Derzeit arbeitet die Europäische Union an einem einheitlichen regulatorischen Rahmen für nachhaltiges Investieren.
Was die zunehmende EU-Regulierung im Bereich nachhaltiger Anlagen für die Investment-Branche im Allgemeinen und Finanzberater im Besonderen bedeutet, erklärt Michael Maldener, Managing Director und Conducting Officer bei Nordea Investment Funds.
Nachhaltigkeit steht aktuell im Fokus vieler Anleger. Können Sie uns aus regulatorischer Sicht eine Vorstellung davon geben?
Michael Maldener: Nachhaltigkeit ist zu einem Megatrend in der Investmentbranche geworden und hat sich von der Nische in den Mainstream bewegt. In den letzten Jahren erkannten die Aufsichtsbehörden zunehmend, dass es ein Rahmenwerk braucht, um ein gewisses Maß an Kohärenz im Bereich nachhaltigen Investierens sicherzustellen. Die EU hat entsprechend ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzen entwickelt, um zum einen die Kapitalflüsse in Richtung nachhaltige Investments umzuleiten (was erforderlich ist, damit Europa die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegten Ziele erreichen kann), und zum anderen, um einen Rahmen für Nachhaltigkeit im Bereich der Vermögensverwaltung zu schaffen.
Wir können die ersten Regulierungsinitiativen vereinfacht in drei Punkten zusammenfassen: Erstens wird die Offenlegungsverordnung die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Anlageverwaltern und Vertrieben klarstellen. Zweitens wird die Taxonomieverordnung ein abgestimmtes Vokabular bereitstellen, mit dem unter anderem Greenwashing vermieden werden soll. Drittens soll die Grundlage für die längerfristigen Ziele geschaffen werden, indem bestehende Rechtsvorschriften wie die MiFID II aktualisiert und angepasst werden. Wir befinden uns noch am Anfang dieses Prozesses, was bedeutet, dass noch einiges an Unklarheiten und Inkonsistenzen ausgeräumt werden muss.
Sie haben die Taxonomie erwähnt. Die bisherige ESG-Kennzeichnung kann für Investoren ziemlich verwirrend sein. Befürworten Sie, dass dies ein Schwerpunkt für die Aufsichtsbehörden ist?
Ja. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe – einige beschreiben ganz ähnliche Aspekte, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln, während andere sehr unterschiedliche Dinge bezeichnen. Manchmal fühlt es sich so an, als könne man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Aktuelle Regulierungsinitiativen zielen darauf ab, diese Begriffsvielfalt zu strukturieren. Die Taxonomie hat die ersten Schritte in Richtung einer branchenweit einheitlichen Definition von Begriffen im Bereich Nachhaltigkeit/ESG unternommen.
Was müssen Vertriebe und Finanzberater mit Blick auf die Regulierung beachten?
Die Offenlegungsverordnung richtet sich an Vertriebe und Finanzberater sowie Vermögensverwalter. Unabhängig davon, wo sie sich in der Wertschöpfungskette befinden, müssen sie offenlegen, wie sie die Produkte klassifizieren und wie nachhaltig die zugrunde liegenden Anlagen sind. Die Offenlegungsverordnung verpflichtet die Unternehmen außerdem, offenzulegen, wie sie mit Nachhaltigkeitsrisiken in Bereichen wie dem Investitionsentscheidungsprozess und der Produktklassifizierung umgehen.
In welcher Beziehung steht MiFID II zu all dem?
Im Juni wurden Entwürfe zu den aktualisierten delegierten Rechtsakten der MiFID II veröffentlicht, die in der Branche für Aufsehen sorgten. Einige Elemente in den veröffentlichten Entwürfen stimmten nicht mit der Offenlegungsverordnung überein, und infolgedessen könnte es schwierig sein, die Produktklassifizierung festzulegen. Ein wichtiger Aspekt ist die Anforderung innerhalb der MiFID II, Nachhaltigkeitspräferenzen in die Eignungsbewertung einzubeziehen, wenn Anlageberatung oder diskretionäres Portfoliomanagement angeboten werden. Nachhaltigkeitspräferenzen müssen neben den üblichen Aspekten der finanziellen Risikoeignung bewertet werden. Derzeit gibt es Lücken zwischen den verschiedenen Regulierungssätzen und Entwürfen, die hoffentlich in der endgültigen Fassung der delegierten Rechtsakte, die später in diesem Jahr veröffentlicht wird, angepasst werden.
Vor welchen Herausforderungen steht die Branche in näherer Zukunft?
ESG oder Nachhaltigkeit ist seit einiger Zeit ein aktiver Bestandteil der Investment-Management-Branche, jedoch bislang weitgehend unreguliert. Es ist sicherlich eine große Herausforderung, sie in ein Rahmenwerk einzubetten, um die Ziele im weiteren Kontext des EU-Aktionsplans für nachhaltige Finanzen zu erreichen. Das ist insbesondere der Fall, wenn man sicherstellen will, dass der Endinvestor versteht, was er oder sie kauft, und gleichzeitig die Kapitalflüsse in nachhaltige Finanzen umleiten möchte.
Die aktuelle Situation ähnelt einem Umzugsprozess. Als Branche leben wir schon seit einiger Zeit in unserem Haus und ziehen jetzt um in etwas Neues. Die Umzugskisten passen jedoch nicht zu unseren Habseligkeiten, oder die Kisten sind noch nicht angekommen. Mit anderen Worten, diese aktuellen Leitlinien werden in den kommenden Monaten und Jahren ausgearbeitet. In der Zwischenzeit ist es wichtig, dass Berater über ihr Angebot und ihre internen Prozesse in Bezug auf nachhaltiges Investieren nachdenken. Nachhaltigkeit bietet Beratern potenziell eine große Chance, wenn sie ihr Geschäftsmodell frühzeitig neu kalibrieren und künftig eine gute Auswahl an nachhaltigen Fonds anbieten.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Nachhaltigkeit in der Versicherungs- und Finanzberatung
Der 2. August sollte die nachhaltige Zeitenwende für die Versicherungs- und Finanzvermittlung einläuten. Den regulatorischen Startschuss setzte dafür die EU-Transparenzverordnung. Wo stehen wir jetzt in Bezug auf die Vermittlerschaft? Eine Positionsbestimmung von Norman Wirth.
MiFID-Nachhaltigkeitsabfrage nicht umsetzbar
Die regulatorischen Vorgaben für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden sind derart überkomplex, dass es weder in der Breite der Vermittlerschaft noch bei den Kunden eine Bereitschaft dazu gibt, sich diesem Abfrageprozess auszusetzen, vermeldet der AfW.
Nachhaltigkeitspräferenzen: Vermögensverwalter haben Nachholbedarf
Nur einer von vier Vermögensverwaltern „stimmt voll und ganz zu“, dass er Zugang zu geeigneten Tools und Software hat, um die ESG-Präferenzen seiner Kunden effektiv bewerten zu können.
Globale Aktienfonds: Besser mit ESG-Fokus
Globale Aktienfonds, die auf ESG-Aspekte besonderen Wert legen, verwalten über 160 Mrd. Euro. Im Durchschnitt brachten sie mittel- bis langfristig 2 Prozent mehr Rendite als herkömmliche Globalfonds. Scope ermittelt die bestbewerteten, größten und ältesten Aktienfonds dieser Peergroup.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
In der Steuerung des Kreditrisikos liegt ein strategischer Hebel
Protektionismus, Handelskonflikte, geopolitische Risiken – die Unsicherheit an den Märkten bleibt hoch. Passive Kreditstrategien stoßen in diesem Umfeld schnell an ihre Grenzen. Warum gerade aktives Management und ein gezielter Umgang mit Kreditaufschlägen den Unterschied machen können, erklärt Jörg Held, Head of Portfolio Management bei Ethenea.
Mehrheit befürwortet Rüstungsinvestments – Akzeptanz steigt auch bei nachhaltigen Fonds
Private Geldanlagen in Rüstungsunternehmen polarisieren – doch laut aktueller Verivox-Umfrage kippt die Stimmung: 56 Prozent der Deutschen halten solche Investments inzwischen für legitim. Auch nachhaltige Fonds greifen vermehrt zu.
PKV-Initiative „Heal Capital 2“: Neuer Fonds, neue Investoren, neue Start-ups
Digitale Wartung, KI-Zertifizierung, stärkere europäische Vernetzung: Der PKV-Investitionsfonds Heal Capital geht mit neuer Schlagkraft an den Start – und will die digitale Versorgung nachhaltig verändern. Doch welche Start-ups profitieren zuerst?
„Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens auch“
Von unseriösen Werbeversprechen bis KI-Euphorie: Im zweiten Teil des Interviews mit Tim Grüger geht es um Trends im Daytrading, die Erwartungen von Kunden und den Kampf gegen Finanz-Fake-News. Plus: Was TradingFreaks für die Zukunft plant – und welchen Rat der Gründer Anfängern mit auf den Weg gibt.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.