Versicherer haben insbesondere in der jüngeren Generation die langfristige Chance, mit nachhaltigen Produkten erfolgreich zu sein. Grundsätzlich können sich heute bereits rund 60 Prozent aller Verbraucher vorstellen, in Zukunft gezielt nachhaltige Versicherungsprodukte abzuschließen; unter 30-Jährige und besonders nachhaltigkeitsaffine Verbraucher sogar zu über 80 Prozent.
Besonders geeignet sind aus Sicht der Versicherungsnehmer dafür vor allem Sachversicherungen, aber auch Vorsorgeprodukte und andere Sparten. Ein Selbstläufer ist das Thema Nachhaltigkeit für die Assekuranz jedoch nicht:
Noch besteht hier ein hoher Bedarf an Aufklärung, fehlt es für Nachhaltigkeit an transparenten und verbindlichen Taxonomien. Anbieter und einzelne Produktangebote können so schnell unter Greenwashing-Verdacht gestellt werden. Grüne Farbtupfer und rosa Versprechen reichen daher nicht aus; das Nachhaltigkeitsstreben muss sich als konkret und auch selbst als nachhaltig beweisen.
Zugleich ist die große Mehrheit der Verbraucher im Versicherungsbereich aktuell nur wenig bereit, für nachhaltige Produkte höhere Kosten oder Leistungsverzichte in Kauf zu nehmen.
Nachhaltigkeit wird zunehmend zum „Hygienefaktor“
Dies zeigt die aktuelle Studie «Nachhaltige Versicherungsprodukte» des Marktforschungs- und Beratungsinstituts HEUTE UND MORGEN. 1.500 Verbraucher ab 18 Jahren wurden bevölkerungsrepräsentativ befragt.
Ausführlich untersucht wurde, wo genau die Verbraucher nachhaltige Versicherungslösungen erwarten, wie einzelne nachhaltige Leistungen bewertet werden und wie groß die nachhaltigkeitsbezogenen Abschluss- und Wechselpotenziale sind.
Welche Versicherungsprodukte erfüllen die Nachhaltigkeitserwartungen der Verbraucher am besten
Die größte Passung einzelner Versicherungsprodukte zum Thema Nachhaltigkeit sehen die Verbraucher derzeit spontan vor allem in der Sachsparte, und hier insbesondere bei Kfz-Versicherungen (64 Prozent) und bei Wohngebäudeversicherungen (61 Prozent).
Aber auch in anderen Sparten und Produktsegmenten, wie etwa Lebens-, Renten- oder Krankenzusatzversicherungen, nimmt bereits mehr als jeder dritte Verbraucher einen guten „Fit“ zu Nachhaltigkeit wahr.
In einzelnen Produktsegmenten, wie etwa der Unfallversicherung oder der Berufsunfähigkeitsversicherung, fehlt vielen Verbrauchern bisher jedoch noch die Vorstellungskraft, wie diese konkret nachhaltig zu gestalten sind.
Generell gilt: Nachhaltige Versicherungsprodukte sind überwiegend erklärungsbedürftig. Haben die Verbraucher mögliche unterschiedsbildende Nachhaltigkeitsvorteile von Produkten verstanden, wächst zugleich deren Bereitschaft zu Abschluss und Wechsel.
Auch wenn die Verbraucher – im Unterschied zu anderen Branchen, wie allen voran Lebensmittel oder Energie – im Versicherungsbereich von sich aus bisher erst deutlich seltener auf Nachhaltigkeit achten (aktuell rund 10 Prozent), sind diese zumeist offen und auch dankbar für entsprechende Informationen der Anbieter.
Welche nachhaltigkeitsrelevanten Leistungsmerkmale begeistern Verbraucher am stärksten
Ausführlich untersucht wurden in der Studie für sieben zentrale Produktsparten (KFZ, Wohngebäude, Hausrat, Krankenzusatz, Unfall, LV / RV, BU) auch zahlreiche einzelne Leistungsmerkmale, die die Verbraucher in puncto Nachhaltigkeit am stärksten begeistern können.
Besonders überzeugen können dabei Leistungen, die den Versicherten das Einsparen von Kosten ermöglichen (beispielsweise Mehrkostenübernahme bei nachhaltigkeitsorientierten Schadenregulierungen oder Rabatte für nachhaltigen Lebensstil).
Bei nachhaltigen Kapitalanlagen / Vorsorgeprodukten (Fondsgebundene Versicherungsprodukte etc.) zeigt sich: Produkte, die Nachhaltigkeit über „Einschlusskriterien“ etablieren (beispielsweise Schutz natürlicher Ressourcen oder Invest in erneuerbare Energien) kommen besser an als Produkte, die primär „Ausschlusskriterien“ in den Vordergrund stellen (beispielsweise Gewährleistung des Ausschlusses von Kinderarbeit oder ausdrücklicher Verzicht auf Invests in Waffen / Rüstungsgüter).
Nachhaltigkeitsbezogene Abschluss- und Wechselbereitschaften
Bei sonst gleichen Konditionen liegt die grundsätzliche Abschluss- und Wechselbereitschaft für nachhaltige Versicherungsprodukte spartenübergreifend aktuell zwischen 30 Prozent (Krankenzusatzversicherung) und 42 Prozent (Wohngebäudeversicherung).
Deutliche Differenzen zeigen sich dabei zwischen unterschiedlich nachhaltigkeitsaffinen Verbrauchersegmenten. Zugleich zeigt sich: Nach der Vorstellung konkreter nachhaltigkeitsbezogener Leistungen einzelner Versicherungsprodukte lässt sich ein Anstieg der Abschlussbereitschaft feststellen.
Geringe Bereitschaft, Mehrkosten oder Leistungseinschränkungen zu akzeptieren
Zugleich macht die Studie deutlich: Aktuell sind im Versicherungsbereich nur wenige Verbraucher bereit, für nachhaltige Versicherungsprodukte höhere Kosten beziehungsweise schlechtere Konditionen in Kauf zu nehmen.
Ist dies bei Produktangeboten der Fall, sinkt die Abschluss- und Wechselbereitschaft sehr deutlich und je nach Produktart auf zwischen vier und acht Prozent. Jana Grüger, Studienleiterin bei HEUTE UND MORGEN, stellt fest:
Die große Mehrheit der Verbraucher sieht Nachhaltigkeitsaspekte bei Versicherungsprodukten als Hygienefaktor an. Nicht als einen Mehrwert oder Luxus für den man bereit wäre, auch etwas mehr zu bezahlen oder an anderer Stelle Verzicht dafür zu leisten.
Mehr Information erwünscht – Zusammenarbeit mit neutralen „Bürgen“ sinnvoll
Noch besteht unter den Verbrauchern eine signifikante Unsicherheit und Skepsis bezüglich der Frage, ob als nachhaltig beworbene Produkte und deren Produktgeber „wirklich“ nachhaltig sind. Dies trifft auch die Anbieter von Versicherungsprodukten – umso mehr, je lauter und breiter mit dem Label „nachhaltig“ kommuniziert wird.
Generell begrüßen die meisten Verbraucher (73 Prozent) verstärkte Informationen der Versicherer zur Nachhaltigkeit. Zumal das Thema im Verbraucherbewusstsein kein kurzfristiges Modethema darstellt.
Sogar die nachhaltigkeitskritischen Verbraucher wünschen zu 43 Prozent zusätzliche Informationen der Versicherer. Zu nachhaltigen Produkten informiert werden wollen die Verbraucher am liebsten von ihren persönlichen Ansprechpartnern für Versicherungsangelegenheiten; wahlweise per E-Mail oder auch im persönlichen Beratungsgespräch.
Parallel legen die Verbraucher aber auch großen Wert auf eigene Recherchen im Internet und auf Informationen von unabhängiger Seite. Übergreifend gilt: Für die Fundierung der Nachhaltigkeit von Versicherungsprodukten – wie auch des nachhaltigen Handelns der Produktgeber insgesamt – reicht allein der Claim, nachhaltige Lösungen zu bieten, nicht aus.
Neben glaubwürdiger, transparenter und verständlicher eigener Information, braucht es für eine stärkere Positionierung daher auch „neutrale“ Bürgschaften und Garantien. Dabei kann es sich beispielsweise um im Bereich der Nachhaltigkeit glaubwürdige Testimonials handeln; nicht zuletzt aber auch um die Zusammenarbeit der Anbieter mit Institutionen und Verbänden, die Nachhaltigkeitsaktivitäten und entsprechende Produktangebote seriös prüfen und bestätigen.
Zumal Labelings wie „nachhaltig“, „ökologisch“, „bio“ oder „fair“ aktuell noch weitgehend ungeschützt und beliebig sind – und daher aus Verbrauchersicht leicht auch irreführend oder missbräuchlich verwendet werden können.
Insgesamt erweist sich das Thema Nachhaltigkeit für die Assekuranz als große Chance, die zugleich mit vielfältigen neuen Erwartungen, Anforderungen und Risiken verbunden ist. Versicherer haben zahlreiche Möglichkeiten, die Kunden mit organisch zu verschiedenen Produktgruppen passenden nachhaltigen Leistungsbausteinen zu begeistern.
„Angeklebte“ und fragwürdige Produktargumentationen, etwa nach dem vollmundigen Marketing-Motto: „Kaufe fünf Tafeln Schokolade und Du pflanzt dafür einen neuen Baum“, eignen sich im Versicherungsbereich hingegen wenig für eine nachhaltige Positionierung der Anbieter im Wettbewerb.
Letztlich geht es für die Assekuranz in puncto Nachhaltigkeit um nicht weniger als um eine historische Chance, die Branche als aktiven Gestalter und Treiber des Umbaus zu nachhaltigerem Wirtschaften und zu nachhaltigeren Lebensweisen zu positionieren,
weiß Dr. Michaela Brocke. Dabei eröffne sich auch die Chance, das bisher oft noch negativ, diffus oder langweilig gefärbte öffentliche Image der Branche abzulegen. Das könne aber nur gelingen, wenn die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Versicherer und damit verbundene Produktangebote der Versicherer substanzbasiert und selbst erkennbar nachhaltig seien.
Diese Chance sollte nicht rein kurzfristigen oder kurzgesprungenen Werbe- und Verkaufsinteressen geopfert werden. Zumal diese heutzutage schnell zu einem Bumerang werden können.