Die Transformation von Versicherungskernsystemen ist weiterhin notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland (PwC) in einer neuen Studie, an der 41 Versicherer mit rund 40 Prozent der Prämieneinnahmen aus dem DACH-Raum teilgenommen haben. Die Untersuchung zeigt, dass die Transformationsstrategien im Wesentlichen fünf Typen entsprechen: Legacy-Nutzer, Modernisierer, Austauscher, Neusystem-Nutzer und Mischstrategen. Letztere machen mit 29 Prozent den größten Anteil aus.
Die Mischstrategien zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass vereinzelte Legacy-Systeme in Betrieb bleiben oder Modernisierung und Austausch parallel erfolgen. Die Analyse zeigt, dass die Versicherungsbranche aktuell eine hohe Dynamik bei der Transformation an den Tag legt. Dort, wo Austausch oder Modernisierung kein Thema sind, bremsen vor allem Kostenfragen und das aufgebaute Know-how den Wandel.
Das richtige Maß zwischen Standard und Individualentwicklung
Die Kernsysteme der Versicherungen sind in der Regel historisch gewachsen, sodass über viele Jahre hinweg immer wieder neue Funktionen integriert wurden. Das macht die Systeme stellenweise sehr komplex und erschwert Transformationsprojekte. Bei der Einführung neuer Standardsysteme entstehen – zumindest temporär – oftmals Effizienzeinbußen im Versicherungsbetrieb, da die Standardsoftware häufig nicht von Beginn an in der Lage ist, den Effizienzgrad des über Jahrzehnte ausoptimierten Altsystems zu erreichen. „Eine erfolgreiche Kernsystemtransformation gelingt nur, wenn IT und Fachbereiche zusammenarbeiten“, erläutert David Basten, Partner bei PwC Deutschland. „Es müssen genug Ressourcen und das entsprechende Wissen aus dem Fachbereich in der Kernsystemtransformation mitwirken. Das betrifft insbesondere ‚Kopfmonopole‘, bei denen das Fachwissen auf wenige Akteure konzentriert ist.“
Automatisierungsgrad und Integrationsfähigkeit im Fokus
Die IT-Kostenquoten der an der Studie teilnehmenden Versicherer sind stark von der Ausrichtung der jeweiligen Transformationsstrategie abhängig. Während der Durchschnitt bei 2,74 Prozent liegt, beträgt die Quote in der Gruppe der Modernisierer beispielsweise 3,21 Prozent. Die Befragten rechnen in den nächsten drei Jahren mit keinen Veränderungen bei den Budgets für den laufenden Betrieb (IT-Run-Budget). Über die Hälfte geht jedoch davon aus, dass die Mittel für den Umbau (IT-Change-Budget) im gleichen Zeitraum steigen werden.
Für 80 Prozent der Versicherungsunternehmen gehört es zu den wichtigsten Zielen der Transformation, den Automatisierungsgrad und die Integrationsfähigkeit zu erhöhen. Bei Unternehmen aus den Gruppen Neusystem-Nutzer, Mischstrategen und den Austauschern sind (Hybrid-)Cloud-Lösungen das bevorzugte Betriebsmodell, um diesen Zielen näherzukommen. Der Wechsel auf Cloud-Modelle bietet sich bei der Transformation von Kernsystemen in vielen Fällen an. Unternehmen sollten daher prüfen, inwiefern sie ihre Systemarchitekturen und Schnittstellen auf diese Weise optimieren können.
IT-Nachwuchs von großer Bedeutung
„Um komplexe Transformationsprojekte an der Schnittstelle von IT und Geschäftsbetrieb zu meistern, braucht es das richtige Fachpersonal“, sagt Wolfgang Hach, Partner PwC Deutschland. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen beschäftigt zwar bis zu 200 IT-Mitarbeitende, allerdings beträgt deren Alter bei 83 Prozent der Versicherer im Schnitt 40 bis 50 Jahre. Es besteht also vor allem hinsichtlich der Nachwuchsarbeit ein hoher Handlungsbedarf. Hinzu kommt, dass nur 15 Prozent der Unternehmen Near- oder Offshore-Kapazitäten nutzen. Alle anderen setzen ausschließlich auf die eigenen IT-Angestellten vor Ort – Dienstleister kommen in der Regel nur zum Überbrücken von Kapazitätsengpässen zum Einsatz.
Die Studie fokussiert sich auf Versicherungsunternehmen aus der Sach- und Lebensversicherung, deren Prämieneinnahmen etwa 40 Prozent im DACH-Raum ausmachen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Branche trotz der geschilderten Herausforderungen auf dem richtigen Weg ist. Viele Transformationsvorhaben befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Um diese Initiativen erfolgreich abzuschließen, müssen die Unternehmen jetzt gezielt technologische und organisatorische Defizite angehen.
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