Photo credit: depositphotos.com
Die hohe Nachfrage nach Wohnraum und das vergleichsweise geringe Angebot haben die Neuvertragsmieten in den vergangenen Jahren kräftig nach oben getrieben. Die strenger regulierten Bestandsmieten konnten dabei nicht Schritt halten. In der Folge klafft insbesondere in den großen Ballungsräumen eine beträchtliche Lücke zwischen den angeboten Neuvertragsmieten und den Mieten für bestehende Vertragsverhältnisse.
Nach Berechnungen von JLL fällt die Differenz in München mit 8,03 Euro/m² und in Berlin mit 7,47 Euro/m² am höchsten aus. Dahinter folgen Frankfurt, Hamburg, Köln und Stuttgart mit Differenzen von 4,80 Euro/m² bis 4,40 Euro/m². Die geringsten Unterschiede weisen die Städte Essen (1,70 Euro/m²), Duisburg (1,56 Euro/m²) und Dresden (1,45 Euro/m²) auf.
Insgesamt wurden 22 Städte mit jeweils mehr als 300.000 Einwohnern unter die Lupe genommen. Für die Ermittlung der Neuvertragsmieten hat JLL rund 55.000 Inserate ausgewertet, die Bestandsmieten wurden aus den Daten des aktuellen Mikrozensus entnommen, die sich auf das erste Halbjahr 2022 beziehen.
„Der Zensus bietet eine hervorragende Datenbasis und ermöglicht eine präzise Mietpreisanalyse. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Datenerhebung unmittelbar vor der deutlich beschleunigten Mietpreisentwicklung der vergangenen zwei Jahre stattgefunden hat. Zum heutigen Zeitpunkt dürfte das Delta zwischen Bestands- und Angebotsmieten daher noch höher ausfallen“, sagt Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research JLL Germany.
Aufgrund der stark gestiegenen Differenz zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten vermeiden es Mieterhaushalte umzuziehen, weil sie bei der Neuanmietung mit deutlich höheren Wohnungsmieten rechnen müssten. Folglich verringert sich die Fluktuation und damit auch die Anzahl der inserierten Mietangebote. „Angebot und Nachfrage finden in den Wohnungsmärkten der Metropolen unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr zueinander. Diese Ineffizienz verschärft sich zusehends und führt zu einer Negativspirale“, unterstreicht Gröbel.
Die JLL-Analyse verdeutlicht, dass insbesondere Märkte mit einem hohen Delta zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten zeitversetzt ein geringes Angebot an inserierten Mietwohnungen aufweisen. Letzteres wird als Näherung für die Fluktuation verwendet. So waren beispielsweise in Berlin im ersten Halbjahr 2024 lediglich 2,3 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestands auf den großen Onlineplattformen inseriert gewesen, in München waren es im gleichen Zeitraum 3,7 Prozent. In Märkten mit einer geringeren Mietpreisdifferenz lag die Quote dagegen deutlich höher, wie beispielsweise in Essen mit 6,3 Prozent oder Dresden mit 7,1 Prozent.
Folgen ineffizienter Wohnmärkte: Neuvertragsmieten steigen, Neubaubedarfsschätzung erschwert
Dadurch konzentriert sich die Nachfrage in den ineffizienten Wohnungsmärkten auf ein noch kleineres Angebot, was die Mietpreise zusätzlich nach oben treibt. „Unsere Untersuchung der 22 Städte zeigt, dass Märkte mit einem geringen verfügbaren Angebot, einer geringen Fluktuation und damit auch einem höheren Delta zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten eine höhere Dynamik bei der Entwicklung der Neuvertragsmieten aufweisen. Dieser Zusammenhang deutet darauf hin, dass sich in diesen Märkten die Situation für Mieterhaushalte bei der Wohnungssuche weiter verschlechtert und die Märkte zunehmend ineffizienter werden“, erläutert Gröbel.
Außerdem führe eine weniger effiziente Verteilung der Mietwohnungen dazu, dass der tatsächliche Neubaubedarf schwieriger abgeschätzt werden kann. „Eine geringere Fluktuation bedeutet, dass weniger Angebot zur Verfügung steht und sich die Wohnungsnachfrage nicht effizient auf das bestehende Angebot verteilen kann. Dadurch steigt kurzfristig der vermeintliche Bedarf an zusätzlichem Wohnraum. Kommt der Markt jedoch wieder ins Gleichgewicht, kann ein wesentlicher Teil der Nachfrage durch eine effizientere Verteilung befriedigt werden“, so Gröbel.
Lösungsansätze: Angebot erweitern, Fluktuation stimulieren, Regulierung angleichen
Um die Abwärtsspirale zu durchbrechen, sind nach Ansicht von Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation JLL Germany, vor allem zwei Maßnahmen erforderlich: „Zum einen muss mehr Angebot geschaffen werden, um den bestehenden Nachfrageüberhang abzubauen. Zum anderen muss zeitgleich die Fluktuation stimuliert werden, damit Angebot und Nachfrage wieder effizienter zueinander finden. Es müssen also Anreize geschaffen werden, damit Haushalte bei veränderter Wohnungsnachfrage wieder häufiger die Wohnung wechseln.“ Dies könnte durch eine Ausweitung des Angebots oder auch durch die Schaffung von Tauschmöglichkeiten erreicht werden. Das Kernproblem werde dadurch allerdings nicht gelöst: das hohe Delta zwischen Angebots- und Bestandsmieten. „Letzteres wird erst durch Unterschiede in der Regulierung für Bestands- und Neuvertragsmieten möglich. In Märkten mit einer besonders hohen Differenz zwischen Bestands- und Angebotsmieten sollte daher eine schnellere Annäherung der Bestandsmieten an das Marktniveau in Erwägung gezogen werden.“
Themen:
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
BFH-Urteil: Sonderwünsche bei Neubauten können Grunderwerbsteuer auslösen
Der Bundesfinanzhof hat in zwei aktuellen Urteilen entschieden, dass nachträglich vereinbarte Sonderwünsche bei einer noch zu errichtenden Immobilie der Grunderwerbsteuer unterliegen können, sofern sie in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag stehen.
Wunsch nach Wohneigentum bleibt hoch
Trotz hoher Immobilienpreise und knappen Eigenkapitals bleibt der Wunsch nach Wohneigentum in Deutschland groß. Besonders junge Erwachsene und Menschen in Süddeutschland streben nach einem Eigenheim. Welche Motive hinter dem Kaufinteresse stehen – und was viele dennoch davon abhält.
„Wohnraumkrise ist kaum noch zu verhindern“
Die Wohnungswirtschaft hat während der Regierungszeit der Ampel-Koalition eine turbulente Phase durchlebt. Während der Immobilienverband Deutschland (IVD) dringend Sofortmaßnahmen für den Wohnungsbau fordert, zeigt eine Analyse von Immowelt, dass die Angebotspreise für Wohneigentum zunächst einen Höchststand erreichten, dann aber deutlich fielen.
Baufinanzierung: Wie sich Tilgungssatz und Zinsbindung zu Jahresbeginn entwickelten
Baufinanzierung: Die durchschnittliche anfängliche Tilgung ist zum Jahresbeginn 2025 gesunken, zeigt der jüngste Dr. Klein Trendindikator Baufinanzierung (DTB). Kreditnehmende starten aktuell mit einer Tilgung von durchschnittlich 1,73 Prozent – Anfang 2024 waren es noch 1,84 Prozent. Auch die Zinsbindung hat sich verringert, bleibt aber mit durchschnittlich zehn Jahren und elf Monaten auf einem hohen Niveau.