Unfallrisiken für Zweiradfahrer steigen

Die Unfälle des Zweiradverkehrs standen im Mittelpunkt der neuen Allianz Zweirad-Verkehrssicherheitsstudie. Jeder vierte Tote (294.000) und 41 Prozent (22 Mio.) aller Verletzten des weltweiten Straßenverkehrs verunglücken mit einem Fahrrad, Moped, Motorrad oder Vergleichbarem. EU-weit ist jeder vierte Verkehrstote ein Zweiradnutzer.

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Die Unfallrisiken für Zweiradfahrer seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. In Deutschland sterben aktuell fast 40 Prozent der Verkehrsopfer als Zweiradfahrer, 2001 sei es noch ein Viertel gewesen, so Jochen Haug, Schadenvorstand der Allianz Versicherungs-AG. Bei den Schwerverletzten sei der Anteil sogar von einem Drittel auf die Hälfte gestiegen. So gab es 2020 1 983 getötete und 28.460 schwerverletzte Fahrradfahrer und Nutzer motorisierter Räder und E-Scooter. Der Vorstand erklärt konstatiert:

Diese Entwicklung ist ethisch nicht hinnehmbar. Das Sicherheitskonzept Vision Zero fordert einen Straßenverkehr ohne gravierende oder gar tödliche Verletzungen.

E-Fahrrad und E-Scooter sind keine Spielgeräte

Der deutliche Anstieg bei den Zweirädern ist auch dem Trend zu Elektrozweirädern geschuldet. In den ersten zehn Monaten 2021 erhöhte sich die Zahl der mit E-Scooter Verunglückten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 153 Prozent (von 1584 auf 4001), die der Schwerverletzten um 113 Prozent (von 306 auf 652). Bei den Fahrradopfern ist jeder dritte Getötete der Nutzer eines Elektrofahrzeugs.

Die Allianz Studie zeigt außerdem: Das Getötetenrisiko 2 für Fahrradfahrer ist nach Berechnung des Allianz Zentrum für Technik (AZT) beim E-Fahrrad gegenüber dem herkömmlichen Rad im langjährigen Mittel dreimal höher. Ein höheres Risiko findet sich nicht nur bei Senioren, sondern auch bei allen Jüngeren. Zwar sind E-Bike-Strecken im Schnitt länger als nicht motorunterstützte Radstrecken, aber die Jahresfahrleistung ist geringer.

Unfälle überdurchschnittlich oft ohne Unfallgegner

Sorgenkind des Zweiradverkehrs bleiben die Motorradfahrer, mit 18 Prozent aller Getöteten und jedem zweiten Getöteten aller Zweiradfahrer. Die Allianz Untersuchung zeigt, dass vor allem überdurchschnittlich viele Alleinunfälle zur Opferbilanz beitragen. So ereignen sich 35 Prozent aller Motorradunfälle ohne Beteiligung eines Dritten.

Bei Fahrrad- und E-Bike-Nutzern sind es 28 Prozent. Bei einem Alleinsturz ist nach AZT-Berechnung das Risiko einer schweren Verletzung bei Fahrradfahrern, inklusive E-Fahrrad, doppelt so hoch wie bei Unfällen mit Dritten. Weitere Unfallrisiken: Falsche Straßenbenutzung, hohe Geschwindigkeit und Ablenkung
Die Studie zeigt außerdem: Im Fahrradverkehr wird zwar das Fehlverhalten „falsche Straßenbenutzung“ am häufigsten registriert, doch jüngst nimmt auch dort der für das Motorrad klassische Geschwindigkeitsfehler“ zu. Unterschätzt wird die Ablenkung, besonders bei jungen Menschen.

71 Prozent der 18 bis 24-Jährigen fahren nach einer Allianz Repräsentativerhebung mit Ohrhörern Fahrrad. Unfälle in der Nacht erfuhren coronabedingt einen Rückgang, doch Leidtragende des Radverkehrs bleiben die Senioren: 59 Prozent der getöteten Fahrrad- und 43 Prozent der Mofa-/Mopedfahrer sind älter als 64 Jahre.

Ohne Fahrradhelm mehr Kopfverletzungen

Nach Bundesstatistik ist bei Fahrradunfällen mit tödlichen Verletzungen zu circa 50 Prozent der Kopf betroffen. Die Allianz Schadendaten zeigen, dass Radler ohne Helm 2,5-mal mehr Kopfverletzungen aufwiesen als mit Helm. Die Fahrradhelm-Tragequote steigt langjährig um circa ein Prozent pro Jahr und liegt aktuell bei 26 Prozent. Eine 100-Prozent-Quote ist je nach Szenario erst in ferner Zukunft zu erwarten – aus Sicht der Unfallforscher ist das inakzeptabel.

Das Argument, eine Helmpflicht halte vom Radfahren ab, ist durch internationale Forschung nicht zu stützen. Dagegen ist die Akzeptanz einer Pflicht mittlerweile auch bei Radfahrern hoch. Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT erläutert:

Aus unserer Sicht scheint es dringend geraten, zumindest über eine Helmpflicht für Kinder bis 14 Jahre und für Elektrofahrräder nachzudenken. Beides wirkt nach internationaler Erfahrung unfallmindernd und birgt Signalwirkung für das Sicherheitsbewusstsein aller .

Sicherheitspotenziale von Assistenzsystemen ausschöpfen

Die Möglichkeit, mit Fahrerassistenz in die menschliche Fehlerkette einzugreifen, ist im Zweiradverkehr bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die EU-Verordnung zur Einführung neuer Fahrzeugsicherheitssysteme schreibt Notbremssysteme, die Fußgänger und Radfahrer erkennen und selbstständig bremsen, ab 2024 in neuen Fahrzeugtypen und ab 2026 bei Erstzulassungen vor. Christoph Lauterwasser ist der Ansicht, dass dies helfe, in der Breite die Systeme auf die Straße zu bringen, die durch Aufprallvermeidung oder Verminderung der Aufprallgeschwindigkeit Leben retten können. Doch Technik allein reicht nicht. Jörg Kubitzki, Studienautor und Sicherheitsforscher im AZT vertieft:

Gute Fahrzeuge, Verkehrstechnik und Infrastruktur sind essenziell, aber sie kompensieren noch nicht Unerfahrenheit, Unachtsamkeit, Müdigkeit, Drogenwirkung, Risikofreude oder Rücksichtslosigkeit bei allen Verkehrsteilnehmern.

Auf der Straße treffen nicht Fahrzeuge aufeinander, sondern Menschen, und ohne stärkeren Fokus auf Verhaltensrecht und Regelbefolgung werde das Unfall-Lagebild nur schwer zu korrigieren sein, schließt der Studienautor.

Quellen/Amerkungen:

1 Zweirad-Werte berechnet als Summe aller Fahrrad-, E-Scooter- und motorisierten Zweiradopfer, gemäß Statistischem Bundesamt Gesamtjahreswert 2020: Getötete 36 Prozent, Schwerverletzte 49 Prozent. Januar–Oktober 2021 (bei Redaktionsschluss verfügbar): Getötete 39 Prozent, Schwerverletzte 49 Prozent
2 (Getötete pro Verunglückte)

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