Immer wieder leisten Ausschließlichkeitsvertreter weit mehr für den Versicherer als vertraglich vorgesehen. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Tätigkeit auch auszahlt, ob den Vertretern also wegen erbrachter überobligatorischer Leistungen ein Anspruch auf Vergütung zustehen kann.
Jürgen Evers, Rechtsanwalt, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht354 Abs. 1 HGB bestimmt, dass auch ohne Verabredung eine Provision nach ortsüblichen Sätzen fordern kann, wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet. Für die Frage einer Sonderprovision ist in der Praxis zu klären, ob der Vertreter die fragliche Tätigkeit als Nebenleistung des bestehenden Vertretervertrages leisten muss und ob sie demgemäß mit dem Entgelt für die Hauptleistung bereits vergütet wurde. Bloße Nebenleistungen in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn der Vertreter Schadensmeldungen des Kunden entgegennimmt und an den Versicherer weiterleitet.
Da ein Handelsvertreter die Entgegennahme bereits im Rahmen seiner Interessenwahrnehmungspflicht und die Weiterleitung im Rahmen der Pflicht nach § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, schuldet, kann ein Anspruch auf Sonderprovision erst dann gegeben sein, wenn der Vertreter über die Entgegennahme und Weiterleitung der Schadensanzeige hinaus Bemühungen entfaltet, er also gewissermaßen besondere Aufgaben übernimmt, die über die zuzumutende Mühe hinausgehen.
Es kann sich beispielsweise um eine Tätigkeit handeln, die zum Inhalt hat, dass der Vertreter bei einem Streit über Grund und Umfang des Leistungsanspruchs des Kunden zwischen diesem und dem Unternehmer vermittelt, dass er Leistungsansprüche des Kunden nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage abwehrt oder er umfangreiche Vergleichsverhandlungen für den Versicherer führt. Erbringt der Vertreter eine Leistung außerhalb seiner nach dem Agenturvertrag obliegenden gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, schließt allein der Umstand, dass es sich um eine geringfügige Leistung handelt, den Vergütungsanspruch noch nicht aus.
Eine vergütungspflichtige Sonderleistung ist aber stets dann zu verneinen, wenn der Vertreter die Leistung aufgrund Gesetzes schuldet. Verpflichtet sich also beispielsweise ein gebundener Vertreter, die Tätigkeit in einer Geschäftsstelle des Versicherungsunternehmens auszuüben und Telefonanschlüsse anzumelden, so schuldet er nach § 667 BGB die Herausgabe der Anschlüsse mit Beendigung des Agenturvertrages. Diese Leistung rechtfertigt daher nicht die Zuerkennung einer Sonderprovision.
Um herauszufinden, ob eine Tätigkeit zur Sondervergütung geeignet ist, ist im Einzelnen zu prüfen, welche Dienste der Vertreter leistet oder welche Art von Geschäften er besorgt, die über das von einem Vertreter nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 84 ff. HGB Geschuldete hinausgehen. Hierbei haben alle Leistungen auszuscheiden, die den Pflichten des Vertreters zuzuordnen sind, sich ständig um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen (§ 86 Abs. 1 HGB) und dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 86 Abs. 2 HGB).
Das Betreiben des Prämieninkassos oder des Exkassos ist zweifelsfrei eine Sonderleistung, die über das typischerweise nach dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertretervertrages Geschuldete hinausgeht. Denn zum Inkasso bedarf es eines gesonderten Auftrags. Der Vertreter ist zur Einziehung von Forderungen des Unternehmers gegen den Kunden nach dem gesetzlichen Leitbild also nicht verpflichtet. Da ein Anspruch auf Sonderprovision nicht gegeben ist, wenn die fragliche Leistung des Vertreters nach Handelsbrauch oder Verkehrssitte unentgeltlich zu erbringen ist, kann der Vertreter etwa für seine Inkassoleistungen im Moped-Geschäft keine Sonderprovision verlangen.
Sonderleistungen gegenüber dem Versicherer liegen vor allem dann vor, wenn der Vertreter vertreteruntypische Tätigkeiten für den Versicherer erbringt. Solche vertreteruntypischen Leistungen sind etwa darin zu sehen, dass er für den Versicherer die Versicherungsbedingungen gestaltet und pflegt, die Prämien kalkuliert oder das Underwriting übernimmt, er also wie ein Assekuradeur tätig wird, ohne mit dem Vertretervertrag die besonderen Pflichten eines Assekuradeurs übernommen zu haben.
Eine Geschäftsbesorgung, die außerhalb des Spektrums der gesetzlich nach § 84 HGB und § 86 HGB geschuldeten Leistungen eines Vertreters liegt, stellt auch die Durchführung der fallabschließenden Schadensbearbeitung dar. Denn der Vertreter ist gesetzlich nicht dazu verpflichtet, die Abwicklung des vermittelten Geschäfts durchzuführen oder zu begleiten. Er hat deshalb einen Anspruch auf Sonderprovision für die fallabschließende Schadensbearbeitung, und zwar auch neben dem Anspruch auf Provision für das dem Schadens- oder Leistungsfall zugrunde liegende Geschäft.
Ebenso steht dem Vertreter eine gesonderte Vergütung zu, wenn er Schadensstatistiken anfertigt, auswertet und dem Unternehmer die Auswertungen zur Verfügung stellt oder er Schadensberichte anlässlich der Besichtigung von Schadensfällen fertigt, die er dem Unternehmer übermittelt. Denn diese Berichte sind nicht im Rahmen der gesetzlichen Berichtspflicht geschuldet. Soweit dem Vertreter allerdings nur die Hilfe oder Mitwirkung bei der Schadensbearbeitung obliegt, handelt es sich wegen Geringfügigkeit um eine unentgeltliche, mit der Gegenleistung zur Hauptleistung entgoltene Nebenleistung, also nicht um eine Sonderleistung, die einen eigenständigen Vergütungsanspruch nach § 354 HGB auslösen kann.
Sonderleistungen des Vertreters sind schließlich auch dort denkbar, wo der Vertreter Daten für den vertretenen Unternehmer erhebt, die weder im Rahmen einer konkreten Geschäftsanbahnung benötigt werden noch mittelfristig Akquisitionszwecken des Vertreters dienen, wie etwa Daten, die der Unternehmer dazu nutzt, Produkte zu entwickeln, die sich abzeichnenden neuen Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Die Sonderleistung kann aber auch die Überlassung von mittelfristig Akquisitionszwecken dienenden sogenannten Akquisedaten zum Inhalt haben, die der Vertreter erhoben und in das Außendienst-Informations-System des Unternehmers eingepflegt hat und die dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung zur Nutzung verbleiben. Dies sind etwa Daten über Versicherungsverträge, die der Kunde bei einem anderen Versicherer unterhält und die zum nächsten Kündigungstermin akquiriert werden können.
Eine Provisionspflicht des Geschäftsherrn nach § 354 HGB entsteht nur, wenn der handelnde Kaufmann dem Geschäftsherrn gegenüber zu der Geschäftsbesorgung berechtigt ist. Hierfür ist erforderlich, dass der Versicherer erkennt, dass der Vertreter die Tätigkeiten für ihn leistet, und stillschweigend zustimmt, etwa indem er die Leistung entgegennimmt. Wird die Leistung abgelehnt, fehlt es an der für den Anspruch nach § 354 erforderlichen Befugnis des Vertreters zum Handeln für den Versicherer. Denn überschreitet der Vertreter eigenmächtig seine Zuständigkeit, ist er nach § 354 Abs. 1 HGB nicht berechtigt, Provision zu verlangen. An die stillschweigende Zustimmung dürfen indes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Versicherer sind im Allgemeinen aus aufsichtsrechtlichen Gründen bestrebt, einem Wirken des Vertreters im Bereich der Prämienkalkulation und des Underwritings zu widersprechen. Nehmen sie Leistung gleichwohl entgegen, handelt der Vertreter mit Befugnis, weil der Versicherer die Leistung genehmigt.
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