Die Fahrerablenkung durch moderne Technik ist deutlich gestiegen. Das Unfallrisiko erhöht sich durch die Bedienung moderner Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komforttechniken um rund 50 Prozent, zeigt die aktuelle Studie der Allianz zur Ablenkung am Steuer.
Dennoch erfährt die Ablenkung am Steuer immer noch nicht die soziale Ächtung, die zum Beispiel dem Autofahren im alkoholisierten Zustand entgegengebracht wird.
Im Gegenteil: Heutzutage empfinden immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer die Nutzung technischer Funktionen, die nicht der Fahrzeugführung dienen, als selbstverständlich – und ihre Verfügbarkeit sowie ihre Komplexität steigen immer weiter an: seien es verbaute Geräte wie der Bordcomputer oder mobile Geräte wie das Handy.
„Sich beim Autofahren mit dem Smartphone zu befassen, gehört mittlerweile zur Normalität. Gleichzeitig nehmen die Ablenkungsmöglichkeiten in heutigen Fahrzeugen immer weiter zu“, sagt Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherungs-AG. Kern des Problems: vielen Fahrerinnen und Fahrern sei die Gefahr zwar bekannt, diese Einsicht werde aber nicht auf den Fahralltag übertragen. Das sei fatal. Bakker plädiert: "Ablenkung darf nicht zum Gewohnheitsrecht werden!"
Texten ist das neue Telefonieren
Immer mehr Menschen gehen dazu über, am Steuer Textnachrichten zu lesen und zu schreiben. „Die Studie zeigt, dass sich der Anteil an Autofahrerinnen und -fahrern, die das Smartphone in die Hand nehmen und eine Textnachricht schreiben oder lesen, zwischen 2016 und 2022 von 15 auf 24 Prozent um fast zwei Drittel erhöht hat“, sagt Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik (AZT). „Diese Entwicklung ist besorgniserregend und gefährlich. Wer am Steuer während der Fahrt Nachrichten schreibt, hat ein mehr als 50 Prozent erhöhtes Unfallrisiko.“
Bordcomputer auf dem Vormarsch
2016 verfügte nur ein Drittel aller Autofahrerinnen und Autofahrer über ein Fahrzeug mit einem zentralen Sichtfelddisplay zur Bedienung von Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komfortfunktionen (Bordcomputer), inzwischen ist der Anteil auf fast 50 Prozent gestiegen.
Rund die Hälfte dieser befragten Personen bestätigten in der Allianz Studie, durch die Bedienung des Bordcomputers abgelenkt zu werden. Das Unfallrisiko erhöht sich dadurch um 44 Prozent.
Einige Funktionen sind besonders riskant: Wer beispielsweise eine Fahrerassistenzfunktion wie den Spurhalteassistenten zu fahrfremden Aktivitäten missbraucht und dabei beide Hände für längere Zeit vom Lenkrad nimmt, erhöht sein Unfallrisiko um 56 Prozent. Wird das Autoradio über den Bordcomputer bedient, verdoppelt sich das Risiko annähernd (89 Prozent).
Handynutzung nimmt deutlich zu
Eine vergleichbare Risikosteigerung wird auch für andere Technikablenkungen beobachtet. Besonders rasant ist die Entwicklung bei der Benutzung von Funktionen beziehungsweise Apps jenseits von Textnachrichten, Telefonaten oder Navigation.
„Das Handy beziehungsweise ein anderes elektronisches Gerät in der Hand wird immer mehr auch zum Spielen, Musikauswählen, Bilderanschauen, Websurfen oder anderem genutzt. Bei unserer Befragung 2016 bejahten dies nur sechs Prozent, im Jahr 2022 bekannte sich bereits jeder Fünfte (22 Prozent) dazu“, sagt Lauterwasser.
Integrieren von Ablenkung in polizeiliche Unfallaufnahme
2021 wurde erstmals in die polizeiliche Unfallaufnahme die Kategorie „Ablenkung“ integriert. Die Bedeutung kommt jetzt auch in den amtlichen deutschen Zahlen zum Ausdruck. Bei Unfällen, in denen Ablenkung eine Rolle spielte, verletzten sich 2021 laut Statistischem Bundesamt 8233 Menschen, 117 starben, das sind knapp fünf Prozent aller Getöteten (2562).
„Das Vorgehen der amtlichen Erhebung ist sehr defensiv, nur identifizierbare Wegwendung vom Verkehr wird erfasst, und auf das unspezifische Merkmal ,Unaufmerksamkeit‘ wird ganz verzichtet. An die Beweislage am Unfallort werden hohe Anforderungen gestellt, die Dunkelziffer ist daher ebenfalls sehr hoch. Es bestätigt sich aber erstmals auch für Deutschland, dass Ablenkung die am meisten unterschätzte Unfallursache auf unseren Straßen ist“, sagt Jörg Kubitzki, Sicherheitsforscher im Allianz Zentrum für Technik (AZT) und Autor der Allianz Studie.
Auch die Unfallzahlen für die ersten zehn Monate 2022 geben Anlass zur Sorge. So stieg die Zahl aller Ablenkungsunfälle mit Personenschaden gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Viertel (23,5 Prozent).
Sorgenkinder sind junge Autofahrerinnen und -fahrer
Junge Fahrzeuglenker*innen im Alter von 18 bis 24 Jahren sind besonders ablenkungsgefährdet. So geben 30 Prozent der Autofahrerinnen und -fahrer dieser Altersgruppe an, während der Fahrt mit dem Smartphone in der Hand zu telefonieren (alle Autofahrer und -fahrerinnen: 16 Prozent). Vier von zehn sagen, elektronische Nachrichten mit dem Handy in der Hand zu tippen oder zu lesen – das entspricht einem Anstieg um den Faktor 2,5 zwischen 2016 und 2022.
Fahrerüberwachung als präventive Maßnahme
Der Großteil der Fahrzeuglenkerinnen und -lenker steht einer elektronischen Überwachung des Fahrers, dem sogenannten Driver Monitoring, zur Fahrerzustandserkennung noch skeptisch gegenüber. So stimmen lediglich 39 Prozent der Befragten einer Kamera- beziehungsweise Infrarotabtastung von Augen, Gesicht beziehungsweise Kopf zu, bei der die Technik anonymisiert nur Ablenkung erkennt.
„Für das Driver Monitoring besteht noch Überzeugungsbedarf“, sagt Christoph Lauterwasser. „Es soll dabei nicht um Bevormundung gehen, sondern um Unterstützung. Die neuesten Fahrzeug- und Verkehrstechniken ermöglichen es, Fahrerinnen und Fahrer bei Ablenkung zu warnen. Schon diese Rückmeldung kann zu einer positiven Verhaltensänderung beitragen. Das sollten wir nutzen, um den Straßenverkehr für uns alle sicherer zu machen.“
Für die aktuelle Sicherheitsstudie führte das Allianz Zentrum für Technik (AZT) gemeinsam mit der Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH (GIM) eine Repräsentativerhebung unter 1202 Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern in Deutschland durch.
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