 50 Prozent dieser Produkte ist ein Online-Abschluss möglich.
Bei der Risikolebensversicherung bieten 17 Prozent einen Online-Abschluss an. Der Abschluss erfolgt ausschließlich mit vorherigem Beratungsverzicht.
Bei den Zahnzusatzversicherungen haben 55 Prozent einen Online-Abschluss im Angebot. Von diesen Versicherern vertreiben 30 Prozent das Produkt ohne Beratung.
67 Prozent der untersuchten Produktgruppen auf den erhobenen Vergleichsportalen bieten einen Online-Abschluss an. In 40 Prozent der online abschlussfähigen Antragsstrecken erfolgt keine Beratung. In keinem Fall wird ein Beratungsverzicht verlangt.
Bei der Hausratversicherung gibt es bei 60 Prozent einen Online-Abschluss, 30 Prozent der Versicherer, die einen Online-Abschluss anbieten, vertreiben ihr Produkt ohne Beratung. 20 Prozent verlangen einen Beratungsverzicht.
Einen Online-Abschluss bieten bei den Kraftfahrtversicherungen 54 Prozent, von denen ebenfalls 30 Prozent ihr Produkt ohne Beratung vertreiben und 20 Prozent einen Beratungsverzicht verlangen.
Bei der Reiseversicherung inklusive Reisegepäck und Reiserücktritt sind es nur 10 Prozent mit der Möglichkeit eines Online-Abschlusses, von denen 20 Prozent der Versicherer ihr Produkt ohne Beratung vertreiben und einen Beratungsverzicht verlangen.
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