Jeder Chef will authentisch führen. Gleichzeitig hat jede Führungskraft eine Rolle auszufüllen, Umstände zu inszenieren, Botschaften einwandfrei zu artikulieren.
Wer wahrgenommen werden will, muss Haltung zeigen, Position beziehen und die Menschen auch über längere Episoden fesseln können. Im Unternehmen ist es also wie auf der Bühne.
Vor 400 Jahren starb William Shakespeare. In seinem berühmten Theaterstück „Wie es euch gefällt“ entmachtet Herzog Friedrich seinen älteren Bruder, der daraufhin mit seinen treuen Gefolgsleuten in den Wald von Arden in die Verbannung geht. Im zweiten Akt in der siebten Szene gibt es einen bekannten Kurzmonolog. Lord Jacques, ein getreuer Adliger, hat am Tisch beim Abendessen etwas Bedeutendes zu sagen:
„Die ganze Welt ist Bühne Und alle Fraun und Männer blosse Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, Sein Leben lang spielt einer manche Rollen Durch sieben Akte hin.“
Das Leben als Bühne. Der Mensch ist gefangen in seinen Rollen – nicht in nur einer, sondern in unterschiedlichen je nach Station des Lebens. Der Mythos von Echtheit und Authentizität wurde uns jahrelang vorgeführt und als höchste aller Auftrittsziele genannt. Sei echt, sei authentisch, sei du selbst – nur so verwirklichst du dich im Leben und nur so bist du ein glaubwürdiger Chef oder ein greifbarer Partner. Denn es ist wohl so, dass „vorspielen“ meist nicht die erhoffte Wirkung erzielt.
Sei echt, sei authentisch, sei du selbst – aber wie?
Der ersten Szenen eines Theatertextes werden üblicherweise in einem Verzeichnis die Personen der Handlung vorangestellt. Es beinhaltet die Namen und eine kurze Funktionsbezeichnung. Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht in der Regel der Reihenfolge des Auftretens. Bis zum 18. Jahrhundert bestimmte hingegen die gesellschaftliche Stellung das Nacheinander der Figuren. Die Angaben, die das Personenverzeichnis über die einzelnen Rollen macht, können Angaben zum Geschlecht, zum Alter, zu den Verwandtschaftsverhältnissen, zur sozialen Stellung, zur Klassen- bzw. Gruppenzugehörigkeit oder zu sonstigen Beziehungsmerkmalen sein.
Häufig lässt sich auch schon die Figurenkonstellation oder zumindest ein Teil davon daraus ableiten: Auf die solistische Rollen folgen die stummen Nebenrollen sowie die auftretenden Ensembles in ihren Funktionen wie Theaterchor oder Statisterie. Im Anschluss daran wird auf Zeit und Ort der Handlung hingewiesen. Die Angaben können weitgehend neutral gehalten sein oder die deutlich wertende Handschrift des Autors zeigen, der auf diese Weise die Rezeption seines Stücks beeinflussen möchte.
Selbstdarstellung als wichtiges Fundament
Die methodischen Grundlagen der Selbstdarstellung sind für den Schauspieler ein wichtiges Fundament. Die Eigendarstellung bildet das zentrale Rückgrat für die Kunst und das Können. Auf die Eigendarstellung folgt irgendwann die Fremddarstellung, darin gipfelt die Schauspielerei und sie ist das eigentliche Ziel. Es geht darum, andere, fremde Rollen einzunehmen und herausragend gut zu spielen. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen und die Begriffsverwendung zu klären: Es geht nicht darum, eine Rolle zu spielen, sondern zu sein und zu leben.
Wenn es also darum geht, eine Rolle zu leben, gilt es, diese mit den eigenen Charaktereigenschaften und dem eigenen Profil abzugleichen und zu erkunden, wie man persönlich eine solche Rolle wohl in seinem Alltag leben würde. Es geht darum, das eigene, innere „Material“ mit dem Rollenspezifischen zu kombinieren.
Dazu kommt, dass jede Rolle spezifische Merkmale hat, oft ist es auch nur ein kleines Detail. Das ist dann der Rollenanker, an den sich Schauspieler halten. Oft sind es in den Theaterrollen übrigens die Schuhe: Von dem Moment an, bei dem in Proben die Schuhe dazu kommen, die zur Figur gehören, gewinnt die Interpretation. Schuhe sind die Verbindung zwischen der Erde und dem Menschen. Wenn ein Schauspieler einen alten Mann spielen soll, hilft es enorm, wenn er möglichst früh in den Proben bereits die Finken während seiner Auftritte trägt. Im Folgenden erweitert man die Anker und verknüpft sie laufende mit den eigenen Eigenschaften und Emotionen zu dieser Rolle.
Jeder hat in seinem Leben verschiedene Rollen mit den entsprechenden Facetten. Man ist Partner, Mitarbeiter, Freund, Nachbar, Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Vereinspräsident der Musikgesellschaft und vieles mehr. Obwohl man immer die gleiche Person ist: So ganz gleich verhält man sich nicht. Es gibt verschiedene Aspekte zur Rolle, die jeder von uns in sich hat. Übersetzt für den Alltag heißt das: Man ist ja nicht nur Chef, sondern auch Kollege oder Kundenberater, Verkäufer genauso wie Patenonkel und Fluggast. Schauspielerei hat etwas damit zu tun, sich selbst zu finden. Im Fokus steht also nichts Aufgesetztes, sondern die totale Konfrontation mit dem eigenen Ich.
Der Chef als Therapeut, Kontrolleur und Coach
Im beruflichen Umfeld, beispielhaft als neuer Chef, haben Sie eine ganze Reihe an Rollen intus, phasenweise sind Sie
Therapeut – für die privaten Anliegen, die Mitarbeitende an Sie herantragen
- Motivator – wenn es dem Team wieder mal nicht so läuft
- Coach – der dann einschreitet, wenn jemand gezielt gefördert werden soll
- Durchsetzer (der Boss) – wenn es darum geht, sich schlicht und ohne große Diskussionen durchzusetzen
- Kopf-Hinhalter – wenn es darum geht, Entscheide von oben abzufedern
- Kundenberater – der für fest zugeteilte Kunden der erste Ansprechpartner ist
- Organisator – wenn es darum geht, die Arbeitsprozesse zu beschreiben
- Kontrolleur, Ratgeber, Zuhörer und nicht zu vergessen: Kollege – für Menschen, die man zum Teil schon sehr lange und auch privat kennt.
- Übrigens: gerne wird übersehen, dass alle Führungskräfte auch die Rolle des Mitarbeitenden haben, sie sind also selbst einem Chef unterstellt.
Die Entscheidung für eine bestimmte Rolle hängt von der Situation, dem Gegenüber und auch sich selber ab. Entscheiden Sie sich bewusst für eine bestimmte Rolle. Wenn Sie aufgrund eines Impulses oder in Folge sich verändernder Rahmenbedingungen entscheiden müssen, die Rolle zu wechseln, tun Sie dies bewusst – und teilen das dem Geschäfts- oder Gesprächspartner klar mit. Wechseln Sie den Hut – aber tun sie das eindeutig. Klare Handlungen verlangen klare Rollen. Das macht eine Sache oder eine Situation glaubwürdig. Der andere weiß, wem er konkret gegenübersteht.
Über
den AutorStefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Seit Jahren begleitet er zahlreiche Unternehmen bis in die höchsten Vorstände von multinationalen Konzernen. Er ist Dozent an Universitäten und Fachhochschulen.
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