Weniger Abzüge, mehr Pauschalen, digitale Entlastung: Der Wissenschaftliche Beirat rät dem Bundesministerium der Finanzen zu einer grundlegenden Reform der Arbeitnehmerbesteuerung. Ziel ist eine radikale Vereinfachung. Was sich konkret ändern würde – und worauf sich Arbeitnehmer künftig einstellen müssen.
Rolle des Wissenschaftlichen Beirats
Der Wissenschaftliche Beirat ist ein unabhängiges Gremium aus Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, das das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in grundsätzlichen Fragen der Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik berät. Seine Gutachten sind nicht bindend, dienen der Politik aber als fachliche Orientierung für mögliche Gesetzesinitiativen. Die Mitglieder agieren weisungsunabhängig und tragen zur wissenschaftsbasierten Entscheidungsfindung bei. In seinem aktuellen Gutachten legt der Beirat jetzt Reformvorschläge für die Arbeitnehmerbesteuerung vor.
Das deutsche Einkommensteuersystem im internationalen Vergleich
Das deutsche Einkommensteuersystem gilt im internationalen Vergleich als besonders komplex. Mehr als 500 unterschiedliche Abzugstatbestände für Arbeitnehmer führen zu hohen Steuerbefolgungs- und Verwaltungskosten. Im Durchschnitt benötigt ein Steuerpflichtiger in Deutschland rund zehn Stunden für die Steuererklärung; die Kosten belaufen sich im Schnitt auf 320 Euro. Diese Belastung ist nicht nur volkswirtschaftlich ineffizient, sondern auch sozial unausgewogen, da Personen mit geringerem Einkommen überproportional benachteiligt werden.
Kernelemente der Reformvorschläge
Der Beirat identifiziert zwei zentrale Hebel zur Vereinfachung: die Digitalisierung der Steuerverwaltung sowie gesetzliche Pauschalierungen bzw. Streichungen von Abzügen. Die Empfehlungen zielen insbesondere auf die Besteuerung von Arbeitnehmern ab:
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Zusammenführung von Pauschalen zu einer Arbeitstagepauschale:
Die bislang getrennten Abzüge für Entfernungspauschale, Homeoffice und häusliches Arbeitszimmer sollen in einer einheitlichen Arbeitstagepauschale zusammengeführt werden. Dies soll den Verwaltungsaufwand verringern und Missbrauch durch schwer überprüfbare Angaben verhindern. -
Streichung individueller Abzüge für Arbeitsmittel und Verpflegung:
Aufwendungen für Arbeitsmittel und Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen sollen künftig ausschließlich beim Arbeitgeber als Betriebsausgabe berücksichtigt werden – nicht mehr beim Arbeitnehmer. -
Abschaffung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags:
Die allgemeine Werbungskostenpauschale (derzeit 1.230 Euro) soll entfallen, da sie durch die neue Arbeitstagepauschale ersetzt wird. -
Erhalt der Fort- und Weiterbildungskosten:
Diese sollen weiterhin voll abzugsfähig bleiben. Zusätzlich wird vorgeschlagen, auch Ausgaben für die Erstausbildung als vortragsfähige Werbungskosten anzuerkennen. -
Einführung einer Öffnungsklausel für Fernpendler:
Um Härtefälle zu vermeiden, soll es für besonders lange Pendelstrecken die Möglichkeit geben, über die Pauschale hinausgehende Kosten geltend zu machen – allerdings erst ab einer festgelegten Wesentlichkeitsschwelle.
Was sich konkret ändern würde
Beispiel 1: Homeoffice-Nutzerin
Eine Arbeitnehmerin arbeitet an 120 Tagen im Homeoffice und macht bislang sowohl die Homeoffice-Pauschale als auch anteilige Miet- und Stromkosten für ihr Arbeitszimmer geltend. Nach der Reform würden diese Abzüge in einer pauschalen Arbeitstagepauschale aufgehen. Die bislang komplexe Abgrenzung von Mittelpunktfällen und die Belegführung entfielen.
Beispiel 2: Außendienstmitarbeiter mit hohem Verpflegungsmehraufwand
Ein Außendienstmitarbeiter macht jährlich 2.000 Euro für Verpflegungsmehraufwand auf Dienstreisen geltend. Zukünftig könnte dieser Posten nicht mehr individuell geltend gemacht werden, sondern müsste – sofern betrieblich veranlasst – durch den Arbeitgeber steuerlich berücksichtigt werden.
Weitreichende Empfehlungen mit offenem Ausgang
Die Reformvorschläge des Beirats sind weitreichend. Sie zielen darauf ab, die Steuererklärung für Millionen Arbeitnehmer überflüssig zu machen oder zumindest deutlich zu vereinfachen. Gleichzeitig würden sie Steuerhinterziehung erschweren und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung stärken. Kritisch zu bewerten ist jedoch die potenzielle Mehrbelastung bestimmter Gruppen, etwa bei teuren Arbeitsmitteln oder hohen Fahrtkosten – hier sind die vorgeschlagenen Öffnungsklauseln entscheidend. Zu beachten ist allerdings, dass es sich um nicht bindende Empfehlungen handelt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Bundesministerium der Finanzen die Vorschläge aufgreift und politisch umsetzt.
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