Die deutsche Wirtschaft könnte den konjunkturellen Tiefpunkt in Folge der Energiekrise bereits durchlaufen haben - mit der Konsequenz, dass es im Winterhalbjahr zwar eine Rezession gibt, diese aber milder ausfallen dürfte als noch vor einigen Monaten befürchtet.
Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung mit seinen neuen Werten: Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, ist zum zweiten Mal in Folge spürbar gesunken. Für den Zeitraum von Dezember bis Ende Februar 2023 weist der Indikator ein Rezessionsrisiko von 52,5 Prozent aus, nach 65,3 Prozent Anfang November und 80,8 Prozent Anfang Oktober.
Gleichzeitig ist die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, weiterhin relativ hoch und zuletzt leicht gestiegen. Aktuell liegt sie bei 17,7 Prozent nach 15,6 Prozent im November. Da Rezessionswahrscheinlichkeit und Streuung zusammengenommen den Schwellenwert von 70 Prozent überschreiten, ab dem der Indikator eine akute Rezessionsgefahr ausweist, weist das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument weiter die Phase "rot" aus.
Trotzdem steht für den IMK-Konjunkturexperten Peter Hohlfeld momentan die positive Tendenz klar im Vordergrund: "Auch wenn weiter eine leichte Rezession über das Winterhalbjahr droht, so ist die berechnete Rezessionswahrscheinlichkeit seit Anfang Mai nicht mehr so gering ausgefallen wie jetzt. Dank der umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen hellt sich der Konjunkturausblick für 2023 auf", sagt der Ökonom.
Die Entspannung bei der Rezessionswahrscheinlichkeit hängt stark mit Trends auf den Finanzmärkten zusammen, die in den Indikator einfließen: Die Börsenkurse haben sich weiter erholt und die Kreditrisikoprämien für Unternehmen sind gesunken. Der Finanzmarktstressindex des IMK, der einen breiten Kranz von Finanzmarktindikatoren zusammenfasst, hat sich ebenfalls etwas aufgehellt.
Einen stärkeren Rückgang des Rezessionsrisikos verhindert haben Indikatoren aus der Realwirtschaft, die allerdings teilweise lediglich bis Oktober vorliegen. Dazu zählt etwa der kräftige Rückgang von Auftragseingängen an das Verarbeitende Gewerbe aus dem Inland. Auch die letzten Daten zur Entwicklung von Containerumschlägen haben den positiven Trend im Indikator etwas gebremst.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
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Durch die jüngsten Finanzmarktturbulenzen ist das Rezessionsrisiko für die deutsche Wirtschaft leicht gestiegen, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Der nach dem Ampelsystem arbeitende IMK-Konjunkturindikator steht für den Zeitraum von April bis Ende Juni weiter auf „gelb-grün“.
Rezessionswahrscheinlichkeit weiterhin im roten Bereich
Zwar ist für den Zeitraum von August bis Ende Oktober die Rezessionswahrscheinlichkeit um 7 Prozentpunkte auf 71,5 Prozent gesunken. Doch liegt dieser Wert weiter über der Grenze, ab der der nach dem Ampelsystem arbeitende IMK-Konjunkturindikator eine akute Rezessionsgefahr („rot“) markiert.
Rezessionswahrscheinlichkeit steigt auf knapp 80 Prozent
Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate kurzfristig so deutlich gestiegen ist, geht wesentlich auf die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren zurück, was das IMK auch mit der Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank im Juni in Verbindung bringt.
IMK-Konjunkturindikator wechselt auf „grün-gelb“
Die Wirtschaftsaussichten in Deutschland haben sich weiter aufgehellt. Dementsprechend ist die Rezessionswahrscheinlichkeit erneut gesunken - und zwar den vierten Monat in Folge. Zum ersten Mal seit Februar 2022 schaltet der Konjunkturindikator auf „moderates Wachstum“.
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